Tabuthema Fracking - Deutschlands unberührte Erdgasschätze

Deutschland hat gewaltige Vorräte an Erdgas im Boden. Doch sie werden nicht geborgen – aus Angst vor der Fracking-Technologie. Dabei sind deren Gefahren beherrschbar. Das stellte bereits vor dem Ukrainekrieg eine Expertenkommission der Bundesregierung fest. Doch die Ampel ignoriert deren Bericht, weil sie den Konflikt mit Umweltaktivisten scheut.

Im Förderbetrieb Gas Nord bereitet Wintershall Dea das Erdgas auf / Emine Akbaba
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Daniel Gräber leitet das Ressort Kapital bei Cicero.

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Deutschland sei ein rohstoffarmes Land, heißt es oft. Der bedeutendste Rohstoff liege daher in den Köpfen seiner Bewohner: der Erfindergeist, der Perfektionsdrang, die Liebe zur Technologie. Eisenerz, Erdöl und seltene Erden lassen sich importieren. Entscheidend ist, was unsere Ingenieure und Facharbeiter daraus machen. Das war die Idee. Doch seit Deutschlands wichtigster Energierohstofflieferant ein friedliches Nachbarland überfallen hat und seine Pipelines als Erpressungsinstrumente einsetzt, wachsen die Zweifel. Und bei der verzweifelten Suche nach neuen Erdgasquellen zeigt sich: Die beiden Grundannahmen sind nicht ganz richtig.

Annahme eins: Rohstoffarmut. Noch um die Jahrtausendwende herum hat die deutsche Erdgas­industrie rund 20 Milliarden Kubikmeter im Jahr aus heimischen Bohrungen gefördert. Das war ein Fünftel des gesamten Gasbedarfs Deutschlands. Doch dann ist die Fördermenge Jahr für Jahr gesunken. Inzwischen sind es nur noch gut fünf Milliarden Kubikmeter. Die Lücke füllten ausländische Lieferanten, allen voran Russlands Gazprom.

Die Anti-Fracking-Hysterie

Das hätte anders laufen können. Denn unter Deutschlands Böden schlummern gewaltige Erdgasvorkommen, die bislang nicht angetastet wurden. Bis zu zwei Billionen Kubikmeter, die selbst jetzt, während die Gaspreise durch die Decke gehen und das Land mit Bangen auf den Winter wartet, Tabu bleiben. Wie kann das sein?

Damit sind wir bei Annahme zwei: Deutschland, das Land der Tüftler und Technikpioniere? Das war einmal. Gottlieb Daimler und Carl Benz hätten in der heutigen Bundesrepublik einen schweren Stand. Noch bevor sie ihre ersten Automobile auf die Straße bringen könnten, würden diese vermutlich verboten. So erging es zumindest jener Technologie, die gebraucht würde, um den deutschen Gashunger aus heimischen Quellen zu stillen: dem Fracking.

In riesigen Flüssiggastankern wird Frackinggas über den Atlantik geschickt. Im Landkreis Verden sorgt man sich um
das Trinkwasser / dpa

Während die USA dank des in den 2000er Jahren einsetzenden Fracking-Booms zum Gasexporteur wurden und ihren eigenen CO2-Ausstoß deutlich senken konnten, schwappte durch Europa eine Protestwelle, die Regierungen einschüchterte und Unternehmen verschreckte. Ähnlich wie der Anti-­Atomkraft-Bewegung gelang es den Fracking-­Gegnern, mit Horrorszenarien und Schauermärchen eine pragmatisch abwägende Diskussion über Risiken und Chancen dieser Fördermethode zu verhindern. Stattdessen wurde „Fracking-Gas“ zum Reizwort, das so wie „Chlorhühnchen“ für eine angebliche transatlantische Bedrohung stand, die es abzuwehren gilt.

Deutschland sollte Fracking diskutieren

Besonders erbittert wurde der Anti-Fracking-­Kampf in Deutschland geführt – organisiert von den üblichen Umweltorganisationen und parlamentarisch unterstützt von den Grünen und Linken. Dass bei der ehemaligen DDR-Staatspartei auch russische Interessen eine Rolle gespielt haben könnten, liegt auf der Hand. Zumal Putins Auslandssender Russia Today die Proteste durch eine ebenso engagierte wie einseitige Berichterstattung tatkräftig unterstützte. Der damalige Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen warf Moskau 2014 sogar vor, westliche Umweltgruppen gezielt zu unterstützen. Ziel der russischen Regierung sei es, „Europas Abhängigkeit von importiertem russischen Gas aufrechtzuerhalten“. 

Genauso kam es dann auch. 2016 beschloss der Deutsche Bundestag ein Gesetzespaket, das die „Förderung von Erdgas und Erdöl in Schiefer-, Ton- oder Mergelgestein oder Kohleflözgestein“ verbietet. Aus diesen Gesteinen lassen sich die fossilen Rohstoffe nur mithilfe des Fracking gewinnen. Und während das deutsche Schiefergas seitdem unberührt im Untergrund bleibt, setzt die Bundesregierung alles daran, möglichst schnell und möglichst viel amerikanisches Schiefergas in Flüssiggastankern über den Atlantik geschickt zu bekommen. Das ist teuer und nicht gerade klimafreundlich. Denn der Energieverlust beim Verflüssigen und durch den Transport des Gases beträgt bis zu 20 Prozent.

Eine neue, diesmal nüchterne Debatte über Fracking in Deutschland ist dringend notwendig. Worum geht es dabei? Fracking steht für Hydraulic Fracturing, das hydraulische Aufbrechen von Gesteinen. Bei der herkömmlichen Förderung, wie sie auch in Deutschland noch praktiziert wird, fließt das Gas selbstständig zur Bohrung. In der Tiefe sucht es sich seinen Weg. Das funktioniert allerdings nur in durchlässigen Gesteinen wie etwa Sandstein. In Schiefer hingegen ist das Erdgas fest eingeschlossen, und zwar in kleineren Blasen. Man kann es sich vorstellen wie einen versteinerten Schwamm. Um diese Blasen aufzubrechen, wird beim Fracking eine Flüssigkeit mit hohem Druck durch die Bohrung nach unten gepresst. Es entstehen millimeterdünne Risse im Gestein, durch die das Gas fließen kann.

German Angst

„Fracking ist eine bewährte und erprobte Technik, die weltweit seit Jahrzehnten eingesetzt wird“, sagt der Geophysiker Hans-Joachim Kümpel. Dass Deutschland das Schiefergas-Fracking verbietet und gleichzeitig Schiefergas importieren will, hält er für einen „Schildbürgerstreich“. Kümpel war bis 2016 Präsident der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe. Er hat die Anti-­Fracking-Debatte mit Staunen und Kopfschütteln verfolgt. „Einzelne Zwischenfälle in den USA, bei denen es zu Grundwasserverunreinigungen gekommen ist, wurden aufgebauscht und als Beleg für die Gefährlichkeit des Schiefergas-Fracking genutzt. Doch diese Probleme sind an Bohrungen entstanden, die in Deutschland überhaupt nicht genehmigungsfähig gewesen wären.“ Kümpels Botschaft lautete damals und heute: Mit deutschem Umweltrecht und der hier vorhandenen fachlichen Expertise wäre Erdgas-Fracking in Deutschland problemlos machbar.

Er versuchte, sich Gehör zu verschaffen. Gemeinsam mit allen geologischen Landesbehörden erklärte Kümpels Bundesbehörde 2013: „Sofern die gesetzlichen Regelungen und die technischen Standards eingehalten und detaillierte standortbezogene Voruntersuchungen durchgeführt werden, ist der Einsatz der Technologie aus geowissenschaftlicher Sicht sicher und umweltverträglich möglich.“ Das war wohlgemerkt keine Stellungnahme eines Industrieverbands oder eine wissenschaftliche Einzelmeinung. Sondern es war und ist die einhellige Einschätzung der deutschen Staatsgeologen. Doch sie drangen damit nicht durch. 

Zu mächtig waren die Bilder von zerstörten Landschaften und brennendem Trinkwasser, die Fracking-Gegner auf Veranstaltungen zeigten und im Internet verbreiteten. Es waren Szenen des 2010 erschienenen Dokumentarfilms „Gasland“, der die Schattenseiten des Fracking-Booms in den USA thematisierte – allerdings auch mit zweifelhaften Mitteln. Es gibt historische Aufnahmen aus einem der Orte, die belegen, dass dort schon zu Vor-Fracking-Zeiten das Trinkwasser brannte. In dem Film wird das aus dem Wasserhahn strömende Methangas, das sich selbst entzündet, jedoch als Folge der Schiefergasförderung dargestellt.

Die letzten Gasförderungen Deutschlands

Auch Politiker schlossen sich der Anti-­Fracking-Bewegung an. Ganz vorne mit dabei war der damalige Bundestagsabgeordnete der Grünen Oliver Krischer. Er warnte davor, das „Grundwasser zum Experimentierfeld für Fracking-Konzerne“ zu machen. Heute ist er Umweltminister von Nordrhein-Westfalen. Eines der beiden Bundesländer, in dem es größere Flöz- und Schiefergasvorkommen gibt. Das andere ist Niedersachsen.

Im Garten seines Einfamilienhauses breitet Martin Busch Landkarten auf dem sonnigen Rasen aus. Sie zeigen die Gegend um Verden an der Aller, ein Städtchen südöstlich von Bremen, das für seine Pferdezuchttradition berühmt ist. Busch arbeitet seit den 1980er Jahren hier, als Sozialpädagoge in der stationären Jugendhilfe. 2001 ist er mit seiner Familie in eine Neubausiedlung des Ortsteils Walle gezogen, er mag die Ruhe, die dörfliche Idylle. „Wir leben, wo andere Urlaub machen“, sagt der 64-Jährige. Allerdings gibt es etwas, was diese Ruhe stört. Es lagert gut fünf Kilometer unter der Oberfläche.

Martin Busch hat die Bürgerinitiative „Walle gegen
Gasbohren“ mitgegründet. Das nahe Wasserwerk
hat er im Blick / Emine Akbaba

In den 1990er Jahren hat die Deutsche Erdoel AG (Dea) begonnen, die Erdgasvorkommen im Landkreis Verden zu erschließen. Es handelt sich Unternehmensangaben zufolge um das produktionsstärkste Erdgasfeld in Deutschland: Mit insgesamt 19 Förderbohrungen hat Wintershall Dea bis heute mehr als 25 Milliarden Kubikmeter Erdgas in diesem Gebiet gewonnen. 2019 fusionierte die Dea mit der BASF-Tochter Wintershall. Auch der US-Konzern ExxonMobil ist noch in der Gasförderung in Deutschland aktiv.

„Was nützt uns Gas, wenn wir kein Trinkwasser haben?“

Martin Busch wäre es am liebsten, wenn die gesamte Erdgasförderung eingestellt würde – in Niedersachsen und anderswo. Gemeinsam mit anderen Anwohnern gründete er 2016 die Bürger­initiative „Walle gegen Gasbohren“, benannt nach dem Ortsteil, in dem er lebt. Auf seiner Landkarte hat er eingezeichnet, wo Wintershall Dea das Gas aus der Tiefe holt. Weil es bereits zu kleineren Erdbeben kam, bei denen manche Häuser Risse in den Putz bekamen, sind die Vorbehalte in der Region größer geworden. Nachdem Wintershall Dea für die Schäden aufkam und ankündigte, die Gasförderung bis zum Jahr 2036 auslaufen zu lassen, kehrte Ruhe ein. Wirklich aktiv ist die Bürger­initiative derzeit nicht.

„Das kann sich aber schnell ändern“, sagt Busch, der als junger Mann auch schon gegen Atomkraftwerke demonstriert hat. „Wir befürchten, dass die Erdgaskonzerne den Ukrainekrieg nutzen, um die Förderung wieder auszuweiten und das Fracking-Verbot zu kippen. Sobald sich irgendwas mit Fracking tut, werden wir sofort wieder aktiv.“ Das Argument der Versorgungssicherheit, das angesichts der geopolitischen Lage erheblich an Gewicht gewinnt, lässt er nicht gelten. „Was nützt es uns, wenn wir Energie haben, aber kein Trinkwasser? Oder nur verseuchtes?“, fragt der Sprecher der Gasbohrgegner rhetorisch. „Wir müssen weniger Energie verbrauchen, verstärkt regenerative Energiequellen nutzen und weg von Öl und Gas.“

 

 

Kaum drei Kilometer Entfernt steht Daniel Richardson im orangenen Overall vor blank blitzenden Rohren. Er ist Betriebsleiter des Förderbetriebs Gas Nord von Wintershall Dea. Auf dem Areal wird aus sechs Bohrungen Erdgas nach oben geholt. In unterirdischen Leitungen fließt das Gas aus zwölf weiteren Bohrungen heran, die dezentral in der Gegend verteilt sind. Dann wird es getrocknet, das heißt: die Gasmoleküle von mit nach oben gefördertem Tiefenwasser getrennt und an einer nahe gelegenen Verdichterstation in das Gasfernleitungsnetz eingespeist.

Söder rüttelt am Fracking-Verbot

Richardson ist Engländer und hat als Tiefbohringenieur in Abu Dhabi gearbeitet, bevor er nach Niedersachsen kam. „Im Nahen Osten wird die Öl- und Gasindustrie positiv wahrgenommen, denn sie schafft Wohlstand“, sagt er. „Diese Diskussionen, wie sie in Deutschland geführt werden, gibt es dort nicht.“ Den Vorbehalten der Gasbohrgegner will er mit Offenheit begegnen. „Wir arbeiten hier nach bestem technischen Wissen und mit gutem Gewissen“, sagt er, während er über die Anlage führt. „Wir haben nichts zu verbergen.“

Mit Fracking habe das übrigens nichts zu tun, betont Mark Fischer, der als Pressesprecher des Unternehmens den Rundgang begleitet. Denn die Schiefergasfelder, um die es dabei vor allem geht, liegen nicht im Landkreis Verden, sondern weiter westlich in Niedersachsen und im angrenzenden Nordrhein-Westfalen. „Diese Vorkommen sind bisher nicht erfasst, nicht erforscht und wirtschaftlich nicht bestätigt“, sagt Fischer. Grund dafür sei die fehlende politische und gesellschaftliche Unterstützung für die Anwendung von Fracking in Deutschland. „Denn ohne einen klaren und verlässlichen Rechtsrahmen werden Öl- und Gasunternehmen weiterhin nicht die umfassenden Investitionen tätigen, die über viele Jahre hinweg notwendig sind, um das mögliche Potenzial des heimischen Schiefergases im ersten Schritt zu analysieren und im zweiten Schritt möglicherweise zu nutzen.“

Ob sich daran so schnell etwas ändert? Vereinzelte Vorstöße gab es schon. Der bayerische CSU-Ministerpräsident Markus Söder, der ein feines Näschen für heraufziehende Stimmungsumschwünge hat, brachte jüngst eine Abkehr vom Fracking-Verbot ins Spiel. Sein niedersächsischer Amtskollege, der Sozialdemokrat Stephan Weil, reagierte zwar empört. Doch dazu sollte man wissen, dass Weil sich am 9. Oktober einer Landtagswahl stellen muss. So kurz vor diesem Termin die Fracking-Gegner gegen sich aufzubringen, ist rein taktisch gedacht keine gute Idee.

Gasförderung im Norden

An anderer Stelle zeigt sich die niedersächsische Regierung hingegen deutlich kompromissbereiter: bei der Erdgassuche vor der Küste. Das niederländische Unternehmen One-Dyas, das in der Nordsee bereits Bohrinseln betreibt, will ein Gasfeld erschließen, das im deutschen Teil liegt; gut 20 Kilometer vor der ostfriesischen Insel Borkum. Unter dem Eindruck des Ukrainekriegs hat das Land Niedersachsen dem nun zugestimmt. Doch vor Ort ist man damit nicht einverstanden.

Die Inselgemeinden Borkum, Juist und Norderney klagen gegen die geplante Erdgasförderung. Sie fürchten um den Nationalpark Wattenmeer, der nicht nur ökologisch, sondern auch touristisch wertvoll ist. „90 Prozent der Bürger leben hier vom Tourismus“, sagt Borkums Bürgermeister Jürgen Akkermann. „Wir befürchten Umweltschäden durch Havarien und dass die geplante Plattform der Einstieg für weitere ist. Natürlich wird uns jetzt vorgeworfen, dass wir die ‚Not in my backyard‘-Haltung vertreten, also: Nicht in meinem Hinterhof. Aber dieser Hinterhof ist ein Unesco-Welterbe.“

Tiefbohringenieur Daniel Richardson hat in Abu
Dhabi gearbeitet, bevor er nach Niedersachsen
kam / Emine Akbaba

Michael Kruse, Hamburger FDP-Chef und energiepolitischer Sprecher der Liberalen im Bundestag, begrüßt das Projekt hingegen. „Es ist eines von vielen Feldern, in denen Gasvorkommen in erheblichem Umfang vermutet werden“, sagt Kruse, der diesen Sommer eine der bereits bestehenden Förderplattformen besucht hat, um sich am Ort des Geschehens ein Bild zu machen. „Die heimische Gasförderung in der Nordsee kann jedes Jahr mehrere Milliarden Kubikmeter erreichen. Das wären mindestens 5, im besten Fall sogar 10 Prozent unseres jährlichen Gasverbrauchs.“

Lieber kontrolliert in Deutschland

Auch an das Schiefergas will Kruse heran und weist dazu auf eine Ausnahmeregelung beim Fracking-Verbot hin: „Es gibt in Deutschland die Möglichkeit, Probebohrungen mit Fracking vorzunehmen, um das Verhalten der Böden an diesen Stellen zu untersuchen. Und ich meine, dass wir genau solche Untersuchungen machen sollten.“ Die Technik habe sich weiterentwickelt, die negativen ökologischen Auswirkungen seien inzwischen kontrollierbar. „Und bevor das anderswo auf der Welt angewandt wird, nur damit Deutschland beliefert werden kann, sollten wir auch selbst so verantwortungsbewusst sein und sagen: Wir machen es lieber hier und unter ökologisch sicheren Bedingungen“, fordert Kruse.

Als der Bundestag das Fracking-Verbot 2016 verabschiedete, gab er sich selbst einen Auftrag: „Im Jahr 2021 überprüft der Deutsche Bundestag auf der Grundlage des bis dahin vorliegenden Standes von Wissenschaft und Technik die Angemessenheit des Verbots“, steht es seither schwarz auf weiß im Wasserhaushaltsgesetz. Doch geschehen ist nichts – obwohl die ebenfalls im Gesetz vorgesehene unabhängige Expertenkommission Fracking die wissenschaftlichen Grundlagen zusammengetragen und bereits im Juni 2021 veröffentlicht hat. 

Vorteile des Frackings kämen schnell

Der Bericht ist interessant. Denn die Kommission kam, obwohl sie keinesfalls nur mit Fracking-Befürwortern besetzt ist, zu dem Ergebnis, dass keine Risiken existieren, die von vornherein gegen die Schiefergasgewinnung in Deutschland sprechen. Sie gibt Empfehlungen, welche Vorsichtsmaßnahmen zu berücksichtigen sind und spricht sich, darauf stützt sich auch FDP-Fachpolitiker Kruse, für Erprobungsprojekte aus. Die Krux bleibt allerdings: Solche Probebohrungen, von denen nach derzeit geltendem Recht vier in ganz Deutschland erlaubt wären, sind teuer. Und welches Unternehmen investiert schon in die Schiefergaserkundung, wenn nicht absehbar ist, wann es damit jemals Geld verdienen darf? Seit das Fracking-Verbot in Kraft ist, wurde kein einziger Antrag auf eine Ausnahmegenehmigung gestellt.

Hans-Joachim Kümpel, der frühere Präsident der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, hat die Hoffnung nicht aufgegeben, dass sich noch etwas tut. Vielleicht nach den Landtagswahlen in Niedersachsen. Um die drohende Gasknappheit in den kommenden beiden Wintern abzuwenden, reiche das zwar nicht mehr, so Kümpel. „Aber wenn die Politik das Thema mit Nachdruck verfolgt und so wie bei den Flüssiggasterminals und dem Ausbau der Erneuerbaren aufs Tempo drückt, könnte im Winter 2024/2025 das erste heimische Schiefergas durch deutsche Gasleitungen fließen.“

Positive Auswirkungen hätte eine Überwindung des Fracking-Verbots schon früher, schätzt der Geophysiker. „Wenn Deutschland ankündigt, dass es im großen Stil in die Schiefergasförderung einsteigt, wäre das ein Entspannungssignal für den globalen Gasmarkt. Die Preise würden sinken.“

 

Dieser Text stammt aus der September-Ausgabe des Cicero, die Sie jetzt am Kiosk oder direkt bei uns kaufen können.

 

 

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