Versorgungslage in der Coronavirus-Krise - „Es kann kurzfristig zu Engpässen kommen“

Schon jetzt sind die Regale für bestimmte Produkte in vielen Supermärkten leer. Wird es genug Waren geben, wenn sich die Coronavirus-Krise weiter zuspitzt? Im Interview spricht Stefan Genth, der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE) über die Versorgungslage in Deutschland.

Engpässe beim Essen? / dpa
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Autoreninfo

Bastian Brauns leitete das Wirtschaftsressort „Kapital“ bei Cicero von 2017 bis 2021. Zuvor war er Wirtschaftsredakteur bei Zeit Online und bei der Stiftung Warentest. Seine journalistische Ausbildung absolvierte er an der Henri-Nannen-Schule.

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Stefan Genth ist der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE), dem Spitzenverband des deutschen Einzelhandels. 400.000 selbstständige Unternehmen mit rund drei Millionen Beschäftigten werden durch ihn vertreten.

Herr Genth, in vielen Supermärkten sind etwa die Regale mit Nudeln, Klopapier oder Desinfektionsmitteln weitgehend leer. Welche Maßnahmen treffen Supermärkte, Drogerien, Apotheken für die kommenden Wochen? Werden genügend Waren für alle Bürger vorhanden sein?
Die Versorgungslage ist bundesweit normal, obwohl in einzelnen Lebensmittelgeschäften aktuell eine höhere Nachfrage nach länger haltbaren Produkten zu verzeichnen ist. Alle Lebensmittelbestände werden im Rahmen der Belieferungen der Geschäfte immer wieder aufgefüllt. Damit die Handelsunternehmen die Ware bei erhöhter Nachfrage weiterhin möglichst rasch aus den Lagern in die Regale bringen können, haben die Bundesländer das Sonntagsfahrverbot für LKW gelockert und Ausnahmegenehmigungen für Sonntagsarbeit in Logistik und Warendistribution ermöglicht.

Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des HDE / dpa

Aber wird das auch künftige Engpässe vermeiden, insbesondere bei importierten Produkten?
Beide Maßnahmen unterstützen die Handelsunternehmen dabei, die Belieferung der Geschäfte und die Versorgung der Bevölkerung auch bei einer weiteren Ausbreitung des Coronavirus zu gewährleisten. Bei dem einen oder anderen Produkt kann es aber bei sich weiter ausdehnenden Quarantänezonen in den Lieferländern künftig auch kurzfristig zu Engpässen kommen. Grundsätzlich sind jedoch die Lieferstrukturen im Handel effizient und gut vorbereitet, so dass die Versorgung der Bevölkerung gewährleistet ist.

Welche Bereiche des Einzelhandels stehen derzeit besonders unter Druck? Was, wenn sich Geschäfte auf temporäre Schließungen einstellen müssen, wie schon in Italien oder Österreich?
Wegen der zunehmenden Ausbreitung des Coronavirus und in der Folge sinkender Kundenfrequenzen sowie schwächerer Nachfrage stehen viele Handelsunternehmen in den Innenstädten und Einkaufszentren, insbesondere mittelständische Geschäfte, unter Druck. Ausnahme sind die Anbieter von Waren des täglichen Bedarfs, wie Lebensmittelhändler und Drogerien, die eine erhöhte Nachfrage nach einzelnen Produkten feststellen. Die negativen Effekte werden nach Einschätzung der Händler deutlich zunehmen.

Es könnte wegen der Quarantäne-Situationen auch zu Personalengpässen kommen.
Derzeit ist der Handel hier gut aufgestellt. Natürlich müssen wir die aktuell volatile Lage aber immer wieder neu bewerten.

Durch welche Maßnahmen der Bundesregierung sieht sich der Einzelhandel bereits jetzt unterstützt?
Unser Verband begrüßt das Maßnahmenpaket der Bundesregierung. Es ist dringend geboten, die Unternehmen in dieser schwierigen Lage zu unterstützen. Die geplanten ausgeweiteten Liquiditätshilfen sind der richtige Ansatz. Hier gilt es sicherzustellen, dass die Mittel auch einfach und unbürokratisch in Anspruch genommen werden können. Es gilt Unternehmen schnell zu helfen, die erhebliche Umsatz- und Frequenzverluste durch das Coronavirus verzeichnen.

Fordern Sie weitere Maßnahmen?
Gegebenenfalls müssen die bestehenden Kreditprogramme auch für große Handelsunternehmen geöffnet werden. Auch hier weist das Maßnahmenpaket mit der Ankündigung zusätzlicher Sonderprogramme in die richtige Richtung. Aber auch Steuerstundungen und der Verzicht auf Vorauszahlungen können kurzfristig Liquidität schaffen. Die Kurzarbeitsregelungen sind ebenfalls enorm wichtig, da sie die Belastung der Unternehmen mit Lohnkosten kurzfristig mindern können.

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