„Gender Pay Gap“ - Der Mythos der 21 Prozent

Am kommenden Montag ist „Equal Pay Day“, und schon jetzt kann man die Klagen hören über den „Gender Pay Gap“, also den Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen. 21 Prozent soll der betragen, die Zahl ist omnipräsent. Aber stimmt sie auch?

Demonstration gegen ungleiche Löhne: Es lohnt sich, genauer hinzuschauen / picture alliance
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Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

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Am Montag ist es wieder so weit: Dann ist „Equal Pay Day“, und ein Chor aus Politikern, Gewerkschaftlern, Sozialverbänden und Feministinnen wird die „Gender Pay Gap“ beklagen, die Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen. Voll Entrüstung und mit ungespielter Empörung wird man Gerechtigkeit fordern und endlich gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Und wie selbstverständlich wird wieder eine Zahl durch die Medien geistern: 21 Prozent.

Keine Frage: Wenn es tatsächlich so wäre, dass Frauen 21 Prozent weniger Lohn für die gleiche Arbeit erhielten, wäre das ein Skandal. Allerdings kommen einem sofort Zweifel: Denn der Arbeitsmarkt mag überreguliert sein, doch er ist immer noch ein Markt. Wären die Personalkosten für Frauen also tatsächlich um mehr als 20 Prozent geringer, es dürfte keine arbeitslose Frau geben, dafür aber massenweise arbeitslose Männer. Die Chance, die Personalkosten auf so einfache Weise zu drücken, würde sich kaum ein Unternehmen entgehen lassen. Doch offensichtlich ist das nicht der Fall. Und was heißt hier eigentlich „Pay“? Einkommen? Lohn? Gehalt? Nicht ohne Grund spricht man im englischen Sprachraum auch von „Gender Wage Gap“. Vor der großen Aufregung lohnt es sich also, genauer hinzuschauen.

Die Tücken der Statistik

Der „Gender Pay Gap“ bezeichnet die Differenz zwischen dem Durchschnittslohn eines Mannes und dem Durchschnittslohn einer Frau. Und die liegt in Deutschland laut Statistischem Bundesamt nach wie vor bei den ominösen 21 Prozent. Das besagt allerdings weniger, als es suggeriert, denn der Durchschnittslohn errechnet sich über alle Branchen, Ausbildungswege und Qualifikationen. Da dieses Problem offensichtlich ist, veröffentlicht das Statistische Bundesamt den sogenannten bereinigten Gender Pay Gap. Hierbei sind strukturbedingte Unterschiede zwischen Männern und Frauen rausgerechnet, also etwa die Berufswahl, die Ausbildungsgänge und Beschäftigungsverhältnisse. Da der bereinigte Gender Pay Gap etwas schwerer zu berechnen ist, wird der nur alle vier Jahre erstellt. 2014 betrug er 6 Prozent, für 2018 liegt er noch nicht vor. Allerdings ermittelte die Agentur Compensation Partner für 2018 eine bereinigte Entgeltlücke zwischen Männern und Frauen von 4,8 Prozent. An der Erhebung von Compensation Partner wird zudem deutlich, dass der Gender Pay Gap nach Verdienstklassen und Branchen erheblich variiert.

Das Institut für Deutsche Wirtschaft in Köln kam 2016 auf eine bereinigte Entgeltlücke zwischen Männern und Frauen von rund 3,8 Prozent, die vermutlich noch geringer ausfällt, wenn man die unterschiedlichen Berufspräferenzen berücksichtigt. Zusammengefasst kommt man also zu dem Ergebnis, dass es zwar einen minimalen Unterschied im Entgelt zwischen Männern und Frauen gibt, dieser aber nicht etwa auf Diskriminierung beruht, sondern auf unterschiedlichen Lebensvorstellungen. Und genau an dem Punkt wird’s politisch.

Die Menschen sind schon viel weiter

Denn dass Frauen und Männer unterschiedliche Lebenspräferenzen haben könnten, ist vielen Vertretern von Gewerkschaften, Sozialverbänden, SPD, Grünen und Linkspartei ein Dorn im Auge. Nach deren Vorstellungen haben alle Menschen bitte schön gleich zu sein. Und die Gleichheit bemisst sich aus dieser Sicht nicht anhand von Chancengleichheit oder der Freiheit, das Leben nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. Freiheit aus linker Perspektive ist Ergebnisgleichheit: Egal was Du machst, am Ende soll das Gleiche rauskommen.

Doch die Menschen sind sehr viel weiter, als die Kümmerer in den einschlägigen Organisationen und Verbänden. Denn natürlich weiß jeder Erwachsene, dass man mit einem Wirtschaftsingenieursstudium am Ende des Tages mehr verdienen wird denn als Sozialpädagoge oder als Sozialpädagogin. Dennoch entscheiden sich sehr viele Frauen für ein Studium im Bereich Pflege und Gesundheit (an hessischen Hochschulen 2017 waren es etwa 78,8 Prozent).

Das bedeutet: Menschen haben verschiedene Prioritäten im Leben. Frauen haben häufig andere Vorlieben als Männer – selbst wenn man bis ans Ende aller Tage immer wieder Girls’ Days organisiert. Die daraus resultierenden Unterschiede könnte man nur durch Studienquoten oder einen Einheitslohn aus der Welt schaffen, und vermutlich gibt es nicht wenige, die genau davon träumen. Mit einer freien, auf Eigenverantwortung setzenden Gesellschaft hätte ein solches Gemeinwesen aber nichts mehr zu tun.

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