Mythos Mittelstand - Spurwechsel

Aus dem Biathlon-Spitzensport in die Wirtschaft: Bernd Eisenbichler übernimmt die Geschäftsführung des bayerischen Outdoor-Ausstatters Maloja.

Bernd Eisenbichler ist kein Freund von Managersprech / Verena Kathrein
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Johannes Schweikle ist Buchautor und Journalist. Er lebt auf Schloss Bühl in Tübingen.

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Das Wort „Workshop“ gebraucht Bernd Eisenbichler ungern. Es klingt ihm zu sehr nach aufgeblasenem Managersprech. Er sagt stattdessen: „Wir gehen hüttenwerkeln.“ Das sieht so aus: Gemeinsam mit seinen Abteilungsleitern schnallt er die Tourenski an. In den Bayerischen Alpen steigen sie zu einer Hütte auf. Dort überlegen sie, wie sie in einer wachsenden Firma, in der das Prinzip Zuruf nicht mehr funktioniert, die Kommunikation verbessern können. Am nächsten Morgen gibt’s die Belohnung: eine lange Abfahrt. Mit etwas Glück führt sie im Tiefschnee über unverspurte Hänge.

Bernd Eisenbichler ist 47 Jahre alt und stammt aus Oberbayern. Sein offenes Gesicht passt mit dem Fünftagebart gut zu einem Menschen, der sich gerne im Schnee bewegt. Gerade ist er zu einem unbekannten Gipfel unterwegs: Als Geschäftsführer übernimmt er die Firma Maloja. Dieser Hersteller von exklusiver Outdoor-Bekleidung beschäftigt in Rimsting am Chiemsee 45 Mitarbeiter, dazu kommen 200 Angestellte in einem Produktionswerk in Bulgarien. Vergangenes Jahr machte das Unternehmen 30 Millionen Euro Umsatz.

Vom Leiter zum Lernenden

Gegründet wurde es 2004 von dem Designer Peter Räuber und dem Betriebswirt Klaus Haas. In einem originell umgebauten Bauernhof scharten sie ein stetig wachsendes Team um sich. Ihr Anspruch: Kleidung für Ski- und Radfahrer, für Läufer und Kletterer soll nicht nur funktional sein, sondern auch ein modisches und naturverbundenes Lebensgefühl ausdrücken.

Eisenbichler ist Quereinsteiger. Er sammelte Erfahrung im Spitzensport, war Manager des Biathlonteams der USA. 2019 übernahm er diese Aufgabe bei den deutschen Biathleten. Er sagt, die Arbeit im Management eines Unternehmens sei in verschiedener Hinsicht befriedigender: „Die Entscheidungsgeschwindigkeit ist höher als bei einem Verband. Und alle sind da – ich muss nicht ständig Menschen an weit entfernten Stützpunkten koordinieren.“

 

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Andererseits musste er sich für die neue Aufgabe umstellen: „Als Sportdirektor habe ich Meetings geführt – hier war ich am Anfang der Zuhörer. Weil ich nicht gern mit Halbwissen rumlaufe, habe ich den Ehrgeiz entwickelt, mich einzuarbeiten.“ Andy Mittag, der Abteilungsleiter Marketing, schätzt seinen neuen Chef: „Der Bernd ist ein Lernender. Er beobachtet, bindet andere ein und drängt sich nicht in den Vordergrund.“

Führung zu dritt

Die Outdoor-Branche befindet sich in einem permanenten Wettkampf: Wer verspricht am meisten Nachhaltigkeit? Maloja bietet einen Reparaturservice an: Wenn die Daunenjacke für 295 Euro einen Riss hat, wird sie geflickt. Im Flag­shipstore in München kann man Hosen und Trikots secondhand kaufen. Und die neue Kollektion „Glide & Ride“ bietet ein Outfit für zwei Sportarten: Wenn im Frühjahr der Schnee auf den Loipen geschmolzen ist, kann man mit der Langlaufhose auch aufs Mountainbike.

„Mit dieser Kollektion haben wir im Klimawandel den Nerv der Zeit getroffen“, schwärmt Eisenbichler. Am Ende eines schwierigen Winters kann er diese Multifunktionstextilien gut gebrauchen: Die Branche reagierte nervös, weil die Weihnachtsferien Wärme statt Schnee brachten, der Handel orderte zurückhaltend für den nächsten Winter.

Die beiden Firmengründer Haas und Räuber wollen sich nach 19 Jahren aus dem operativen Geschäft zurückziehen. Im Juni vergangenen Jahres stellten sie Eisenbichler deshalb als Nachfolger ein. Ein Jahr lang wollen sie zu dritt als Geschäftsführer den Übergang gestalten. Ob das gut geht?

„Peter und ich müssen zeigen, dass wir loslassen können“, sagt Klaus Haas, „das konnten wir ja noch nicht üben.“ Im Sommer wollen sich die beiden Gründer aus dem Tagesgeschäft zurückziehen. Sie bleiben Gesellschafter und möchten weiterhin die strategische Ausrichtung ihres Unternehmens bestimmen. Eisenbichler soll als alleiniger Geschäftsführer übernehmen. Er sagt: „Es braucht einen sauberen Schnitt, und wir müssen klar kommunizieren.“
Das klingt jetzt doch nach Managementlehrbuch. „Na ja“, sagt Bernd Eisenbichler, „für die Übergabe hätt ich schon was im Hinterkopf.“ Er denkt an ein Grillfest für die Mitarbeiter.

 

Dieser Text stammt aus der März-Ausgabe des Cicero, die Sie demnächst am Kiosk oder direkt bei uns kaufen können.

 

 

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