EU verbietet Verbrennungsmotor - Von Mao lernen

Nach dem Willen der EU-Kommission sollen vom Jahr 2035 an keine Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren mehr zugelassen werden. Das Dekret erinnert an autoritäre Regime – und richtet am Ende mehr Schaden an als es Nutzen stiftet.

Greenpeace-Aktion gegen den Verbrennungsmotor in Berlin / dpa
Anzeige

Autoreninfo

Bernd Lucke war Mitbegründer und Vorsitzender der AfD, deren marktwirtschaftlichen und liberalen Flügel er bis zu seiner Abwahl im Juli 2015 vertrat. Nach seinem Austritt aus der AfD gründete der 58 Jahre alte Wirtschaftsprofessor die Partei Alfa heute Liberal-Konservative Reformer , für die er bis 2019 im EU-Parlament saß. Lucke lehrt Makroökonomie an der Universität Hamburg.

So erreichen Sie Bernd Lucke:

Anzeige

Spatzen sind schädlich, sagte der Große Vorsitzende. Als Körnerfresser vernichteten sie einen Teil der Ernte. Um die Lebensgrundlagen der Bevölkerung zu schützen, rief Mao Zedong deshalb 1958 die „Spatzenkampagne“ aus. Zwei bis drei Milliarden Feldsperlinge wurden binnen kürzester Zeit getötet. Das Resultat: Eine Insektenplage ungeheuren Ausmaßes suchte China heim. In den Feldern gediehen die Schädlinge wie nie zuvor. Es wurde weniger geerntet, nicht mehr. Schließlich importierte China eine Viertelmillion Feldsperlinge aus der Sowjetunion.

Die Geschichte sozialistischer Staaten ist voll von Maßnahmen, die große Staatslenker zum vermeintlichen Wohl der Bevölkerung anordneten. Die Zwangskollektivierung der Landwirtschaft in der Sowjetunion, die Vernichtung der wettbewerblichen Wirtschaftsordnung durch Kombinate in der DDR, Maos „Großer Sprung nach vorn“: im günstigsten Fall Misserfolge, oft mit verheerenden Auswirkungen. Die westlichen Staaten kamen glimpflicher davon, weil wirtschaftliche und politische Macht sich nicht in einer Hand ballte. 

Diesmal alles anders?

Natürlich hat dies alles nichts mit der Entscheidung der EU-Kommission zu tun, von 2035 an den Verbrennungsmotor zu verbieten. This time is different, sagen die Verantwortlichen – und das sagen sie immer, wenn ihre Entscheidungen lieber nicht mit historischen Erfahrungen abgeglichen werden sollen. 

Also gut, dann schauen wir in die Zukunft.

Denn heute wollen wir ja nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen. Wir müssen die CO2-Emissionen reduzieren, deren ungebremster Anstieg gefährliche Auswirkungen auf das Klima und die Lebensbedingungen zukünftiger Generationen haben würde. Die Verbrennung von Benzin und Diesel setzt CO2 frei, und dies einfach in die Atmosphäre zu pusten, hat unerwünschte Klimafolgen. Dagegen muss man was tun. 

Und die Kommission tut etwas: Sie verbietet den Verbrennungsmotor. Rübe ab und fertig. Warum soll es den Motoren besser gehen als den Spatzen?

Nun ist der Verbrennungsmotor ein ungemein erfolgreiches Produkt: Er hat sich weltweit durchgesetzt, wird weltweit nachgefragt und er ist weltweit die erste Anschaffung, die Menschen machen, wenn sie es zu ein wenig Wohlstand gebracht haben. Welches andere Industrieprodukt kann von sich sagen, dass es sich über 150 Jahre hinweg vergleichbarer Verbreitung und Beliebtheit erfreut?

Weltweit ein Ausdruck des Wohlstands

Nicht nur ist der Verbrennungsmotor weltweit Ausdruck des ersten Wohlstands. Für viele Menschen ist er auch dessen Ursache. In Deutschland, England, Italien, Frankreich und den USA, später in Russland, Japan, Südkorea, Indien und China haben Millionen von Arbeitern in der Autoindustrie, im Flugzeug- und dieselgetriebenen Schienenfahrzeugbau, in den Werften, in den Zulieferbetrieben dieser Branchen, in Reparaturbetrieben und anderen produktnahen Dienstleistungen gearbeitet. Und arbeiten dort noch heute. Unmöglich abzuschätzen, welchen Wohlstand wir – weltweit! – dem Verbrennungsmotor verdanken, unmöglich abzusehen, wieviel Wohlstand wir opfern, wenn wir ihn verbieten. 

Deshalb sollten die Alarmglocken läuten, wenn staatlicherseits etwas verboten werden soll, das im Markt und bei den Menschen so außergewöhnlich erfolgreich ist. Hier schießt die EU-Kommission nicht auf Spatzen. Sie schießt auf das, was während des gesamten vergangenen Jahrhunderts tragende Säule unseres Wohlstands war: Die Motoren- und Getriebetechnik. Speziell Deutschland ist noch heute führend in diesen Technologien, und wenngleich wir uns seit langem von einer Industrie- zu einer Dienstleistungsgesellschaft wandeln, so sollte man doch die Frage aufwerfen, ob es nottut, diese Entwicklung ausgerechnet durch ein Verbot unserer wettbewerbsfähigsten, beständigsten und erfolgreichsten Industrieprodukte zu befördern. 

Sind wir wirklich gut beraten, eine unserer wenigen Schlüsselindustrien stillzulegen? Eine Industrie, die Weltruhm und weltweite Nachfrage genießt?

Nicht Verbot, sondern Klimaneutralität

Das erfordere der Klimaschutz, sagen die Klimaschützer. Aber das ist falsch. Der Klimaschutz erfordert nicht das Verbot einer Technologie, sondern er fordert die Klimaneutralität dieser Technologie. Und genau genommen noch nicht einmal das.
Wird der Verbrennungsmotor verboten, treten andere Antriebstechniken an seine Stelle. Auch diese sind nach heutigem Stand nicht CO2-neutral. Zwar bescheinigen viele Studien dem E-Auto eine deutlich günstigere CO2-Bilanz als dem Verbrenner. Aber auch das E-Auto, seine Akkus und gegebenenfalls die Stromerzeugung schaden dem Klima. 

Schon deshalb ist ein Verbot des Verbrennungsmotors ab 2035 sachlich nicht zu rechtfertigen. Zu rechtfertigen ist nur ein Gebot, dass ab 2035 die CO2-Bilanz des Verbrennungsantriebs nicht schlechter ausfallen darf als die des E-Antriebs.

Es ist noch nicht lange her, da galt als Spinner, wer Öl durch grüne Energien ersetzen und Autos batteriegetrieben fahren lassen wollte. Der technische Fortschritt aber hat die Skeptiker eines besseren belehrt. Doch offenbar nicht soweit, dass die EU-Kommission im Analogieschluss auch dem Verbrennungsmotor Verbesserungspotential einräumt.

Auf den Fortschritt kommt es an

Dabei arbeiten Wissenschaftler bereits an Technologien, die das im Verbrennungsmotor entstehende CO2 abscheiden und verpressen. Die dafür nötige Energie liefert die ansonsten ungenutzt bleibende Abwärme des Motors. Gewiss, noch ist derartige Technologie weit von der Marktreife entfernt. Aber bis 2035 könnte uns der technische Fortschritt noch manche Überraschung bescheren. Vielleicht auch einen Verbrennungsmotor, dessen CO2-Bilanz es mit dem E-Antrieb aufnehmen kann. 

CO2-Abscheidung ist wichtig, denn um die Pariser Klimaziele zu erreichen, sind negative CO2-Emissionen erforderlich. Diese können weder durch höhere Energieeffizienz noch durch eine Reduktion des Verbrauchs fossiler Energien erreicht werden. Nur die Abscheidung und Speicherung von CO2 (Carbon Capture and Storage, CCS) kann negative Emissionen bewirken. 

Würde die EU den Verbrennungsmotor nicht verbieten, sondern ihm die Verbesserung seiner CO2-Bilanz zur Auflage machen, würde sie die Forschung und Entwicklung von CCS-Technologien befördern. Bei Autos käme es zwar noch nicht zu negativen Emissionen, aber immerhin würde eine starke Industrie die Technologie erforschen, die man für negative Emissionen braucht. 

Mit dem angekündigten Aus für den Verbrennungsmotor jedoch erlischt der Forschungsanreiz. Es ist wie bei Mao: Wer die Spatzen tötet, kann nicht erwarten, dass das Ungeziefer vertilgt wird.

Doch schauen wir auch über den Tellerrand der EU hinaus: In den Entwicklungsländern fahren Millionen von Autos, Tendenz stark steigend. Es gibt Tankstellen für Benzin und Diesel, tendenziell lückenhaft. Eine Infrastruktur zum Schnelladen von Akkus ist in diesen Ländern vorerst illusorisch. Mit anderen Worten: Hier wird noch lange mit Verbrennungsmotoren gefahren. Sogar immer mehr, denn die Bevölkerung und die Pro-Kopf-Einkommen wachsen.

Andere Länder springen ein

Diese Länder haben meist keine eigenen Autoindustrien. Sie importieren die Wagen aus den Industrie- und Schwellenländern. Aber wenn die EU die Verbrennungsmotoren verbietet, wird die EU bald auch keine Verbrennungsmotoren (neu oder gebraucht) mehr exportieren. Das machen dann andere: Russland, Indien oder Brasilien. Ob diese Autos eine günstigere CO2-Bilanz haben als europäische Wagen? 

Gewiss: Heute sieht man in Entwicklungsländern mehr Neuwagen japanischer oder koreanischer Produktion als deutscher oder französischer. Aber das ist egal. Wichtig ist, dass die entwickelten Staaten darum wetteifern, gute und CO2-arme Verbrenner herzustellen und diese an die Länder verkaufen, deren Bürger noch lange mit Verbrennungsmotoren fahren werden. Je mehr Staaten sich aus diesem Wettbewerb zurückziehen, desto schlechter wird die Klimabilanz des Individualverkehrs in den Entwicklungsländern sein. 

Kurz: Dass ein Verbrennungsmotor weniger klimafreundlich ist als ein E-Antrieb, spielt für den Export keine Rolle, wenn man in den Zielländern ohnehin keine E-Autos fahren kann. Dem Klima wäre allein damit gedient, dass die für den Export bestimmten Motoren niedrigere CO2-Emissionen hätten als die der außereuropäischen Konkurrenz. Und dann sollte die EU mehr Verbrennungsmotoren exportieren, nicht weniger.

Innovationen ermutigen

Genau das könnte die EU-Kommission erreichen, wenn sie Forschung, Entwicklung und Innovationen ermutigen würde. Sprich: Wenn sie durchdachte Standards setzte, die den Klimaschutz befördern, ohne einem unserer bedeutendsten Industrieprodukte die Zukunft zu verstellen. Mit einem Verbot aber vernichtet sie unsere Technologieführerschaft, blockiert den technischen Fortschritt und überlässt die Märkte in den Entwicklungsländern kampflos den klimapolitisch weniger ambitionierten Herstellern. 

So schadet die Kommission dem Klima und untergräbt wichtige Wirtschaftszweige in Industrie und Dienstleistung, denen wir seit mehr als 100 Jahren Arbeit, Wohlstand und Stabilität verdanken. Aber in Selbstverblendung hält die Kommission das Verbot des Verbrennungsmotors wohl für einen „Großen Sprung nach vorn“. 

Es wäre gut, wenn sie von Mao lernte.

Anzeige