Mobilitätswende - Endet der Hype ums Elektroauto?

Die EU rudert beim Verbrennerverbot zurück. Die Absatzzahlen von E-Autos sinken. Gehört dem Elektroantrieb wirklich die Zukunft? Oder gewinnt nun doch der Verbrennungsmotor? Ein Streitgespräch zwischen Kurt Sigl, Präsident des Bundesverbands E-Mobilität, und Thomas Koch, Leiter des Instituts für Kolbenmaschinen in Karlsruhe.

Thomas Koch und Kurt Sigl / Fotos: Chiara Bellamoli; Florian Generotzky
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Daniel Gräber leitet das Ressort Kapital bei Cicero.

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Kurt Sigl ist Präsident des Bundesverbands E-Mobilität. Mitglieder sind Unternehmen, Institutionen und Wissenschaftler, die sich dafür einsetzen, den motorisierten Verkehr in Deutschland auf Elektromobilität umzustellen. Der Verband wurde 2009 gegründet. 

Thomas Koch ist Leiter des Instituts für Kolbenmaschinen am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Zuvor war er zehn Jahre bei der Daimler AG in verschiedenen Positionen in der Nutzfahrzeugmotorenentwicklung tätig. Er setzt sich für klima­neutrale Kraftstoffe ein. 

Die Bundesregierung will mehr Elektroautos, doch die Deutschen spielen nicht mit. Woran liegt es, dass die Nachfrage nach E-Autos sinkt, Herr Sigl?

Kurt Sigl: Will die deutsche Bundesregierung das E-Auto? Ich kann das in der Breite der Maßnahmen nicht ernsthaft sehen. Hierfür fehlt es an glaubhaften Handlungen der Verantwortlichen. Klar ist: Wenn man sich die Technik ansieht, gibt es an der Effizienz des Elektroantriebs nichts zu rütteln. Aber es ist der falsche Weg, den Leuten etwas aufzuzwingen. Es muss sich von selbst durchsetzen. Dazu braucht es die richtigen Rahmenbedingungen, dazu braucht es eine ordentliche Ladeinfrastruktur und es muss Spaß machen. Wenn das alles zusammenkommt, wird sich die E-Mobilität durchsetzen. Die deutsche Autoindustrie hat sich lange gegen dieses Thema gewehrt und es einfach zur Seite geschoben. Ohne den Dieselskandal und ohne einen gewissen Elon Musk wäre das heute noch so. Zurzeit nutzt man aufseiten der Industrie die politische Stimmung und versucht, den berühmten deutschen Verbrennungsmotor wieder ins rechte Licht zu rücken.

Herr Professor Koch, der Verbrennungsmotor ist Ihr Lebenswerk. Hat Herr Sigl recht? Wird der Elektromotor den Verbrenner verdrängen, weil der E-Antrieb effizienter ist?

Thomas Koch: Jede Technologie hat ihre Schwächen und Stärken. Und es geht darum, für jeden Fall und jeden Kunden die beste Lösung anzubieten. Es gibt den Handwerker, der mit fünf Mitarbeitern montagmorgens von Erfurt nach Südbayern fährt und dann noch zweieinhalb Tonnen Anhänger mitzieht. Und es gibt die Person, die nur innerorts unterwegs ist und eine Jahresfahrleistung von 1800 Kilometern hat. Wir brauchen deshalb einen Mix, eine gute Balance – und nicht diese extrem einseitige politische Bevorzugung des Elektromotors. 

Aber die höhere Energieeffizienz des E-Autos stellen Sie nicht infrage, oder?

Koch: Das ist das verzweifelte Argument der Nichtregierungsorganisationen, die Stimmung gegen den Verbrenner machen. Aber ein Mobilitätssystem muss Dutzende Anforderungen erfüllen. Es geht auch um Verfügbarkeit und um Wirtschaftlichkeit, in Deutschland auch noch um industrielle Wertschöpfung. Zudem arbeiten diese Lobbygruppen mit falschen Randbedingungen. Natürlich ist der Wirkungsgrad beim Elektroantrieb sehr gut, wenn man nur das Auto betrachtet. Dann kommen sie von der Batterie bis zum Rad, je nach Anwendungsfall, auf 60 bis 80 Prozent. Vom Tank bis zum Rad sind es bei modernen Verbrennungsmotoren zwischen 40 und 50 Prozent. Was dabei aber vollkommen unterschlagen wird: Der Strom muss auch irgendwie zur Verfügung gestellt werden, und dafür werden wir in Deutschland noch lange Zeit fossile Kraftwerke brauchen. Deshalb ist es falsch, nur noch auf elektrisch zu setzen. Wir brauchen ein gutes Miteinander, kein Schwarz-Weiß-Denken. Das sieht man übrigens auch in China so.

Sigl: Die Welt ist sich doch längst einig. Auch wenn in China weiter Verbrenner gebaut werden, weil dort Milliarden Menschen unterwegs sind. Vor fünf Jahren sind wir noch ausgelacht worden, als wir gesagt haben, dass auch Lastwagen und Busse mit Strom wesentlich effizienter als mit Diesel fahren werden. Jetzt hat China allein in Shenzhen 16 000 Elektrobusse laufen, in einer einzigen Stadt. Bei uns heißt es immer sofort: „Das ist nicht möglich, das geht nicht.“ Man will das Haar in der Suppe finden, anstatt sich zu öffnen und zu sagen: „Lasst es uns doch einfach ausprobieren.“ Das tun wir viel zu wenig. Wir sind kein Land von Visionären mehr. Natürlich können wir jetzt noch Milliarden in die Verbesserung von Verbrennern stecken. Aber die großen Fortschritte wird es beim Elektromotor und der ganzen Regelungstechnik darum herum geben. Und nicht zu vergessen bei der Batterie und bei der Kühlung. Da sind wir noch längst nicht am Ende der Fahnenstange. Warum sollten wir uns gegen diese Entwicklung wehren? Das ist doch Unsinn.
 

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Es gibt zwei Denkrichtungen in Deutschland. Die einen sagen, unsere Autoindustrie habe zu lange am Verbrenner festgehalten und gerate deshalb jetzt in Schwierigkeiten. Die anderen sagen, es sei falsch, das aufzugeben, was man jahrzehntelang perfektioniert hat und worin man weltweit führend war. 

Sigl: Daran sehen Sie, dass sehr viele Kräfte an der Tischdecke ziehen. Wenn dann der deutsche Verkehrsminister auch noch eine dritte Technologie favorisiert, kommen wir einfach nicht vom Fleck, obwohl alle beschwören, dass wir in Sachen Umwelt handeln müssen. Wir treten auf der Stelle, und das ist einfach kein Konzept. Aber wie kommt man eigentlich auf die Idee zu sagen, der Verbrennungsmotor wird aufgegeben? Der Herr Professor und sein Institut arbeiten doch daran. Und glauben Sie mir, ich habe sehr viel Einblick in die Autoindustrie. Ich bin Ingolstädter. Sie werden doch nicht im Ernst glauben, dass man da irgendwo einen Gedanken daran gelegt hat zu sagen, wir hören damit auf. Vergessen Sie es. Die wissen doch ganz genau, was weltweit läuft. Die versuchen mit allen Mitteln, den Verbrenner zu halten, bis es nicht mehr möglich ist. 

Und das halten Sie für falsch oder richtig?

Sigl: Mittelfristig macht es wirtschaftlich vielleicht noch Sinn, aber langfristig wird man sich damit ins eigene Knie schießen. Wenn jetzt chinesische Elektroautos in Fahrzeugtests besser abschneiden als deutsche, und ein Tesla Model S plötzlich das meistverkaufte Auto der Welt ist, müssen sich die Blockierer ehrlich machen in der Frage, warum das so ist. Das ist doch alles nur dem geschuldet, dass man sich zehn Jahre mit Händen und Füßen dagegen gewehrt hat, da einzusteigen und es richtig zu machen. Und Elon Musk hat ja noch gar nicht damit angefangen, finanzierbare kleinere Autos zu bauen. Da brauchen wir keine staatliche Förderung mehr. Die hätte man sowieso nicht gebraucht. Dieser Amerikaner wirft die Kiste inzwischen aus der Montage raus, wo bei anderen Autos zig Arbeitsgänge notwendig sind. Da ist eine Fahrzeugpresse, die macht klack – und dann ist die Karosserie fertig. Wo sind diese Innovationen bei den deutschen Herstellern? Ich sehe sie nicht, und ich komme aus der Autoindustrie. Diese Firma hier in Ingolstadt hatte mal den Slogan „Vorsprung durch Technik“. Ja, wo ist der denn bitte? Der Vorsprung ist weg, den hat man verspielt. Wir sind auf dem besten Weg, Detroit zu werden.

Koch: Die Gesellschaft hat die Wichtigkeit elektrochemischer Energiespeicher, also Batterien, jahrzehntelang nicht hoch gewichtet. So haben wir in die Elektromobilität lange nicht den notwendigen Ehrgeiz gesteckt. Elektroautos haben ihren Charme und sind für manche Anwendungsfälle sinnvoll. Aber es ist mitnichten so, dass sie in Summe für eine Gesellschaft effizienter sind. Wenn man ehrlich rechnet und das deutsche Stromsystem berücksichtigt, kommt man in einem mittleren Fahrbetrieb von 200 000 Kilometern in 15 Jahren bei einem Elektrofahrzeug bei 40 Tonnen CO2 an. Bei einem vergleichbaren Diesel sind es 34 Tonnen CO2. Ich will nicht die eine Technologie gegen die andere ausspielen. Ich will nur betonen, dass wir einen Riesenfehler gemacht haben, indem wir eine weitere Alternative, nämlich CO2-neutrale Kraftstoffe im Tank, verbieten. 

Kurt Sigl / Foto: Florian Generotzky

Was viele Kunden noch abschreckt: Elektroautos sind deutlich teurer als Verbrenner. Wann wird sich das ändern?

Koch: Für europäische Hersteller ist das sehr schwierig. Auch Elon Musk lässt bislang die Finger vom Kompaktklasse-Segment. Denn er weiß, dass in einem solchen Fahrzeug 50 Prozent der Wertschöpfung in der Batterie liegen. Und die Batteriewertschöpfung wird zu etwa 80 Prozent von China dominiert, über Kontrolle der Rohstoffe, über Kontrolle der Basisprozesse, der Grafitherstellung und der Zellherstellung. Wir sind da nicht wettbewerbsfähig. Deshalb ist dieses untere Segment nicht attraktiv. Heute können Sie mit einem VW Polo die gesamte Gesellschaft bewegen, aber in diesem Bereich bekommen Sie bislang keine Fahrzeuge, die rein elektrisch funktionieren und die sich jeder leisten kann. Das kritisiere ich sehr. Die Chinesen tun sich da leichter. Vielleicht schaffen wir es durch cleveres Engineering, dass wir ihnen irgendwann wieder eine Nasenlänge voraus sind. Aber jetzt alles in eine Technologie zu stecken, bei der wir mit unseren Wettbewerbern im internationalen Markt überhaupt nicht mithalten können, halte ich für einen schweren Fehler. Wir müssen das, was wir können und womit wir Geld verdienen, weitertreiben.

Sigl: Dass wir nicht konkurrenzfähig sind, bekomme ich jeden Tag in Gesprächen mit. Die deutschen Hersteller können die Preise nicht halten. In China bekommen Sie ein vergleichbares Auto für den halben Preis. Deshalb werden wir diesen Markt mittel- und langfristig verlieren. Aber dass Tesla keine kleinen Autos bauen wird, stimmt nicht. Da muss ich Ihnen deutlich widersprechen, Herr Professor Koch. Elon Musk wird kleine Autos bringen – und zwar massiv. Dafür bereitet er gerade die komplette Welt vor. Egal ob in Asien, Afrika, Indien, Europa oder Südamerika: Überall werden Werke dafür gebaut. Und seine finanziellen Ressourcen sind so gigantisch, dass er die komplette Autoindustrie in Deutschland aufkaufen könnte. Wenn man diese Entwicklung sieht, verstehe ich nicht, wie man auf die Idee kommen kann, wir müssten am Alten festhalten. Andere Länder diskutieren nicht so lange, sondern machen einfach. In Asien oder den USA schmunzelt man nur noch über unsere Vorgehensweise. 

Wenn man sich die Entwicklung der Zulassungszahlen anschaut, erkennt man allerdings: Der deutsche Autofahrer will offenbar lieber den Zapfhahn statt den Ladestecker

Sigl: Das ist die fehlende Öffnung für Neues. Was in den skandinavischen Ländern und anderswo längst üblich ist, wird bei uns abgelehnt. Es gibt eine Gegenwehr, die unsäglich ist. Mir hat man in Ingolstadt mein Auto beschmiert und mit Lippenstift „E-Arschloch“ auf die Scheibe geschrieben.

Koch: Das ist wirklich nicht in Ordnung. Aber lassen Sie uns von der emotionalen Ebene zurück zu den Fakten kommen. Ein Faktum ist: Die Elektroautos fliegen gerade aus den meisten Fuhrparks heraus. Dazu muss man wissen, dass 80 Prozent aller Fahrzeuge in Deutschland gewerblich zugelassen sind. Und warum geschieht das? Weil die Betriebskosten inklusive Wertverlust und Superchargingkosten am Schnelllader bei denen, die viel fahren, zu hoch sind. 

Sigl: Was kann denn das Elektroauto dafür? Da muss ich mir doch Gedanken machen, warum der Strom so teuer ist.

Was halten Sie davon, Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035 zu verbieten, wie es die EU vorhat? 

Sigl: Nichts. Verbote sind das Schlimmste, was man machen kann. Denn wenn man Menschen etwas verbietet, wehren sie sich dagegen. Das ist ein uraltes Prinzip. Im Moment wird in der EU aber sowieso wieder zurückgerudert. Weil die Lobby in Brüssel einmarschiert und alles rückgängig machen will. Sie glauben doch nicht, dass nach der nächsten Europawahl der Kurs gehalten wird. Ganz im Gegenteil. Es wird eine Katastrophe werden, für die Wirtschaft und ihre Investitionsentscheidungen – und ganz besonders für die politische Glaubwürdigkeit.

Ich kann Ihnen nicht ganz folgen. Wenn Sie gegen das Verbrennerverbot sind, müssten Sie sich doch freuen, wenn es wieder gekippt wird. 

Sigl: Es fehlt ein Leitfaden, eine langfristige Strategie. Wir haben bei gar nichts eine Strategie, weder bei der Energiewende noch bei der Mobilitätswende. Es wurden in den letzten Jahren nur irgendwelche Verbote ausgesprochen. Das fängt bei der Heizung an und hört beim Auto auf. So geht das nicht weiter. Denn was passiert jetzt? Politik und Industrie legen den Rückwärtsgang ein. Und das wird uns ganz anders treffen, nämlich mit massiven Folgekosten. 

Koch: Dass Verbote falsch sind, in diesem Punkt sind wir uns einig. Ich würde mich übrigens auch gegen ein Verbot von Elektroautos wehren. Wir brauchen mehrere Lösungen. Für die fahrzeuggetriebene Mobilität haben wir im Wesentlichen zwei Möglichkeiten. Wir können die Energie in einer Batterie speichern und das Fahrzeug elektrisch antreiben. Die Alternative ist, dass wir Energie an günstigen Standorten der Erde ernten, sie dann speichern und transportieren. Dafür ist die Batterie keine Lösung, sondern das können wir mit CO2-neutralen Kraftstoffen machen. Beides hat seine Vor- und Nachteile. Jetzt meine Frage an Sie, Herr Sigl: Würden Sie, so wie ich, beides befürworten? 

Sigl: Synthetische Kraftstoffe machen höchstens für bestimmte Anwendungsfälle Sinn. Im Rennsport bei der Formel eins vielleicht. Aber Sie können doch damit nicht alle Fahrzeuge betreiben. Das ist unmöglich.

Koch: Wir haben in Deutschland einen Bedarf von 30 Millionen Tonnen Dieselkraftstoff und etwa 15 Millionen Tonnen Otto-Kraftstoff. Bis Ende der 2030er Jahre könnten wir den kompletten Kraftstoffbedarf CO2-neutral stellen. Das geht, das zeigen alle Analysen. Die Anlagen entstehen gerade überall auf der Welt. Aber dieser Weg wird momentan in Europa verhindert.

Sigl: Sie wollen, dass wir uns von einer Abhängigkeit in die nächste begeben? Woher haben wir denn das Öl bisher bekommen oder das Gas? Und welches Desaster haben wir jetzt? Da sollten wir im eigenen Interesse nicht weitermachen.

Koch: Wir haben heute das Problem, dass wir von wenigen Ländern des OPEC-Regimes abhängig sind. Günstige Standorte, die Wind- und Solar­energie im Überfluss haben, um daraus CO2-neutrale Kraftstoffe herzustellen, gibt es viel mehr. Das ist ein breiter Gürtel der Erde, der infrage kommt. Wir können das Risiko streuen, indem wir uns nicht mehr von einzelnen Ländern abhängig machen. Genau das ist der Charme der Technologie. Darüber hinaus können wir auch in Europa schauen. In Portugal hat man jetzt 1,5 Cent pro Kilowattstunde durch die Fotovoltaik erreicht. In den Gunststandorten im Sonnengürtel etwas weiter südlich sind wir schon unter einem Cent. Damit kostet der Kraftstoff in der Herstellung unter einem Euro. So können wir auch Menschen, die wenig Geld haben, Mobilität ermöglichen.

Thomas Koch / Foto: Chiara Bellamoli

Die Akzeptanz des Elektroantriebs leidet in Deutschland auch darunter, dass der Staat zwar ehrgeizige Ziele vorgibt, aber nicht die notwendigen Voraussetzungen dafür schafft, um sie zu erreichen. Schon jetzt reichen vielerorts die Stromnetze nicht aus.

Sigl: Vor 13 Jahren war ich mit dem damaligen Verkehrsminister Peter Ramsauer auf Delegationsreise in Japan. Wir haben uns schon damals darüber unterhalten, dass der Netzausbau dringend notwendig ist. Auch die Leute aus der Erneuerbaren-Branche erklären das seit Jahren. Doch passiert ist nichts. Es ist genau derselbe Stand wie damals. Die Politik hätte da viel mehr machen müssen, vor allem was die Rahmenbedingungen betrifft. Denn die Regularien und die Bürokratie blockieren sehr vieles. Auf der anderen Seite: Es ist ja nicht so, dass wir schon 40 Millionen Elektroautos auf den deutschen Straßen haben, sondern es sind noch nicht einmal zwei Millionen. Für das, was jetzt da ist, reichen die Stromleitungen aus.

Man hört aus der Immobilienbranche, dass die örtlichen Stadtwerke immer öfter Ladeanschlüsse in der Tiefgarage nicht genehmigen. Aus Angst vor Überlastung. 

Sigl: Das hängt auch mit der Bürokratie zusammen, der die Versorger vor Ort nicht Herr werden – und oft auch nicht Herr werden wollen. Davon rede ich: Man hängt am alten System, das bisher gut funktioniert hat, und es fehlt der Wille, etwas Neues zu machen. Dort, wo der Bürgermeister die Ladesäule eröffnet und den Stöpsel reinsteckt, gibt es ein schönes Foto. Aber der Weiterbau in Ringsystemen um die Städte herum ist nur selten erkennbar. Es gibt regionale Unterschiede. In Bayern, Baden-Württemberg und Hamburg funktioniert der Ausbau der Ladeinfrastruktur gut, aber im Osten ist es eine Katastrophe. Und insgesamt fehlt der klare Wille, das Bekennen dazu.

Koch: Sie haben eben aufgezeigt, dass die Technologie der Elektromobilität Hunderte Milliarden Euro Investitionen in die Infrastruktur benötigt, bis alles läuft. Und ich biete eine Technologie an, die den Staat keinen Cent kostet. Die Kosten trägt die Petroindustrie oder die chemische Industrie. Die Raffinerien, die wir hier haben, können weiter genutzt werden. Das wird genauso nachhaltig sein. Es ist eine Alternativtechnologie, die vermeidet, dass wir diesen Milliardenausbau von unseren Steuergeldern bezahlen müssen. Wir haben, wenn Sie sich die Grundschultoiletten und die Sozialsysteme anschauen, Riesenprobleme in unserem Land, überhaupt noch finanziell über die Runden zu kommen. Deshalb plädiere ich dafür, neben der Elektromobilität die Alternative der CO2-neutralen Kraftstoffe zu ermöglichen und nicht zu verhindern.

Sigl: Ich sehe nicht, dass das verhindert wird. 

Koch: Wenn die europäische Gesetzgebung sagt, eine Technologie wird 2035 nicht mehr zugelassen, ist das eine klare Verhinderungspolitik. Zudem verhindern die delegierten Rechtsakte der EU-Kommission noch immer Investitionen in und Einfuhr von CO2-neutralen Kraftstoffen.

Sigl: Das wird gerade wieder aufgeweicht.

Koch: Jetzt hat man zehn Jahre auf die Technologie eingeschlagen: Der Verbrennungsmotor sei gefährlich, giftig, gestrige Technologie. Und nur die Elektromobilität ist die Zukunft. Dagegen verwahre ich mich. Wir brauchen eine gute Koexistenz, wir brauchen Technologiefreiheit. Dann sehen wir doch hinterher, was im Markt am besten ankommt und die Menschen am meisten begeistert. 

Das Gespräch führte Daniel Gräber. 

 

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