Sanktionen gegen Russland - Im Wirtschaftskrieg

Wegen seines Angriffs auf die Ukraine wird Russland mit Sanktionen belegt werden. Die Weltwirtschaft wird darunter leiden, und die Inflation kommt dadurch erst so richtig in Gang. Wenig beachtet ist die Rolle der Ukraine als Produzent des für die Halbleiterindustrie wichtigen Neongases. Und dann ist auch noch mit russischen Cyberangriffen zu rechnen. Das alles ist eine gefährliche Mischung.

Die Hafenanlage von Mariupol am Asowschen Meer / picture alliance
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Autoreninfo

Antonia Colibasanu ist Analystin bei Geopolitical Futures und Dozentin an der rumänischen National Defence University mit Sitz in Bukarest.

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Auch wenn die Ukraine an sich keine ökonomische Macht ist, so hat der Einmarsch Russlands doch das Potenzial, die Wirtschaft extrem zu beeinträchtigen. Die offensichtlichste und folgenreichste Auswirkung betrifft die Energie. Die ohnehin schon hohen Ölpreise sind über Nacht in die Höhe geschnellt. Hohe Energiepreise wiederum könnten sich auf die Nahrungsmittelproduktion und die Versorgungskette auswirken. Und mit Sicherheit wird es durch den Krieg schwieriger werden, die weltweite Inflation in den Griff zu bekommen, die wie die Ölpreise schon vorher hoch war.

Eher übersehen und zugegebenermaßen eher kontraintuitiv ist die Störung, die in der Halbleiterindustrie verursacht werden wird. Letztes Jahr konnte die Halbleiterproduktion nicht mit der Nachfrage Schritt halten, was zum Teil auf die Folgen der Corona-Pandemie zurückzuführen war. Diesmal werden die Produktionspreise steigen, weil der Preis für Neon, ein wichtiges Material für die Herstellung von Chips und damit für Telefone, Computer, Industriemaschinen, Autos und Küchengeräte, wahrscheinlich steigen wird.

Engpässe bei Neongas

Die Ukraine liefert bis zu 90 Prozent des weltweiten Neongases, und die wichtigsten Anlagen zur Verarbeitung dieses Gases befinden sich in Mariupol am Asowschen Meer. Russlands Vorstöße drohen in Form eines direkten Angriffs auf den südlichen Korridor, wodurch Russland die Kontrolle über die nördlichen Schwarzmeerküsten und damit über die Neonproduktionsstätten erlangen könnte. Selbst wenn Russland sie nicht vollständig kontrolliert, wird ein längerer Krieg das Produktionsvolumen zweifelsfrei verringern.
 
In der Zwischenzeit haben die Vereinigten Staaten neue Sanktionen gegen Energieerzeuger, wichtige Bergbau- und Stahlunternehmen sowie Finanzinstitute angekündigt. Russland verfügt über etwa 10 Prozent der weltweiten Kupferreserven und ist ein wichtiger Produzent von Aluminium, Nickel, Platin und anderen Edelmetallen, einschließlich Palladium, das auch in der Chipherstellung verwendet wird. (Im Rahmen der Sanktionen wären auch amerikanische und europäische Unternehmen, insbesondere Industrie- und Technologieunternehmen, betroffen.)

Es wurde gemunkelt, dass der Westen Russlands Mitgliedschaft im Swift-System (Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunications) einschränken würde, was es russischen Banken nahezu unmöglich machen würde, Kredite im Ausland aufzunehmen oder Geld zwischen Ländern zu transferieren. (Zum Zeitpunkt des Schreibens dieses Beitrags ist Europa uneins darüber, ob es Russland aus Swift ausschließen wird. Ein umfassenderer Artikel über Sanktionen und europäische Spaltungen folgt in Kürze.)

Noch besorgniserregender wird jedoch die Reaktion Russlands sein. Moskau wird mit ziemlicher Sicherheit Gegensanktionen verhängen, die die Einfuhr von Lebensmitteln und anderen Gütern aus dem Westen verbieten und damit die Weltmarktpreise beeinflussen, doch die eigentliche Gefahr sind asymmetrische Cyberangriffe. Russland verfügt in dieser Hinsicht über sehr fortschrittliche Fähigkeiten, so dass wahllose Angriffe auf westliche Wirtschaftssysteme privaten Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen gleichermaßen schaden könnten.

Die Invasion hat gerade erst begonnen. Es ist unklar, wie lange der Krieg dauern wird – aber wenn er sich in die Länge zieht, werden die wirtschaftlichen Folgen nur noch gravierender sein.

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