Mythos Mittelstand - Auf beiden Beinen

Mit frischen Ideen führt Marco Lanowy den Hosenspezialisten Alberto in Mönchengladbach. Das Unternehmen feiert dieses Jahr sein 100. Jubiläum.

Marco Lanowy ist Co-Geschäftsführer des Hosenspezialisten Alberto / Henning Ross
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Autoreninfo

Oliver Uschmann kam 1977 in Wesel zur Welt und hat als Schriftsteller und Leiter für literarische Workshops bereits Hunderte von Schulen aller Formen besucht. Einige seiner Jugendromane werden bereits von Schülern in Serbien und Polen gelesen. Derzeit arbeitet er gemeinsam mit seiner Frau und Ko-Autorin Sylvia Witt an neuen Stoffen

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Das Ladenlokal wirkt wie eine moderne Galerie. Klare, symmetrische Präsentationsmöbel treffen auf Naturelemente. Jedes Produkt bekommt seinen Raum. Es gibt nur drei Kabinen, die dafür besonders großzügig sind. Dennoch gehen an guten Tagen bis zu 200 Stücke über die Theke. Der Concept Store des Hosenherstellers Alberto würde sich auch am Berliner Ku’damm gut machen, in der Münchner Maximilianstraße oder auf der Düsseldorfer Kö, ist aber bewusst in der optimierungsbedürftigen Fußgängerzone von Mönchengladbach platziert, „als Standortsignal“.

Seit 100 Jahren ist das Unternehmen Alberto am Niederrhein angesiedelt, gegründet 1922 von Dr. Albert Dormanns, und von 1950 an spezialisiert auf die Hose. Heute führt Dormanns Enkel Georg Walendy die Firma gemeinsam mit Marco Lanowy, Jahrgang 1968, in eigenen Worten ein „Geschäftsführer aus Leidenschaft“ und der erste Mensch außerhalb der Inhaberfamilie, der auch als Teilhaber fungiert. Das Vertrauen in ihn ist riesig – und begründet, denn ihm beim Sprechen über Materialien, Formen, Funktionen und Visionen zuzuhören, wirkt, als lausche man den Ausführungen eines Sommeliers.

Design in Deutschland, Produktion im Ausland

Mit dem Unterschied, dass Alberto keine unbezahlbare Luxusware produziert, sondern entlang realer Bedürfnisse des Alltags arbeitet. Zu den Topsellern im Portfolio gehört eine Fahrradhose, die alle praktischen Probleme des emissionsfreien Pendelns löst und zugleich elegant genug ist, um mit ihr ohne Umziehen in geschäftliche Termine zu schreiten. Die Modelle für Golfer wiederum ergaben sich einst aus einer Anfrage, die der Profi Alex Cejka als Fan der Firma von sich aus stellte. Der Blick auf das alltägliche Beinkleid der Leute auf der Straße regt den Fachmann Lanowy nicht auf, sondern „spornt dazu an“, immer neue Bedürfnisse zu erkennen und zu bedienen.

Seit Lanowy die Geschäfte vor 21 Jahren übernommen hat, ist die Mitarbeiterzahl von 28 auf 105 gestiegen. 1,7 Millionen Produkte verkauft das Unternehmen pro Jahr in 50 Länder und macht damit einen Umsatz von rund 50 Millionen Euro. Die Modelle entstehen vor Ort in der „Wolke 7“, einer Abteilung, die Design, Produktmanagement, Marketing und Verkauf miteinander vereint. Alle Produkte sind „eine Teamleistung“, daher tragen Hosen von Alberto statt eines Designernamens das Signum „created in Mönchengladbach seit 1922“.

In der Näherei im Untergeschoss werden die Prototypen hergestellt, bis jede Naht sitzt. Die eigentliche Produktion findet in Polen, Rumänien und Tunesien statt – und das in höchster Qualität. In Deutschland zu produzieren, würde weniger an den höheren Kosten scheitern als vielmehr daran, „dass Sie hierzulande gar nicht mehr in ausreichender Menge kompetente Fachkräfte finden“, sagt Marco Lanowy. Genau diese aber legen in den genannten Ländern im wahrsten Sinne des Wortes kundige Hand an die Modelle, die aus „rund 40 Einzelteilen“ gefertigt werden und zwar „nicht durch die Maschine, sondern mit der Maschine“.

Liebe zum Detail

Nachhaltigkeit entsteht dabei nicht nur durch Materialien wie Bambus oder Tencel, sondern auch dadurch, gezielte Mengen für den seit 2003 betriebenen Onlineshop sowie die Auslagen in hochwertigen Kaufhäusern und bei 2300 Fach­einzelhändlern herzustellen, niemals aber etwa „eine Überproduktion für Outlets“ zu betreiben oder „mit den Zalandos dieser Welt“ zu kooperieren.

Den Concept Store in der Fußgängerzone hat Jochem Reichenberg aus dem ebenfalls niederrheinischen Neukirchen-Vluyn mitgestaltet, ein Gerhard Richter der Tischlerei, ebenso den geschäftlichen Showroom im Firmensitz an der Rheydter Straße. Anlässlich des 100-jährigen Firmenjubiläums ließ Lanowy Sonderprodukte abseits der Hose entwerfen: eine handgefertigte Hundeleine aus Tau in Kooperation mit der kleinen Firma Tau Stil aus dem niederrheinischen Meerbusch und ein sportliches Fahrrad mit „Rahmen und Sattel komplett aus dem 3-D-Drucker“ in Zusammenarbeit mit dem Magdeburger Start-up Urwahn Bikes.

Auf dem tiefschwarzen Rahmen zeichnet sich neongelb die Topografie von Mönchengladbach ab, in ihr die Position Albertos eingezeichnet. Nahe der Pedale sind Zahlen aufgeprägt: 51.19066. 6.4444. Die Koordinaten des Firmensitzes. Ein weiteres, leuchtendes Standortsignal.

 

Dieser Text stammt aus der Juli-Ausgabe des Cicero, die Sie jetzt am Kiosk oder direkt bei uns kaufen können.

 

 

 

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