Mythos Mittelstand - Das Unerreichbare ist das Ziel

Die Berliner Audiomanufaktur Burmester strebt nach dem perfekten Klang. Ihr neuer Chef Frank Weise will das Erbe des Firmengründers in die Zukunft führen.

Frank Weise hat in Japan das Streben nach Perfektion verinnerlicht. / Julia Steinigeweg
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Die Welt der Audiophilen, die sich sündhaft teure Edelverstärker und mannshohe Luxuslautsprecher ins Wohnzimmer stellen, war Frank Weise fremd. „Ich höre klassische Musik, gehe auch gerne ins Konzert, aber ich habe mich immer gefragt: Warum geben Leute eine halbe Million Euro für eine Stereoanlage aus?“, sagt er. Als Verfahrenstechnik-Ingenieur und Manager war Weise zunächst in der Mikrochip-Industrie, dann in der Medizintechnik und schließlich lange Jahre im Windkraftanlagenbau tätig.

Jetzt, im Alter von 61 Jahren, hat er sich einer ganz neuen Branche zugewandt. Seit diesem Frühjahr lenkt er die Geschicke der Audiomanufaktur Burmester. Das Berliner Unternehmen zählt in dem Nischenmarkt der High-End-Klangwiedergabe zur Weltspitze. Sein Gründer, Dieter Burmester, war ein detailversessener Elektrotechniktüftler, der sich Ende der siebziger Jahre der Suche nach dem perfekten Klang verschrieben hatte. 2015 starb er nach kurzer, schwerer Krankheit und hinterließ ein Unternehmen, das zwar wirtschaftlich gut dastand, aber stark auf ihn ausgerichtet gewesen war.

Seine Witwe, Marianne Burmester, sprang ins kalte Wasser und übernahm die Geschäftsführung übergangsweise. Nach anderthalb Jahren setzte sie einen Manager ein, der vom Autohersteller Porsche kam. Dort war er Marketing-Chef. Im vergangenen Jahr verließ er das Unternehmen wieder. Sein Nachfolger wurde schließlich Frank Weise. „Es hat sich gezeigt, dass es wichtig ist, jemanden an der Spitze zu haben, der etwas von Produktionsabläufen versteht“, erklärt die Unternehmenseigentümerin, warum sie sich für den Verfahrenstechniker aus Dresden entschieden hat. An Weise gefalle ihr, dass er sich tief in Themen hineingrabe, Probleme durchdringe und gründlich analysiere. Dass er branchenfremd ist, sei dabei kein Nachteil, sondern eher von Vorteil. „Er hat von Anfang an Fragen gestellt, ganz unbedarft. Dieser Blick von außen ist hilfreich“, sagt Marianne Burmester.

Die Suche nach Perfektion

Die Unternehemenszentrale in BerlinSchöneberg hat Burmester gerade komplett umgebaut. In der unteren Etage werden Lautsprecher in Handarbeit gefertigt, darüber sind die Entwicklungswerkstätten und Büros. Die Farbe an den Wänden ist frisch, die Beleuchtung noch provisorisch. In einem Eckzimmer steht Frank Weises Schreibtisch. Doch in seinem Büro sitzt er selten. Meistens ist er im Haus unterwegs. „In Japan habe ich meine Prägung erhalten“, sagt Weise über seine ersten beiden Berufsjahre in der Halbleiterproduktion. „Dort habe ich das Kaizen-Prinzip verinnerlicht: das Streben nach Perfektion.

Man nähert sich diesem Ziel an, durch kontinuierliche Verbesserung, aber man weiß von vornherein, dass es unerreichbar bleibt.“ Diese Herangehensweise passt zu Burmester. Das Streben nach Perfektion, der möglichst originalgetreuen und detailgenauen Wiedergabe von aufgezeichneter Musik, ist der Grund, warum es dieses Unternehmen überhaupt gibt. Und Burmester-Kunden zahlen dafür eine Menge Geld. Etwa 30 000 Euro kostet eine Einstiegsanlage, die Summen auf der Preisliste klettern schnell in schwindelerregende Höhen.

Geschäftsfelder verzahnen

Naturgemäß ist der Markt für so edle Heimaudio-Produkte eng begrenzt. Noch unter der Führung des Firmengründers ist Burmester in einen neuen Markt vorgedrungen, inzwischen ist daraus ein zweites Standbein geworden: Soundsysteme für Luxusautos. Los ging es mit Bugatti, dann kamen Porsche und Mercedes-Benz hinzu. Jüngster Kooperationspartner ist der Reisemobil-Hersteller Volkner. Beide Geschäftsfelder, Home Audio und Automotive Audio, sind in getrennten Tochtergesellschaften der Burmester Audiosysteme GmbH organisiert.

Beide tragen etwa gleich viel zum Jahresumsatz von rund 20 Millionen Euro bei, sagt Geschäftsführer Weise. „Aber es sind sehr unterschiedliche Felder. Im Homebereich fertigen wir alle Komponenten selbst. Bei den Autosystemen kümmern wir uns um die Klangentwicklung, hergestellt werden sie nach unseren Vorgaben von Zulieferern. Entwicklungstempo und Wettbewerbsdruck sind viel höher.“ Beide Geschäftsfelder sinnvoll miteinander zu verzahnen und neue für die Zukunft zu finden, darin sieht Frank Weise seine Aufgabe, eine neue Herausforderung als Höhepunkt eines abwechslungsreichen Berufslebens.

 

Dieser Text stammt aus der Dezember-Ausgabe des Cicero, die Sie jetzt am Kiosk oder direkt bei uns kaufen können.

 

 

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