Toyota - Aufholjagd auf Japanisch

Toyota ist als weltgrößter Autohersteller erfolgreicher denn je. Der neue Konzernchef Koji Sato steht dennoch vor einer Mammutaufgabe: beim Elektroantrieb aufzuholen.

Koji Sato will aus Toyota nun auch einen Experten für E-Autos machen / dpa
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Felix Lill ist als Journalist und Autor spezialisiert auf Ostasien.

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Kaum hatte er die Spitze erklommen, sagte der neue Boss etwas Unerhörtes. „In meinem Unternehmen soll jeder etwas zu sagen haben“, tönte Koji Sato im Juni, nur zwei Monate nachdem er Vorstandsvorsitzender des größten Autobauers der Welt geworden war. In Japans hierarchisch strukturierter Geschäftswelt schien die Ansage ein nahezu antiautoritäres Klima einzuleiten. Und Sato erlaubte sich auch noch, diesen Bruch mit etablierten Gepflogenheiten aus der Unternehmenstradition abzuleiten: „An dieser Stelle kommt doch Toyotas Kaizen-Philosophie ins Spiel.“

Dank dem Prinzip Kaizen, japanisch für „ständige Verbesserung“, avancierte Toyota einst vom Billigautohersteller zum Technologieführer und Branchenprimus. Und wenn ein Konzern zu straucheln droht, warum dann nicht eine Erneuerung versuchen, die mit den alten Idealen zumindest im Grundsatz vereinbar scheint? Schließlich hatten sich zuletzt immer mehr Investoren beklagt, Toyota investiere kaum in Elektroantriebe und drohe daher, den Boom von E-Autos zu verpassen.

Toyota forscht an allem außer E-Autos

Dabei war die erste Reaktion auf diese Kritik ein kleiner Bruch mit der Unternehmenstradition: Mit dem Rücktritt des erst 66 Jahre alten Akio Toyoda vom CEO-Posten und der Benennung Koji Satos als dessen Nachfolger führt nun jemand den Konzern an, der nicht den Nachnamen der Gründerfamilie trägt. Den nötigen Stallgeruch hat Sato dennoch: Zuvor agierte er als Chef der Luxussparte Lexus, nachdem er in früheren Jahren – wie in japanischen Unternehmenslaufbahnen üblich – durch diverse Geschäftsbereiche rotiert worden war. 

Auch sonst passt Sato an die Spitze eines Autobauers. Schon als Kind vergnügte er sich mit Spielzeugautos, arbeitete als Heranwachsender bei einer Tankstelle und studierte später Ingenieurswesen an der Tokioter Eliteuniversität Waseda. Er bezeichnet sich selbst als Liebhaber von Dieselmotoren, will aber in den 30 Jahren, die er mittlerweile im Konzern ist, gelernt haben, dass die Tage von Verbrennern gezählt sind. Unternehmensintern gilt Sato als Verfechter von Elektroantrieben. Und das macht ihn im Hause wiederum zu einem unbequemen Erneuerer.

Wer sich auf Toyotas Unternehmensgelände südlich der zentraljapanischen Stadt Nagoya umsieht, wird schnell bemerken: Hier wird sehr viel geforscht – aber eher zu allem anderen als Elektro­autos. Schon seit den 1990er Jahren produziert man mit dem Prius Hybridantriebe in Serie, seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts in Gestalt des Mirai auch ein Wasserstoffauto. An beiden Technologien arbeiten die Ingenieure von Toyota weiterhin, getreu dem Prinzip Kaizen. Toyota setzt Standards.

Überholen ohne einzuholen

Nur hat bei den E-Autos bislang die Konkurrenz den Ton angegeben und entscheidende Fortschritte in Sachen Effizienz und Kosten gemacht. Was der neue Konzernchef jetzt unter Hochdruck aufholen will. Sato hat auch schon angekündigt, die neuen Fahrzeuge würden dann „typisch Toyota“ werden: hochwertig und preiswert zugleich. Wann das so weit sein soll, bleibt unklar. Schließlich muss hierfür ein Großteil der Produktion umgestellt werden.

Bei diesem Mammutprojekt helfen dem 53-Jährigen gute Nachrichten: Die jüngsten Quartalszahlen dokumentieren nahezu eine Verdopplung von Toyotas Gewinn auf 1,3 Billionen Yen (8,3 Milliarden Euro). Mit 5,5 Millionen verkauften Autos im ersten Halbjahr konnten die Japaner ihren Platz als größte Autobauer der Welt deutlich gegenüber Volkswagen verteidigen. Dabei liegt die Stärke Toyotas weniger am boomenden Markt in China, wo die Profite inmitten geopolitischer Spannungen und steigender chinesischer Konkurrenz gefallen sind.

 

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Entscheidend für die insgesamt starken Absätze ist der schwache Yen, der japanische Exporte billiger und Importe nach Japan teurer macht. So haben es japanische Autobauer nicht nur vergleichsweise leichter, ihre Produkte im Ausland abzusetzen. Im Gegenzug sind auch nichtjapanische Autobauer durch den für sie ungünstigen Wechselkurs tendenziell teurer, wenn sie auf dem japanischen Markt verkaufen wollen. So floriert für Toyota vor allem das Heimatgeschäft.

Für den chinesischen Markt, der über die kommenden Jahre wohl der wichtigste bleibt, setzt Toyota unter Koji Sato wiederum auf Joint Ventures mit chinesischen Unternehmen wie BYD, China FAW und GAC. Aus diesen Allianzen sollen insbesondere preisgünstige E-Autos entstehen. Etwas Ähnliches versuchen deutsche Autobauer in China. Aber Toyota könnte einen entscheidenden Vorteil haben: Sobald man sich voll hinter etwas stellte, hat es der Konzern immer wieder geschafft, die Branche anzuführen. Mit dem neuen Chef und dessen neuen Regeln scheint dies der Fall zu sein. 

 

Dieser Text stammt aus der September-Ausgabe von Cicero, die Sie jetzt am Kiosk oder direkt bei uns kaufen können.

 

 

 

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