Wohin mit ihrem Geld? - Billion wird neue Recheneinheit!

Die Notenbanken fluten die Märkte wie gewohnt mit Geld und an der Börse steigen die Hoffnungen auf bevorstehende Kursgewinne. Realistischer aber ist die Gefahr größerer Rückschläge in den kommenden Monaten.

Gut möglich, dass wir uns bald in einem inflationären Umfeld wiederfinden / dpa
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Daniel Stelter ist Gründer des auf Strategie und Makroökonomie spezialisierten Diskussionsforums „Beyond the Obvious“. Zuvor war er bei der Boston Consulting Group (BCG). Zuletzt erschien sein Buch „Ein Traum von einem Land: Deutschland 2040“.

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War es das schon? Nach dem stärksten Börseneinbruch der Geschichte ging es rasch wieder aufwärts. 1929, 1987, nach dem Platzen der New-Economy-Blase und nach der Finanzkrise ging es langsamer nach unten und viel langsamer nach oben. Zwar sind die alten Höchststände in weiter Ferne, einige Bereiche – so die Technologieaktien – liegen für 2020 aber bereits wieder im Plus. Erste Börsianer sprechen schon von einem bevorstehenden neuen Bullenmarkt.

Drei Annahmen liegen dem zugrunde: 1. Die Realwirtschaft erholt sich rasch von den Folgen der weltweiten Lockdowns. 2. Es kommt zu keiner weiteren Infektionswelle, die weitere Lockdowns erforderlich macht. 3. Die Notenbanken vollbringen wieder einmal das Wunder, Finanzmärkte und Realwirtschaft aus der Krise zu führen. Zweifel sind angebracht.

Die Realwirtschaft wird noch Jahre brauchen, um sich von den Verheerungen zu erholen. Einzelne Sektoren wie die Fluggesellschaften könnten sehr lange nicht mehr zu Vorkrisenniveaus zurückfinden. Selbst der berühmte Investor Warren Buffett hat sich hier unter großen Verlusten von seinen Beteiligungen getrennt. Hinzu kommen Deglobalisierung, die Abkehr von globalen Lieferketten, mehr staatliche Regulierung und perspektivisch höhere Lasten zum Abbau der gestiegenen Schuldenlast. All dies spricht eher für tiefere Gewinne.

Wohl alle hoffen, dass es zu keiner weiteren Infektionswelle kommt. Südkorea zeigt gerade, wie groß die Gefahr weiterer Pandemiephasen ist. Auch der Westen muss damit rechnen. 

Medizin für die Börsen, weniger für die Realwirtschaft

Bleiben die Notenbanken, die in der Tat wie gewohnt zu liefern scheinen. Innerhalb von nur fünf Wochen wuchs die Bilanz der US-Notenbank Fed um mehr als 50 Prozent beziehungsweise um 2500 Milliarden US-Dollar. Billion wird die neue Recheneinheit in den Nach-Corona-Zeiten. Was passiert, wenn viel Geld in die Märkte fließt, die Nachfrage der Realwirtschaft nach Krediten aber angesichts der Krise nicht hoch ist? Es führt zu steigender Nachfrage nach Vermögenswerten. Mit Anleihen ist nichts mehr zu verdienen, dürften doch US-Staatsanleihen, dem Vorbild Europas und Japans folgend, demnächst negative Renditen aufweisen. Hinzu kommt, dass die Notenbanken dazu übergegangen sind, auch Anleihen schlechter Schuldner zu kaufen. Das Risiko von Konkurswellen durch Refinanzierungsschwierigkeiten ist vorerst abgewendet.

Noch wirkt diese Medizin, aber immer mehr für die Börsen und immer weniger für die Realwirtschaft. Daraus einen baldigen Bullenmarkt abzuleiten, halte ich für gewagt. Realistischer ist die Gefahr größerer Rückschläge in den kommenden Monaten. Dies auch, weil Aktien keineswegs billig sind, wenn man die zu erwartenden Gewinnrückgänge berücksichtigt.

Gut möglich, dass wir uns bald in einem inflationären Umfeld wiederfinden. Aktien profitieren davon entgegen allgemeiner Auffassung nicht unbedingt. Denn die meisten Firmen können den Kostendruck in Form höherer Preise nicht weitergeben. Dennoch gehören Aktien auch künftig ins Portfolio und bieten mehr Sicherheit vor absehbarer Geldentwertung als Sparbuch, Anleihen und Lebensversicherung. Aber bitte keine Illusionen, dies sei ein Selbstläufer. Doch welche Aktien nun genau? Nun, Unternehmen mit starker Marktmacht, hohen Eintrittsbarrieren und geringer Verschuldung dürften die Gewinner sein. Problem: Genau diese sind schon wieder recht teuer.

 

Dieser Text stammt aus der Juni-Ausgabe von Cicero, die Sie am Kiosk oder direkt bei uns portofrei kaufen können.

 

 

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