Die EU nach Corona - Europa wird zum Wurmfortsatz der Neuen Seidenstraße

Deutschland darf in der Coronakrise nicht die Fehler der Eurokrise wiederholen und Europas Süden de facto zum Ausverkauf zwingen. Dazu gehören auch Eurobonds. Die Europäische Union verliert sonst ihre strategische Souveränität. Denn China steht schon längst bereit.

Die Coronakrise könnte auch den Euro in die Zange nehmen / dpa
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Autoreninfo

Franziska Brantner ist Bundestagsabgeordnete der Grünen und Vorsitzende des Unterausschusses für zivile Krisenprävention, Konfliktbearbeitung und vernetztes Handeln.

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Italien und Spanien sind jetzt in der Coronakrise die Nachbarn in der größten Not. Deutschland hat erst nach Wochen des Zögerns sein Exportverbot für Schutzausrüstung aufgehoben. Einseitige Grenzkontrollen verursachten kilometerlange Staus und blockierten wichtige Hilfsgüter. Mittlerweile wurde viel davon wieder beseitigt und deutsche Bundesländer nehmen italienische Patienten auf. Doch Chinas medienwirksame „Hilfstour“ war schneller.

Jetzt geht es auch um die Wirtschaft, um die Unternehmen und hier vor allem die klein- und mittelständischen Unternehmen, gerade im Norden Italiens. Auch hier sind chinesische Akteure auf „Hilfstour“ für finanzschwache Unternehmen. Doch das könnte sich leicht als „Einkaufstour“ entpuppen, ähnlich wie wir es in der Finanz- und Eurokrise 2008/2009 erlebt haben.

Einfallstor für Chinas Strategie

Damals konnte sich China strategische Infrastruktur wie Häfen in Griechenland und Portugal sichern, weil die strengen Haushaltsvorgaben, unter anderem aufgrund deutscher Politik, die Länder zur Privatisierung zwangen, ohne dabei aber zugleich sicherzustellen, dass Europäische Investoren bereit stünden. Das darf sich nicht wiederholen, wenn wir unsere strategische Souveränität in dieser sich verändernden Weltlage behalten wollen. China tritt großspurig auf und versucht über strategische Beteiligungen das Marktgeschehen zu dominieren.

Diese Coronakrise droht zu einem neuen Einfallstor zu werden für Chinas Strategie der Neuen Seidenstraße. Wenn Europa nicht zum Wurmfortsatz dieser Seidenstraße werden will, sollten wir selber helfen. Europa sollte seine Unternehmen vor Bankrott und Ausverkauf schützen, ebenso wie den Zusammenhalt der Gesellschaften als Ziel haben.

Einmalige und zweckbestimmte Eurobonds

Dies erfordert massive gemeinsame Investitionen, dazu haben gerade neun europäische Regierungschefs richtigerweise einmalige und zweckbestimmte europäische Anleihen („Corona-Anhleihen“) gefordert. Dafür kann auch die Europäische Investitionsbank eine zentrale Rolle spielen und unbürokratischen Zugang zu Notfallkrediten ermöglichen. Dies muss unbedingt angestrebt werden, erfordert aber gemeinsame Antworten der Mitgliedsstaaten. In der Zwischenzeit kann und sollte Deutschland mit Hilfe seiner Förderbanken wie der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) helfen.

Die KfW hat schon in der Vergangenheit mit der italienischen Förderbank Cassa Depositi e Prestiti (CDP) kooperiert, so im Jahre 2014. Im Jahre 2016 war alles zurückgezahlt. Es ginge jetzt um ein Solidaritätsdarlehen über eine Milliarde Euro, welches die Partnerbank nutzen könnte für den ihr bekannten italienischen Markt, für die dortigen klein- und mittelständischen Unternehmen. Dafür haftet der Bund aus dem Bundeshaushalt. Das macht ökonomisch Sinn, denn die KfW kann sich dank der starken Bonität des deutschen Staates um mehr als 100-200 Basispunkte günstiger finanzieren als die CDP. Dieser Zinsvorteil käme italienischen Klein- und mittelständischen Unternehmen zusätzlich zu Gute.

Es ist entscheidend, was wir alle aus dieser Krise lernen und mitnehmen. Leben wir die viel beschworene europäische Solidarität, weil wir nur gemeinsam stark sind und nur gemeinsam die Herausforderungen bestehen können? Oder verfallen wir zurück ins nationalstaatliche Kleinklein? Eines muss uns allen klar sein: In dieser Krise brauchen wir mehr und nicht weniger Miteinander, mehr und nicht weniger Europa.

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