Industriestrompreis - Deutschland auf dem Weg in den Ökosozialismus

Vorwärts immer, rückwärts nimmer: Statt einzugestehen, dass die „Energiewende“ gescheitert ist, will Robert Habeck den Strommangel mit Milliarden-Subventionen übertünchen. Das kann nicht gutgehen.

Robert Habeck weist der Industrie den Weg: Ministerbesuch bei Thyssenkrupp / dpa, Antje Berghäuser
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Daniel Gräber leitet das Ressort Kapital bei Cicero.

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Die Ampelkoalition steckt nach der Auseinandersetzung um das Wärmepumpengesetz mitten in ihrem nächsten Grundsatzstreit. Und wieder ist es eine Idee des grünen Klima- und Wirtschaftsministers, die in der FDP auf heftige Gegenwehr stößt, während der sozialdemokratische Kanzler sich abwartend zurückhält.

Es geht um den Industriestrompreis, den Robert Habeck fordert, weil er verhindern will, dass seine zum Scheitern verurteilte Energiepolitik zu steigender Arbeitslosigkeit und schrumpfendem Bruttosozialprodukt führt. Die Idee klingt wie ein Schildbürgerstreich: Erst wird das Angebot an verlässlich zur Verfügung stehendem und bezahlbarem Strom verknappt. Dann versucht man die steigenden Strompreise durch Milliardensubventionen auszugleichen, um die energieintensive Industrie nicht aus dem Land zu treiben.

Schleichende Deindustrialisierung

Es ist ein Irrsinn. Wenn Deutschland bei seinem Ziel bleibt, sich komplett auf notorisch unzuverlässige, weil wetterabhängige Energiequellen zu verlassen, dann sollten wir froh sein, wenn Stahlhütten, Chemiewerke und Papierfabriken stillgelegt werden. Denn das macht es wesentlich einfacher, dieses Ziel irgendwann zu erreichen.

Die bereits schleichend angelaufene Deindustrialisierung wäre dann ein notwendiger Anpassungsprozess, und ihn mit Steuermilliarden zu verzögern, eine Verschwendung derselben. Das Geld sollte lieber in Bildung und Digitalisierung gesteckt werden, damit neue Branchen in Deutschland wachsen können, die auch ohne Fabriken für Wohlstand sorgen.

Kernkraftwerke sind noch zu retten

Wenn Deutschland aber einer der führenden Industriestandorte bleiben will und der Welt auch noch zeigen möchte, dass das „klimaneutral“ gelingen kann, dann gibt es für den mit dieser Mission angetretenen Erfinder der öko-sozialen Marktwirtschaft nur einen sinnvollen Weg: Er muss schleunigst dafür sorgen, dass möglichst viele der noch nicht komplett zerstörten Kernkraftwerke wieder ertüchtigt und ans Netz gebracht werden. Ein US-Beratungsunternehmen hat nach Gesprächen mit deutschen Brancheninsidern kürzlich festgestellt, dass mindestens acht der stillgelegten Reaktoren noch zu retten wären.

Das wird Habecks Partei vor eine Zerreißprobe stellen. Aber wenn er diesen Konflikt mit den Opas und Omas aus der Anti-Atom-Bewegung wagt, wäre ihm die Zustimmung aus weiten Teilen der Bevölkerung sicher – vor allem aus der Wirtschaft, wo er seit seinem sturen Festhalten am Atomausstieg rapide an Ansehen verloren hat.

Und dann wäre der zweite Schritt: Die Fortschrittskoalition schafft die Rahmenbedingungen dafür, dass in Deutschland neue Atomkraftwerke gebaut werden können. Das stärkt nicht nur die eigene Energiesouveränität und senkt den CO2-Ausstoß, sondern schafft Exportchancen: durch die Renaissance einer Hochtechnologie, in der Forscher und Firmen aus der Bundesrepublik mal zur Weltspitze zählten.

Herumdoktern ohne Aussicht auf Besserung

Habecks Idee, Unternehmen mit Staatsgeld zuzuschütten, auf dass sie trotz hoher Strompreise nicht abwandern, ist ein kurzfristiges Herumdoktern an den Symptomen, ohne Aussicht auf langfristige Besserung. Zwar verspricht er, sein Industriestrompreis sei nur für wenige Jahr notwendig, als Brücke in ein goldgrünes Zeitalter des Ökostromüberflusses. Doch dieses Habeck‘sche Märchen, das schon Gevatter Trittin in seinem Eiskugelgleichnis erzählt hat, scheitert leider an der Realität.

„Die Erwartung, dass der Strom dauerhaft billig wird, nur weil die erneuerbare Erzeugung so günstig ist, teile ich nicht“, hat etwa Leonhard Birnbaum, Chef des Energiekonzerns Eon, im Cicero-Interview klargestellt. Birnbaum ist alles andere als ein Gegner der Energiewende. Im Gegenteil: Sein Unternehmen verdient an dem dazu benötigten Netzausbau viel Geld.
 

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Dennoch weißt er klar und deutlich auf die Probleme hin: „Da Windstrom nicht sicher verfügbar ist, müssen Sie als Betreiber des Windparks überlegen: Was kostet es noch, diesen Windstrom so auszugleichen, dass man die Produktion dieses Windparks zum Beispiel an ein Unternehmen verkaufen kann, das durchgehend Strom braucht, auch wenn der Wind nicht weht. Dann landen Sie bei deutlich über 100 Euro pro Megawattstunde“, so Birnbaum. „Der Ausgleich der Volatilität der Erneuerbaren hat schlichtweg seinen Preis.“ Ein Ausgleich, der übrigens meist durch konventionelle Kraftwerke stattfindet, also durch Kohle, Gas oder Atomkraft.

Der letzte Strohhalm

Mit dem Industriestrompreis soll nun ein realer Mangel übertüncht werden, statt alles daran zu setzen, diesen Mangel zu beheben. Aus der Wirtschaft erhält Habeck zwar Unterstützung für seine Forderung. Doch das ist nicht der Überzeugung geschuldet, dass dieser Weg sinnvoll sei, sondern es ist ein Greifen nach dem Strohhalm.

Was allen Unternehmern klar sein muss, die jetzt auf neue Subventionen hoffen: Sie machen sich damit abhängig. Wer wird vom staatlich bezuschussten Strom zu profitieren und wer nicht? Entscheiden dann Beamten und Grünen-Politiker, welche Industrien in Deutschland bleiben sollen?

Ziel ist ein Systemumbau

Der Industriestrompreis ist ein weiterer Schritt in Richtung des angestrebten Systemumbaus. Aus der sozialen Marktwirtschaft, in der ein starker Staat verlässliche Rahmenbedingungen setzt, aber die Unternehmen ihre Geschäfte alleine machen lässt, will Robert Habeck eine „sozial-ökologische Marktwirtschaft“ machen. Das klingt erstmal schön und harmlos. Doch es ist ein Etikettenschwindel.

Worauf die große Transformation, so wie sie derzeit in Deutschland (und auf EU-Ebene) angegangen wird, hinausläuft, das hat mit Marktwirtschaft nicht mehr viel zu tun. Es wird eine ökosozialistische Planwirtschaft, in der Klimaschutzbürokraten den Unternehmen bis ins kleinste Detail hineinreden.

Kein Neustart

In der FDP spürt man das. Daher kommt aus den Reihen der Liberalen auch der deutlichste Widerspruch gegen Habecks Pläne. Beim Heizungsgesetz wie beim Industriestrompreis. Doch einen wirklichen Neustart der gescheiterten „Energiewende“-Politik, die Wohlstand vernichtet und die eigenen Klimaschutz-Ziele verfehlt, trauen sich auch die FDP-Mitregierenden nicht zu fordern.

Ein solcher Neustart wäre mit dem Eingeständnis verbunden, sich geirrt zu haben. Das will wohl niemand zugeben. Stattdessen heißt es: Vorwärts immer, rückwärts nimmer. Wenn es mit Windkraft und Solarstrom nicht klappt, brauchen wir mehr davon. Koste es, was es wolle.

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