Tesla-Standort Grünheide - Wenn Industrie auf Brandenburg trifft

Für Brandenburg könnte mit der Tesla-Fabrik in Grünheide die industrielle Zukunft mit vielen Jobs beginnen. Selbst der Naturschutzbund NABU hat nur überschaubare Bedenken. Seit Anfang des Jahres gibt es nun aber doch eine Bürgerinitiative gegen die Gigafactory. Sie könnte das Projekt empfindlich treffen

Protest gegen Teslas geplante Gigafactory in Grünheide, Brandenburg / picture alliance
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Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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Selten hat eine Gala-Veranstaltung zuletzt so viel Furore ausgelöst, wie die Verleihung des „Goldenen Lenkrads“ am 12. November 2019 in Berlin. Eher beiläufig kündigte Tesla-Chef Elon Musk vor der versammelten Branchenelite an, im Berliner Umland die erste Gigafactory seines Unternehmens in Europa errichten zu wollen. Und zwar zügig, bereits Ende 2021 sollen in Grünheide im brandenburgischen Landkreis Oder-Spree die ersten E-Autos vom Band rollen, ab 2023 sollen es 500.000 pro Jahr sein. So schnell wäre in Deutschland noch nie eine Industriefabrik dieser Größenordnung entstanden.

Dem Paukenschlag vorangegangen waren lange Geheimverhandlungen mit den Spitzen der brandenburgischen Politik. Einen besseren Einstand hätte sich die erst vor einigen Wochen besiegelte neue Regierungskoalition aus SPD, CDU und Grünen wohl kaum wünschen können. Brandenburg konnte sich in der Standortkonkurrenz gegen mehrere Mitbewerber aus Deutschland und Europa behaupten. Auch das benachbarte Berlin hätte den zukunftsträchtigen und arbeitsplatzintensiven Shooting-Star der Branche liebend gerne angesiedelt, bekommt aber als Trostpflaster immerhin ein Design- und Entwicklungszentrum des Konzerns.

Alle Vorbereitungen laufen bereits, aber...

Der Standort Grünheide wurde mit Bedacht gewählt. Das für Tesla vorgesehene Areal ist als Industriefläche ausgewiesen, es existiert ein gültiger Bebauungsplan. Zwar müssen für den Bau rund 300 Hektar Wald gerodet werden, doch dabei handelt es sich um Kiefernbestände minderer Qualität, deren Abholzung zudem von dem Unternehmen durch Neuanpflanzungen in dreifacher Größenordnung kompensiert werden soll. Ein Deal, der auch von Axel Vogel, dem neuen grünen Umwelt- und Klimaschutzminister, mitgetragen wird. Und selbst Christiane Schröder, Geschäftsführerin des für seine Anti-Ansiedlungskampagnen berüchtigten Naturschutzbundes NABU, bezeichnete die ökologischen Auswirkungen als „überschaubar“.

Der Kaufvertrag zwischen dem Forstbetrieb des Landes und Tesla ist bereits unterschrieben, muss aber noch in Bezug auf den vereinbarten Kaufpreis von einer unabhängigen Gutachterkommission bestätigt werden. Die notwendigen Genehmigungsverfahren laufen auf Hochtouren und die Munitionsräumung auf dem Areal hat bereits begonnen. Wenn alles einigermaßen glatt läuft, könnte bereits Ende März mit den Bauarbeiten begonnen werden.

„Bürgerinitiative gegen Gigafactory Grünheide“

Da reibt man sich verwundert die Augen, hat sich doch die Be- und Verhinderung von Infrastrukturprojekten, Industrieansiedlungen oder auch Wohnungsneubau im „grünen Zeitalter“ zu einer Art Volkssport in Deutschland entwickelt. Man kann getrost Wetten darauf abschließen, dass jede Windkraftanlage, jede Stromtrasse und erst recht jeder Industriekomplex postwendend örtliche Bürgerinitiativen auf den Plan ruft, die sowohl die Öffentlichkeit mobilisieren als auch auf allen juristischen Ebenen des verworrenen deutschen Planungs- und Genehmigungsrechts aktiv werden. Gemeinden und Landkreise pochen ebenfalls auf ihre Rechte und es stehen zahlreiche Klagewege zur Verfügung. Und nicht selten knicken örtliche Politiker auch jener Parteien, die die entsprechenden Projekte eigentlich unterstützen, aus Angst vor möglichen Konsequenzen bei den kommenden Wahlen vor dem von eloquenten Minderheiten postulierten „Volkswillen“ ein.

Seit Anfang des Jahres gibt es die „Bürgerinitiative gegen Gigafactory Grünheide“ (B3G), die seitdem regelmäßig Demonstrationen und Versammlungen veranstaltet. In ihrem Aufruf heißt es klipp und klar: „Wir sind nicht mal ansatzweise ein Industriestandort und wollen es auch nicht werden. Menschen siedeln sich hier an wegen der besonderen Lebensbedingungen in einer noch weitestgehend intakten Natur - seht euch doch um. Ihr wisst selbst warum ihr hier leben wollt, nicht von Industrie umgeben“. [...] Wenn Tesla kommt, wird es Grünheide nicht mehr geben. Wir verlieren nicht nur unsere Lebensräume – auch unsere Identität! Grünheide darf keine Industrieregion werden.“  Zur Untermauerung wird dann noch das gesamte Öko-Portefeuille ausgepackt, von Insektensterben über seltene Pflanzenarten bis hin zur Verkehrsbelastung und dem Klimawandel.

Politiker sollen sich einige Jahre Zeit nehmen

Der Sprecher der Initiative, Frank Gersdorf, lässt im Gespräch jedenfalls keinen Zweifel daran, dass man alles daran setzen will, die Tesla-Ansiedlung zu verhindern. „Die Bürger sind doch überrumpelt worden, das geht doch alles viel zu schnell“. Für derartige Projekte müssten sich die Politiker halt „einige Jahre Zeit nehmen und die Bürger einbinden“. Dass sich ein weltweit umworbenes Unternehmen wie Tesla darauf wohl kaum einlassen würde, „ist nicht unser Problem“.  Man hätte ja auch in die Lausitz gehen können, „denn da werden Industrieansiedlungen nach dem Kohleausstieg dringend benötigt, und da gibt es auch genug entsprechend geeignete Flächen“.

Also wird weiter demonstriert, „und wir prüfen natürlich auch juristische Schritte“, betont Gersdorf. Dabei geht es unter anderem um wasser-, immissionsschutz-  und naturschutzrechtliche  Genehmigungen. Derzeit liegen die Planungsunterlagen aus, bis zum 5.März können Bürger Einwände erheben, zu denen es am 18. März eine öffentliche Anhörung geben wird. Als möglichen Hebel gegen die Fabrik sieht Gersdorf vor allem den Wasserverbrauch beim Bau und beim späteren Betrieb.

Der zuständige Wasserverband Strausberg-Erkner (WSE) hatte vor einigen Tagen vor möglichen Problemen bei der Trinkwasserversorgung gewarnt – was vom Bürgermeister der Gemeinde und den Aufsichtsbehörden aber als unbegründet zurückgewiesen wurde. Nach der Anhörung könnte dann eigentlich der Startschuss für den Baubeginn fallen, aber niemand weiß, ob es nicht doch noch zu Verzögerungen kommt, etwa durch gerichtliche Eilentscheidungen oder plötzliche politische Bedenken.

Ruhe, bitte!

In diesem Fall würde sich nicht nur Brandenburg, sondern ganz Deutschland mal wieder zur internationalen Lachnummer machen. Dabei hätte gerade Brandenburg ein Erfolgserlebnis in Sachen Ansiedlung dringend notwendig. Schließlich wurden dort bereits etliche Großprojekte wie der Lausitzring, die Solarzellenfabrik in Frankfurt/Oder oder Cargolifter spektakulär in den Sand gesetzt.

Zudem wäre eine Verzögerung oder gar ein Scheitern der Tesla-Ansiedlung ein verheerendes Signal für mögliche Investoren in der Lausitz, wo durch den Kohleausstieg ein gigantischer Strukturwandel bewältigt werden muss. Aber was hat das alles schon für eine Relevanz, wenn im idyllischen Grünheide einige Bürger einfach nur ihre Ruhe haben wollen.

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