Supermärkte in der Corona-Krise - „Die Woche jetzt vor Ostern wird die schlimmste werden“

Das Einkaufsverhalten hat sich in den Zeiten der Corona-Krise verändert, die Supermärkte stehen unter Druck. Im Interview erzählt ein Mitarbeiter von seinem Arbeitsalltag, wie sich die Kunden ihm gegenüber verhalten und weshalb es jetzt zu Lieferengpässen kommt.

Abstandhalten als Schutz vor Infektion / picture alliance
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Autoreninfo

Rixa Rieß hat Germanistik und VWL an der Universität Mannheim studiert und hospitiert derzeit in der Redaktion von CICERO.

 

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Moritz Faber* arbeitet als Marktmitarbeiter in einer Filialie einer großen Supermarktkette in Münster.

Herr Faber*, wie nehmen Sie jetzt während der Corona-Krise die Atmosphäre in Ihrem Supermarkt wahr?
Im Laden ist es teilweise etwas unangenehm. Auf der einen Seite wird man durch die Medien regelrecht mit Aufforderungen bombardiert, sich abzukapseln und zu isolieren. Auf der anderen Seite weiß man, dass man durch seine Arbeit genau das Gegenteil tun muss. Im Supermarkt treffen viele Menschen zusammen und in den engen Gängen ist es nicht immer möglich, Abstand zueinander zu halten. Ich selbst habe da jetzt kein großes Problem mit, aber irgendwie ist es schon ein bisschen bedrückend. Vor allem, weil man manchen Menschen anmerkt, dass sie um Distanz bemüht sind und verunsichert sind.

Wie schützen Sie und Ihre Mitarbeiter sich vor einer möglichen Infektion?
Wir haben die Möglichkeit, einfache OP-Masken zu tragen. Bekannterweise ist das zwar eher ein Schutz für andere, als für einen selbst, aber besser als nichts und auf jeden Fall eine gute Sache. Vor dem Markt werden die Einkaufswagen inzwischen abgezählt herausgegeben. Durch das Abzählen können wir regulieren, wie viele Kunden sich zugleich im Laden bewegen. Außerdem werden die Wagen nach jedem Gebrauch desinfiziert.

Bei den Kassen weisen Abstandsaufkleber auf den einzuhaltenden Sicherheitsabstand hin und die Kassiererinnen und Kassierer können ihre Arbeit hinter transparenten Schutzwänden verrichten. Beim Verräumen der Ware im Laden bringt das natürlich recht wenig und man muss sich mitunter selbst etwas einfallen lassen. Ich stelle mir zum Beispiel rechts und links Einkaufswagen als Hindernisse hin, wenn ich Ware einräume und baue mir so meine Komfortzone selber.

Hat der Ansturm auf die Regale mittlerweile etwas nachgelassen?
Mittlerweile hat es sich etwas eingependelt, ja. Ich hatte den Eindruck, dass es in verschiedenen Stufen abgelaufen ist. Man hat es am Anfang gemerkt, als die ersten Corona-Fälle in Deutschland auftraten. Da haben die Leute angefangen, sehr viel zu kaufen. Das ist dann etwas abgeebbt, bis die Rede der Kanzlerin kam. Direkt danach gab es noch mal einen spürbaren Peak. Diese Wochen waren intensiver als die Weihnachts- und Osterzeit zusammen. Die Woche jetzt vor Ostern wird vermutlich erstmal die schlimmste Woche werden. Die ist nämlich ohnehin die zweitstärkste Umsatzwoche des Jahres. Und jetzt kommt Corona noch einmal oben drauf.

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Wie bereitet sich der Supermarkt auf den Ansturm der Kunden vor Ostern vor? Hat man Sie und Ihre Kollegen evtl. gebrieft?
Nein, das ist schwierig. Ein gesondertes Briefing war gar nicht nötig, weil wir die üblichen Festtagsgeschäfte ja gewöhnt sind und wissen, was auf uns zukommt. Allerdings sind zurzeit die Lieferbarkeiten nicht so gut planbar wie sonst. Außer die Klassiker wie Schoko-Hasen, die wir sowieso schon seit einigen Wochen aufgebaut haben. Wenn die Regale aktuell lückenhaft sind, dann eher wegen logistischer Probleme.

Wieso logistische Probleme? Kommt es zu Lieferschwierigkeiten?
Ja. Das liegt wohl daran, dass die Lager wegen der personellen Situation nicht immer in der Lage sind, die Bestellungen so auszuführen, wie sie aufgegeben werden. Das heißt, da sind durch die deutlich gestiegene Nachfrage zu wenige Leute, die die LKW beladen und auch fahren könnten. Wir haben gerade einen höheren Abverkauf deutschlandweit und das betrifft natürlich nicht nur unsere Filiale, sondern alle. Die Lager kommen häufig schlichtweg nicht hinterher. Da bleiben bei manchen Bestellungen einige Waren auf der Strecke. Die Lager sind voll, aber manchmal kommt nur ein Bruchteil auch in den Supermärkten an.

Welche Maßnahmen haben die Supermärkte ergriffen, um Hamsterkäufe zu verhindern?
Wenn wir es mitbekommen, weisen wir die Kunden darauf hin. In unserem Markt gibt es dazu keine Vorschrift. Man appelliert höchstens an die Vernunft der Kunden, schließlich brauchen auch die anderen etwas. Meistens funktioniert das gut und die meisten Kunden sind dahingehend ohnehin ganz entspannt und vernünftig.

Momentan erübrigt es sich aber tatsächlich von selbst, weil wir nicht die Massen da haben, die die Kunden gerne hätten. Das beste Beispiel ist da natürlich das Klopapier. Die Regale sind momentan gar nicht mehr so leer, weil noch so viele Leute hamstern würden, sondern weil sich die eben genannten logistischen Probleme erst einmal wieder einrenken müssen. Um das in den Griff zu bekommen hat es auch viele Neueinstellungen gegeben.

Wie ist der Workload? Machen Sie Überstunden?
Bei uns in der Filiale läuft es ganz gut. Auch bei uns wurden kurzfristig einige neue Mitarbeiter eingestellt. Das entzerrt das Ganze natürlich.

Die Aufmerksamkeit hat sich vermehrt auf die „systemrelevanten“ Berufe verlagert. Wie verhalten sich die Kunden Ihnen gegenüber?
Früher hat man sehr selten positives Feedback bekommen. Man hat in der Regel aber auch kein negatives bekommen. Inzwischen hört man immer häufiger ein Lob, oder nette Worte. Zum Beispiel „Gut, dass ihr da seid und das macht“. Die Leute sind verständnisvoller und freundlicher und zeigen es auch. Die breite Masse ist ganz entspannt. Die einen laufen schmunzelnd durch die Gänge und schütteln den Kopf und nehmen es mit Humor. Nur eine Handvoll ist verärgert, aber ich nehme an, das sind auch die Leute, die sich wirklich Sorgen machen.

Wie fühlt sich das für Sie persönlich an? Haben Sie Sorge, Sie könnten sich anstecken?
Es ist kein gutes Gefühl, sich jeden Tag unter so viele Menschen begeben zu müssen, aber das Geld muss ganz schlicht irgendwo herkommen. Das ist mein Job. Darum stellt sich mir die Frage so nicht. Es gibt keine Alternative und so schlimm, wie das jetzt vielleicht klingt, ist es am Ende auch nicht. Ich schütze mich so gut es geht und mache im Rahmen der Möglichkeiten das beste draus.

*Name von der Redaktion geändert.

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