Spargel-Krise - „Wir müssten eigentlich teurer verkaufen“

Deutsche Spargelbauern beklagen in dieser Saison eine geringe Nachfrage. Für Simon Schumacher, Geschäftsführer des Verbands Süddeutscher Spargel- und Erdbeeranbauer, liegt es vor allem an der Inflation, dass Verbraucher bei Lebensmitteln zunehmend sparen. Doch auch Klima-Auflagen, hohe Steuern, steigende Energiekosten, Mindestlohn und Preisdruck durch Billig-Importe machen den Erzeugern zu schaffen.

Die Preise sind gar nicht ungewöhnlich hoch, aber die Kunden haben weniger Geld zur Verfügung / dpa
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Sophia Martus hat Soziologie studiert und absolviert derzeit ein Redaktionspraktikum bei Cicero.

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Simon Schumacher ist Vorstandssprecher und Geschäftsführer des Verbands Süddeutscher Spargel- und Erdbeeranbauer e.V. (VSSE).

Herr Schumacher, das Wetter ist gut, die Sonne lacht in Deutschland, ausreichend Erntehelfer sind auch wieder eingereist. Eigentlich ideale Bedingungen für den deutschen Spargel, aber in der Nachfrage scheint sich das in diesem Jahr nicht abzuzeichen. Wie erklären Sie das?

Richtig, was das Wetter betrifft, sind die Bedingungen fast optimal, sowohl für Spargel als auch für Erdbeeren, die beiden Kulturen, die wir als VSSE vertreten. Die Branche ist etwas vor den Kopf gestoßen. Wenn wir in der Vergangenheit Politiker oder Verbraucher gefragt haben, was sie von uns, den (Spargel-)Bauern, erwarten, hieß es schlicht: Wir wollen gute regionale Produkte, deren Herkunft wir auch nachvollziehen können. Dass die auch einen entsprechenden Preis haben, wird dann oft vergessen, und viele Verbraucher sind nicht bereit, diesen auch zu bezahlen, und greifen stattdessen vermehrt zu Importprodukten, etwa Spargel aus Griechenland oder Erdbeeren aus Spanien. Hinzu kommen immer neue Auflagen, die wir dann umsetzen sollen.

Gilt das im Besonderen für die Spargelbauern, oder stellen Sie Vergleichbares für die Landwirtschaft in Deutschland allgemein fest?

Sowohl als auch. Ich kann das zwar in erster Linie für Spargel- und Erdbeeranbau sagen, aber seit klima- und sozialpolitische Fragen immer mehr in den Vordergrund rücken, werden die Anforderungen an die Landwirtschaft noch größer. Vor allem die neue Regierung will jetzt in Wort und Tat ihr Programm durchsetzen: Erhöhung des Mindestlohns oder striktere Regulierungen beim Einsatz von kurzfristig beschäftigten Arbeitskräften. Zugleich soll die Produktion regional, saisonal, nach Bio-Standard, pestizidfrei und dabei auch noch effizient und günstig sein. Das hat auch alles für sich seine Richtigkeit, und die Nachfrage nach solchen Produkten besteht ja auch. Nur wird dabei oft außer Acht gelassen, dass die meisten Verbraucher, anders als die Politker es darstellen, eben nicht bereit sind, dafür mehr zu bezahlen. Anscheinend ist es nicht ganz durchgedrungen, dass hinter der heimischen Landwirtschaft in erster Linie die Verbraucher stehen, und immer mehr kaufen eher die billigeren Importprodukte.

Und diese fehlende Bereitschaft, mehr Geld für Lebensmittel auszugeben, bekommen Sie in dieser Saison deutlicher zu spüren?

Beim Verkauf von Spargel und Erdbeeren sind die Auswirkungen für uns schon deutlich spürbar: Die Menschen haben weniger Geld zur Verfügung, wegen der hohen Inflation, weil generell die Preise steigen. Dann sparen sie eben bei Lebensmitteln. Und vor diesem Hintergrund sind wir einfach nicht konkurrenzfähig mit Billigprodukten etwa aus Spanien oder Griechenland, wo die Produktionskosten um 64 Prozent geringer sind als hierzulande, allein schon wegen der Löhne. Das betrifft den Spargel insbesondere, die Spargelernte ist sehr handarbeitsintensiv und zeitaufwendig, sodass die Kosten für Erntehelfer viel höher sind als in vielen anderen Sparten. Das alles hat zur Folge, dass deutsche Spargel- und Erdbeerbauern perspektivisch immer weniger für den Einzelhandel produzieren werden und als Hauptumsatzquelle nur die Direktvermarktung bleibt.  

Glauben Sie, dass auf lange Sicht die Spargelproduktion in Deutschland keine Zukunft hat?

Wie gesagt, betrifft das Problem der geringen Lohnkosten in anderen Ländern hauptsächlich die handarbeitsintensiven und hochwertigen Produkte. Bei maschinell geerntetem Gemüse wie Möhren oder Porree ist der Wettbewerbsunterschied vermutlich nicht so drastisch. Das spart Arbeitskraft und Geld. Bei der Spargelernte kommen wir auf 1100 bis 1800 Arbeitsstunden pro Hektar, da kommen durch den Mindestlohn hohe Summen für Löhne zusammen. Wenn Sie das mit anderen Ländern in Europa vergleichen, stellen die Produktionskosten und die gesunkene Nachfrage eigentlich die Wirtschaftlichkeit des Spargelanbaus hier in Frage. Zumal durch die Agrarwende zusätzliche Kosten auf die Landwirte zukommen, weil sie ihre Betriebe gemäß den Klimaschutzstandards umrüsten müssen. Dagegen spricht, dass der heimische Spargelanbau im Vergleich zu Importen eine bis zu elffach bessere CO2-Bilanz aufweist.

Dennoch kostet das Kilo deutschen Spargels 2022 nicht ein Vielfaches des Vorjahrespreises. Es ist kaum vorstellbar, dass hohe Produktionskosten ohne weiteres durch die guten klimatischen Bedingungen kompensiert werden. Auch sind die Landwirte ja ebenfalls von der steigenden Inflation betroffen. Müssten Sie den Spargel dieses Jahr nicht noch viel teurer verkaufen?

Wir müssten eigentlich teurer verkaufen. Die Kosten für Anbau und Ernte sind um etwa 30% gestiegen. Aber tatsächlich ist der Preis dieses Jahr niedriger, als er zwischen 2016 und 2019 durchschnittlich war. Das waren zwar auch keine guten Jahre für uns. Inflation, steigende Rohstoffpreise und politische Vorgaben machen allerdings nicht nur die Landwirtschaft teurer. Der Einzelhandel ist infolge der eigenen Mehrkosten in diesem Jahr nicht bereit, solche Preissteigerungen auch mitzutragen, und kauft stattdessen die billigeren Importprodukte ein. Also mussten wir auch entsprechend mit den Preisen auf niedrigem Niveau bleiben, um überhaupt noch Ware absetzen zu können. In der Direktvermarktung und über die Gastronomie war der Absatz noch vergleichbar mit einem Normaljahr.  

Inwiefern waren 2016 und 2019 schlechte Jahre für den deutschen Spargel?

Simon Schumacher
/ VSSE

Wenn es in der Arbeitsphase sehr warm wird, kommt viel Ertrag auf einmal zusammen. Normalerweise wird über die Saison verteilt geerntet, sodass sich nicht so viel Ware in den Lagern ansammelt. Wenn die Lagerkapazitäten ausgeschöpft sind und der Spargel an Qualität verliert, sind die Landwirte aber gezwungen, ihre Produkte zu Ramschpreisen zu verkaufen, weil sie selbst nicht diese Mengen absetzen können. Uns kommt es so vor, als würde der Handel auch in gewisser Weise darauf spekulieren und die Billigimporte so lange in den Regalen halten, bis die Bauern dem Preisdruck nachgeben, weil sonst die Ernte vernichtet werden müsste. Auf der anderen Seite werben die Supermärkte mit ihren Produkten von heimischen Bauernhöfen, tatsächlich wurden aber große Mengen Importe angeboten, während die regionalen Lebensmittel mit großen Handelsspannen versehen werden, weniger abfließen und daher unansehnlich werden und liegen bleiben.

Direktvermarktung, das bedeutet, dass die Produkte von den Erzeugern auf den Höfen oder an Ständen verkauft werden. Reicht das aus als Einnahmequelle?

Der Verkauf in Hofläden oder an Ständen macht nur etwa 20 bis 30% aus. Die Kunden in der Direktvermarktung sind glücklicherweise zwar eher bereit, auch mehr zu zahlen, da sie wissen, wo das Produkt zu welchen Bedingungen produziert wurde. Einen Großteil der Verbraucher erreichen wir aber so nicht, schlicht aufgrund der lokal begrenzten Reichweite. In Großstädten beispielsweise findet man nicht an jeder Ecke einen Spargel- oder Erdbeerstand, dafür aber einen Supermarkt, wo Sie wiederum Importware kaufen können. Das heißt: Wir brauchen den Handel. Ohne Einzelhandel können wir die regional erzeugte Ware nicht so schnell und so frisch an so viele Leute gleichzeitig bringen. Dann stellt sich eben wieder das Problem, das ich bereits angesprochen habe: Der Handel spekuliert darauf, dass die Landwirte gezwungen sind, den Spargel oder die Erdbeeren billig weiterzuverkaufen, weil sie diese nicht mehr lagern können und täglich eine frische Ernte verkauft werden will.

Ist der Anteil der Importprodukte in den Supermarktregalen dieses Jahr höher als in den Jahren zuvor?

Ja. Beim in Deutschland verkauften Spargel lag der Anteil regional produzierter Ware bisher bei etwa 80%, bei Erdbeeren waren es etwa 60%. Das ist im Vergleich zu vielen anderen Obst- und Gemüsesorten sehr viel. Wie es dieses Jahr letzlich aussehen wird, wissen wir noch nicht, aber es zeichnet sich ab, dass die Nachfrage nicht nur nach Spargel, sondern auch beispielsweise nach Bioerzeugnissen, also nach vergleichsweise hochpreisigen Produkten, insgesamt zurückgeht. Dementsprechend wird auch der Anteil der Importware weiter ansteigen und vermutlich auch noch mal im nächsten Jahr.

Ist es tatsächlich allein durch das Verbraucherverhalten zu erklären, dass immer mehr Lebensmittel importiert werden, oder gibt es da noch andere Faktoren?

Das hat natürlich verschiedene Gründe: Dieses Jahr kam es bei den Erdbeeren etwa zu Überschneidungen bei den Erntezeiten in den Niederlanden. Normalerweise werden dort die Gewächshäuser mit Gas beheizt. Dieses Jahr waren aber durch den Ukrainekonflikt die Gaspreise so hoch, dass weniger geheizt wurde, wodurch sich aber die Ernte etwas verzögerte. Wenn geheizt wird, sind die Erdbeeren aus den Niederlanden früher reif als die deutschen. Dieses Jahr war das nicht der Fall, und so kamen sie etwa zeitgleich auf den Markt. Umgekehrt, und das betrifft vor allem den Spargel, war es in Spanien oder Griechenland nicht so warm wie gewöhnlich um die Jahreszeit, sodass dort erst später mit der Ernte begonnen werden konnte, wodurch es ebenfalls zu Überschneidungen mit der hiesigen Saison kam. Und wenn das Angebot an Lebensmitteln dementsprechend groß ist, sind die Preise sowieso schon nicht sonderlich hoch, und der Einzelhandel kauft, weil er selbst Gewinne machen muss, natürlich die noch billigere ausländische Ware beziehungsweise zwingt die deutschen Landwirte, sich preislich anzupassen. Sie profitieren dann von der Situation, weil sie große Mengen zu geringen Preisen einkaufen können. Die Verbraucher können oder wollen sich vieles auch nicht mehr leisten, und entsprechend verläuft die Nachfrage. Die Supermärkte werben dann mit ihren regionalen Produkten aus heimischer Landwirtschaft, aber gleichzeitig tragen sie auch dazu bei, dass die heimische Landwirtschaft immer unrentabler wird, weil sie mit den Produktionsstandards in anderen Ländern einfach nicht konkurrieren kann und will.

Sie meinen die Lohnkosten durch den vergleichsweise hohen Mindestlohn?

Ja, vor allem. In Spanien liegt der Mindestlohn bei circa sechs Euro. In Griechenland oder Polen sind es nur knapp vier Euro und in Peru rund ein Euro. Hinzu kommen noch die in Deutschland vergleichsweise hohen Rohstoffkosten, etwa durch die hohe Besteuerung von Kraftstoff und kürzlich verschärfte Regelungen, was die Besteuerung angeht sowie unzählige bürokratische Anforderungen, die Zeit und Geld kosten. Das macht die heimische Produktion ohnehin schon teurer.

Das heißt aber auch: In der Hauptsaison ist deutscher Spargel billig zu haben?

Das ist so, ja. Unter anderem, weil die Verbraucher sich vieles nicht mehr leisten können und wollen. Entsprechend verläuft die Nachfrage.  

Lassen Sie uns noch einmal über die Politik sprechen: Sie machen sich Sorgen um die Rentabilität lokaler Landwirtschaft. Bereits zu Beginn des Gesprächs haben Sie die Agrarwende angesprochen. Was genau befürchten Sie in Zukunft für Ihre Branche?

Es zeigt sich ja nicht nur beim Einkaufen von Lebensmitteln, dass alles teurer wird. Für die Verbraucher, aber wie gesagt auch für die Erzeuger. Durch immer neue Regulierungen wird sich das natürlich nicht verbessern. Und die Investitionen, die wir im Sinne des Klimaschutzes tätigen müssen, schlagen jetzt unmittelbar zu Buche, haben aber erst auf lange Sicht den gewünschten Effekt. Und natürlich sind die Folgen des Klimawandels auch für die Produktion in Deutschland ein Problem, wenn etwa wegen des Wetters die Ernte nicht wie geplant erfolgen kann. Es wird etwa gefordert, dass wir Flächen stillegen; insgesamt geht die Anzahl der Ackerflächen zurück, viele Betriebe schließen wegen immer höherer Auflagen, und so wird die regionale Produktion immer weiter an die Wand gefahren, während die Politik diese eigentlich forcieren und fördern will. Mittelfristig kann das jetzt beschlossene Vorhaben nach hinten losgehen. Das ist nicht wirklich nachhaltig. Zumal sich ja auch zeigt, dass die Verbraucher diese Art der Landwirtschaft zwar gutheißen, aber das heißt noch lange nicht, dass sie diese auch konsequent mit ihren Kaufentscheidungen unterstützen. Und das ist auch eine Frage des Angebots seitens des Einzelhandels. Dort stoßen die Landwirte auch auf taube Ohren, denn es heißt, die Supermärkte hätten auch keine andere Wahl, wenn die Verbraucher nun mal sparen wollen.  

Werden wir also abhängig werden von Importprodukten?

Ja. Es wird nicht ohne Konsequenzen bleiben, wenn die Verantwortung hauptsächlich den Landwirten angelastet wird. Bei uns stagniert langsam die Produktion, und die Interessen der Landwirte werden von der Politik nicht mehr genügend wahrgenommen, weil die Prioritäten sich verschoben haben. Im Hinblick auf die Ernährungssicherung ist es auch nicht gut, wenn wir uns zu sehr vom Lebensmittelimport abhängig machen. Und in anderen Ländern sind im Hinblick auf die politischen Vorgaben die Konditionen schlichtweg vorteilhafter für die Landwirte. Für Spargel und Erdbeeren gilt das zwar weniger, denn wir haben immer noch in höherem Maße die Möglichkeit der Direktvermarktung und auch Kunden, die verstehen, warum wir die Preise erhöhen müssen, aber das sind, wie gesagt, halbwegs gute 20 Prozent.

Inwieweit hat sich beim Verhältnis zwischen Politik und heimischer Landwirtschaft unter der neuen Bundesregierung mit grüner Beteiligung etwas geändert? 

Vor allem was den Umgang mit unseren Stellungnahmen und der Berücksichtigung unserer Forderungen und Schwierigkeiten betrifft: Es ist den Landwirten kaum noch möglich, sich für ihre Sorgen entsprechend Gehör zu verschaffen. Wie soll die Branche die ganzen Mehrkosten stemmen, wie soll ein Wandel hin zu mehr ökologischer Landwirtschaft vonstatten gehen, wenn dafür nicht ausreichend Investitionen kommen? Das sind klare Interessenkonflikte, die nicht ausgetragen werden können. Das war unter der alten Regierung leichter. Im Moment kommt nur der Verweis auf die Bereitschaft der Verbraucher, auch mehr für ihr Essen zu bezahlen. Nur, von dieser Bereitschaft spüren wir wenig bis nichts. Es scheint da eine Art Wunschdenken in Teilen der Regierung zu geben, wie Landwirtschaft zu sein und zu funktionieren hat, aber das hat wenig mit der Realität der Landwirte zu tun. Der Unmut in unserer Branche, aber auch generell in der Landwirtschaft, nimmt zu. Es wird zunehmend schwieriger, landwirtschaftliches Personal zu finden und die Betriebsnachfolge zu regeln.

Was wäre denn beispielsweise ein solcher Interessenkonflikt?

Das prägnanteste Beispiel sind die schon genannten Arbeitsbedingungen: Der Wunsch der Politik ist es, die kurzfristige Beschäftigung zu reduzieren und Erntehelfer nach höherem Mindestlohn zu bezahlen. Dabei wird aber außer Acht gelassen, dass sich die Produktion eben mittel- und langfristig immer mehr ins Ausland verschiebt, weil sich ein Betrieb in Deutschland nicht mehr halten kann und die Produktion einstellt.

Das Gespräch führte Sophia Martus.

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