Wirtschaftswissenschaftlerin Mariana Mazzucato - Die Lieblingsökonomin linker Gesellschaftsfantasten

Die italoamerikanische Ökonomin Mariana Mazzucato bestimmt mit pseudowissenschaftlichen Thesen zur innovationsfördernden Rolle des Staates politische Agenden. Kein Wunder, dass auch Ursula von der Leyen und Robert Habeck zu ihren Fans zählen.

Gern gesehener Gast auf dem World Economic Forum: Mariana Mazzucato / dpa
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Autoreninfo

Thomas Mayer ist Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Research Institute mit Sitz in Köln. Zuvor war er Chefvolkswirt der Deutsche Bank Gruppe und Leiter von Deutsche Bank Research. Davor bekleidete er verschiedene Funktionen bei Goldman Sachs, Salomon Brothers und – bevor er in die Privatwirtschaft wechselte – beim Internationalen Währungsfonds in Washington und Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Thomas Mayer promovierte an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und hält (seit 2003) die CFA Charter des CFA Institute. Seit 2015 ist er Honorarprofessor an der Universität Witten-Herdecke. Seine jüngsten Buchveröffentlichungen sind „Die Vermessung des Unbekannten“ (2021) und „Das Inflationsgespenst“ (2022).

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Wenn ein alter, weißer Ökonom über die Arbeit einer jüngeren, weiblichen Starökonomin schreibt, mutet er dem Leser einiges zu, nämlich ein eigenes Urteilsvermögen unabhängig vom Zeitgeist. Gegenwärtig weht der Zeitgeist in Richtung Anbetung des Staates als Heilsbringer – und bläht die Segel der Starökonomin.

Mariana Mazzucato wurde 1968 in Italien geboren, wuchs in den USA auf, studierte dort Wirtschaftswissenschaften und begann ihre Karriere im Jahr 2000 als Dozentin an der Open University in Großbritannien. Seither widmet sich Frau Mazzucato der politökonomischen Erforschung technischer Innovationen. Bekannt wurde sie mit der Veröffentlichung ihres Buches „The Entrepreneurial State: Debunking public vs. private sector myths“, das im Jahr 2013 erschien. Darin schreibt sie dem Staat eine unternehmerische Rolle bei der Entstehung von technischen Innovationen zu. Staatliche Initiative habe die Entwicklung des Internets, des Global Positioning Systems (GPS) oder der Mikroprozessoren vorangetrieben. 

Mariana Mazzucato traf den Nerv der Zeit. Im Jahr 2018 wurde ihr der „Leon­tief-Preis“ ihrer Alma Mater, der amerikanischen Tufts-Universität, zugesprochen; 2021 bekam sie den großen Verdienstorden der Republik Italien, und im Jahr darauf ernannte Papst Franziskus sie zum ordentlichen Mitglied der Päpstlichen Akademie für das Leben. Mit ihrem neuen Buch, das 2021 unter dem Titel „Mission Economy – A moonshot guide to changing capitalism“ erschien und seither in 18 Sprachen übersetzt wurde, knüpfte sie an den Erfolg ihres ersten Bestsellers an.

Mazzucatos anekdotische Evidenz

In der „Mission Economy“ sollen Politik, Gesellschaft und Unternehmen gemeinsame Ziele verfolgen, die der Staat vorgibt. Durch die Einbindung aller Beteiligten in die Zielverfolgung soll ein breiter gesellschaftlicher Konsens entstehen. Statt Wettbewerb soll Kooperation die Beziehungen bestimmen, und die Eigentumsrechte sollen so gestaltet werden, dass aus ihnen Verteilungsgerechtigkeit entsteht. „Wir haben es so gemacht, um zum Mond zu fliegen. Wir können es wieder tun, um unsere Probleme zu lösen und das Leben eines jeden von uns zu verbessern. Wir können es uns einfach nicht mehr leisten, es nicht zu tun“, heißt es in ihrer Werbung für das Buch. 

Der Aufruf passt zur vorherrschenden Stoßrichtung der Politik. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen rief (nicht ganz gendergerecht) „Europas Moment des Mannes auf dem Mond“ aus, als sie im Dezember 2019 im Europäischen Parlament ihren „Green Deal“ zur Schaffung eines „klimaneutralen Kontinents“ verkündete. Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ist Feuer und Flamme und erklärte der Frauenzeitschrift Myself, dass Mariana Mazzucato eine der sieben Frauen sei, die sein Leben verändert hätten. Was kann an einer These falsch sein, die von so vielen und so Mächtigen so bewundert wird? 

 

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Ihre fadenscheinige Konstruktion. Frau Mazzucato leitet die These von der unternehmerischen Rolle des Staates aus ihrer subjektiven Interpretation der Genese einiger spektakulärer technischer Neuerungen ab, von der Mondlandung bis zum Internet. Auf Englisch nennt man diese Art der Beweisführung „anecdotal evidence“. Dagegen wertet der Innovationsforscher Mark Taylor, den Mazzucato völlig ignoriert, die Daten von 166 Ländern und mehrere detaillierte Fallstudien aus.

Die perfekte Verkörkerung des Zeitgeists

Auf der Basis von „scientific evidence“ findet er, dass der Staat zwar eine Rolle bei der Bereitstellung von Infrastruktur für Bildung und Grundlagenforschung hat, seine wichtigsten Aufgaben jedoch darin bestehen, für Eigentumsrechte und Wettbewerb zu sorgen. Trägt er darüber hinaus zur Bildung von sozialen Netzwerken zwischen Wissenschaft und Unternehmen auf nationaler und internationaler Ebene bei, sind die Voraussetzungen für eine hohe Innovationskraft vorhanden.

Doch der eigentliche Anstoß zur Innovation kommt von einer Kraft, die Taylor „kreative Unsicherheit“ nennt. Fühlt sich eine Gesellschaft sicher, formieren sich Interessengruppen zur Erlangung und Bewahrung von Privilegien. Der Staat wird fett, die Wirtschaft verkrustet – und der Wohlstand sinkt. Taylor entwickelt die Theorie, dass eine Bedrohung von außen die von Interessengruppen entfalteten Beharrungskräfte brechen kann. Dabei kann die Bedrohung militärischer Natur sein, wie es das Beispiel Israels zeigt, aber auch aus dem wirtschaftlichen Umfeld heraus entstehen, wie es am Beispiel Japans in der Nachkriegszeit zu sehen war.

Oft sind es fadenscheinige, den Zeitgeist bedienende pseudowissenschaftliche Thesen, vorgetragen von diesen Geist verkörpernden Personen, die politische Agenden bestimmen. Mariana Mazzucato hat diese Rolle perfekt besetzt. 

 

Dieser Text stammt aus der Oktober-Ausgabe von Cicero, die Sie jetzt am Kiosk oder direkt bei uns kaufen können.

 

 

 

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