EU-Regeln für Google, Amazon und Facebook - Digitale Oligopole schaden Demokratie und Wirtschaft

Mit dem „Digital Markets Act“ und dem „Digital Services Act“ will die EU-Kommission große Digitalkonzerne deutlich stärker regulieren. Mehr Transparenz und Kontrolle soll es geben. Für die Grünen ist das nicht genug. Sie wollen Google, Amazon und andere notfalls aufspalten.

Big Tech und Big Threat? Digitalkonzerne Google, Amazon und Facebook / dpa
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Autoreninfo

Rasmus Andresen ist Politiker von Bündnis 90/Die Grünen. Er war zehn Jahre Mitglied des Landtags in Schleswig-Holstein und dessen Vizepräsident von 2017 bis 2019. Seit dem Juli 2019 ist er Mitglied des Europäischen Parlamentes.

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„From our earliest day, Mark used the word domination to describe our ambition“

Mit diesen Worten beschreibt Facebook Gründer Chris Hughes die Ambitionen seines Geschäftspartners, des heutigen Facebook-Chefs Mark Zuckerberg. Mitten in der größten weltweiten Wirtschaftskrise unserer Zeit wundert sich niemand mehr darüber, dass die großen Digitalkonzerne unsere Gesellschaften dominieren wollen. Zur Wahrheit gehört sogar, Sie tun es bereits.

Mehr als 58 Millionen Deutschen nutzen den von Facebook aufgekauften Messenger Dienst WhatsApp, allein 32 Millionen Deutsche haben ein Facebook-Profil und immerhin 9 Millionen sind bei der Facebook-Tochter Instagram registriert. Der Marktanteil von Google liegt stabil bei mehr als 90 Prozent und Amazon dominiert weite Teile des Onlinehandels und von Cloud-Diensten.

Wettbewerbsvorteile werden ausgenutzt

Wir haben es zugelassen, dass einige wenige Digitalkonzerne aus dem Silicon Valley unsere tägliche Kommunikation dominieren und kontrollieren. Aber nicht nur das. Durch die Daten, die wir als Verbraucher und Verbraucherinnen, aber als Unternehmen durch Onlinehandel und Online-Suchen an die großen digitalen Plattformen geben, nutzen etwa Amazon und Google ihren Wettbewerbsvorteil aus, um etwaige Konkurrenten, auch aus Europa, im Onlinehandel auszustechen.

Insbesondere durch intransparente Algorithmen ist es für unsere Unternehmen, Kartellbehörden und für unsere Zivilgesellschaft unmöglich geworden, die Geschäftspraxis dieser digitalen Gatekeeper zu überwachen. Fairer Wettbewerb und demokratische Kontrolle werden auf diese Weise unmöglich gemacht.

Big Tech kann Unternehmen vernichten

Unternehmen, die sich dem Geschäftsgebaren der Big-Tech-Unternehmen widersetzen, werden abgestraft. Dies hat etwa der französische Verlag Hachette schmerzhaft zu spüren bekommen. Nachdem man Amazon keinen Einfluss auf die eigene Preisgestaltung und Geschäftspolitik geben wollten, verbannte Amazon die Bücher von Hachette zunächst ganz von seiner Plattform. Später wurden Sie auch aus dem Ranking aus den Top-Suchergebnissen verbannt.

Doch es muss gar nicht so weit kommen. Bei anderen Unternehmen reicht schon, dass Sie zu wenig Werbeanzeigen auf der betreffenden Plattform buchen, um benachteiligt zu werden. Schon eine kleine Veränderung der Algorithmen von BigTech kann ganze Geschäftszweige und Unternehmen vernichten.

Problematisch ist insbesondere, dass Digitalkonzerne wie Amazon oder Google sich stets als neutrale Einheiten darstellen. Man sei nur die eine Plattform ist schon lange die Ausrede für jegliche Versuche, Verantwortung in welcher Hinsicht auch immer einzufordern. Dabei sind Sie das genaue Gegenteil. Sie sind Plattformanbieter und Händler zur selben Zeit. Und Sie nutzen diese Doppelrolle schamlos aus.

Ähnlich wie Amazon im Onlinehandel verschafft sich etwa Apple durch den eigenen vorinstallierten Musikstreaming Dienst auf den iPhones einen uneinholbaren Vorsprung gegenüber Streamingdiensten wie Spotify. Immer mehr solcher Fälle landen bei den Aufsichtsbehörden und vor Gericht. Im neuesten Fall weigert sich Apple, Spiele von dem Games-Hersteller Epic Games in seinem Appstore zu führen, da diese ein anderes Bezahlsystem als das von Apple gewünschte verwenden.

Ökonomische Machtkonzentration

Solche Geschäftspraktiken der digitalen Gatekeeper bringen die Grundpfeiler unserer auf fairem Zugang beruhenden sozialen Marktwirtschaft zum Einsturz. Kleine Unternehmen und Start-ups haben keine Chance sich mit ihren innovativen Angeboten durchzusetzen, auch weil die sogenannten Netzwerkeffekte die digitalen Monopole noch verstärken.  Auch wenn viele Menschen die Angebote von Big Tech lieben und die mitunter scheinbar günstigen Angebote schätzen, führen diese Oligopole zu weniger Auswahl. Das führt zu einer größeren Abhängigkeit und zu höheren Preisen.

Ökonomische Machtkonzentration und kaputte Märkte schaden uns Europäerinnen und Europäern und sind Demokratie-zersetzend. Deshalb:

Wir brauchen eine gemeinsame europäische Antwort.
Wir können nicht darauf warten, dass andere für uns den Job machen.
Wir brauchen europäische digitale Souveränität und ein Regelwerk für digitale Gatekeeper.

Digital Markets Act und Digital Services Act

Die Europäische Kommission schlägt nun mit dem Digital Markets Act und dem Digital Services Act ein umfangreiches Paket zum Umgang mit Big Tech vor. Die parlamentarischen Beratungen dazu haben soeben begonnen.

So will die EU mit dem Digital Markets Act und dem Digital Services Act eine klare Definition für digitale Gatekeeper schaffen.

Wer monatlich mehr als 45 Millionen aktive Nutzerinnen und Nutzer oder einen Jahresumsatz von mindestens 6,5 Milliarden Euro hat, soll als ein solcher digitaler Gatekeeper definiert werden. Gatekeeper ist außerdem, wer einen erheblichen Einfluss auf den Binnenmarkt hat, sowie eine wichtige Vermittlerrolle zwischen geschäftlichen und privaten Nutzerinnen und Nutzern einnimmt oder diese in Zukunft einnehmen wird.

Monopole einschränken und Gatekeeper aufspalten

Wir begrüßen die neuen Transparenzverpflichtungen im Vorschlag der EU-Kommission. Diese werden dazu führen, dass Marktmissbrauch und Geschäftsmodelle überprüfbarer werden. Doch mit Transparenz allein werden die digitalen Gatekeeper nicht ausreichend gebremst. Ihr Geschäftsmodell muss sich verändern.
Datenmonopole müssen per Gesetz eingeschränkt werden und personalisierte Werbung gehört ganz abgeschafft.

Wir begrüßen, dass die sogenannte Interoperabilität für Leistungen wie Appstores oder Bezahlsysteme für Plattformen festgeschrieben werden soll. Das heißt, dass unterschiedliche Angebote miteinander synchronisiert werden und gleichberechtigt genutzt werden können.

Wir wollen aber nicht auf halber Strecke stehen bleiben und fordern deshalb darüber hinaus, dass auch bei Messenger-Diensten Interoperabilität zum verpflichtenden Standard wird. Wer also Whatsapp nutzt, soll unter hohen Datenschutzstandards auch Bekannten auf anderen Plattformen wie etwa Signal oder Threema schreiben können. So wie es seit Jahrzehnten bei E-Mails oder Telefonanbietern Standard ist, über unterschiedliche Anbietern miteinander zu kommunizieren, so ist das auch bei Messenger-Diensten möglich. Dies würde die Verbraucherinnen und Verbraucher in ihren Bedürfnissen stärken und Start-ups ermöglichen, mit neuen Angeboten auf die Märkte zu kommen.

Mit den Strafzahlungen von großen Digitalkonzernen könnte darüber hinaus ein Innovationsfonds zur Förderung eigener digitaler Unternehmen und Innovationen eingerichtet werden.

Um die Digitalisierung zu demokratisieren, müssen wir neben starken nationalen Kartellbehörden auch die EU mit Kompetenzen und Ressourcen ausstatten. Eine europäische Digitalbehörde könnte die Koordinierung der unterschiedlichen nationalen Ansätze, sowie die Überwachung und Durchsetzung europäischer Regeln übertragen bekommen.

Dazu gehört schließlich auch, zu große digitale Gatekeeper aufzuspalten. Wer zu groß wird, zerstört unsere Märkte und gefährdet am Ende unsere Demokratie.

Es ist an der Zeit, sich dies nicht mehr gefallen zu lassen.

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