Coronavirus - Infizierte Weltwirtschaft

Die Ausbreitung des Corona-Erregers nimmt rapide an Tempo zu, jetzt ist auch Italien massiv betroffen. Gelingt es nicht, eine Pandemie zu verhindern, droht eine weltweite Rezession – und damit eine weitere politische Destabilisierung. Besonders Deutschland wäre betroffen.

Wegen Corona-Gefahr wurde am Sonntag dieser Zug aus Italien am Brenner gestoppt / picture alliance
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Autoreninfo

Daniel Stelter ist Gründer des auf Strategie und Makroökonomie spezialisierten Diskussionsforums „Beyond the Obvious“. Zuvor war er bei der Boston Consulting Group (BCG). Zuletzt erschien sein Buch „Ein Traum von einem Land: Deutschland 2040“.

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Noch gibt es Hoffnung. Hoffnung, dass es doch noch gelingt, eine weltweite Pandemie zu verhindern. Hoffnung, dass die Maßnahmen der Regierungen ausreichen, um die weitere Ausbreitung des Virus einzudämmen. Hoffnung, dass das nahende Frühjahr dem Spuk ein Ende bereitet und wir den Sommer dazu nutzen können, um uns besser vorzubereiten.

Noch gab es Hoffnung an den Kapitalmärkten. Mit Blick auf die Sars-Epidemie von 2002 waren die Börsianer bis vergangene Woche davon überzeugt, dass es schon nicht so schlimm werden würde. Die chinesische Wirtschaft würde sich V-förmig erholen, und schon im Sommer wäre alles vergessen. Und selbst wenn es etwas länger dauert, würden die Notenbanken mit noch mehr und noch billigerem Geld die Wirtschaft und natürlich vor allem die Kapitalmärkte wieder retten. Angesichts der damit absehbaren Flut billigen Geldes gibt es aus Sicht der Börsianer nur eines: Aktien kaufen.

Schulen und Kindergärten geschlossen

Doch nun kommen Zweifel auf. Mehr als 50.000 Italiener dürfen ihre Heimatorte nicht mehr verlassen. Schulen und Kindergärten bleiben in Mailand, dem ökonomischen Herzen des Landes, geschlossen. Das Virus ist in Europa angekommen und trifft mit Italien ein Land, wo die reale Wirtschaftsleistung schon ohne Virus seit Jahren stagniert und die politische Unzufriedenheit wächst. Korea, immerhin die drittgrößte Volkswirtschaft Asiens und ein wichtiger Indikator für den Zustand der Weltwirtschaft, meldet immer mehr Fälle. Und in China wachsen nicht erst jetzt die Zweifel an den offiziellen Zahlen.

Unabhängig davon, ob es nun eine relativ harmlose Erkrankung ist, die nicht mehr Tote fordert als eine normale Grippewelle, oder doch eine Pandemie, vor der wir uns ernsthaft fürchten sollten, mehren sich die Anzeichen, dass die wirtschaftlichen Folgen erheblich sein dürften. Erheblicher, als die Finanzmärkte es erwartet haben und vor allem erheblicher, als eine ohnehin geschwächte Weltwirtschaft – ganz zu schweigen von der Eurozone – es verkraften könnte.

An den Börsen rennen alle zum Ausgang

Die Börsianer erkennen, dass billiges Geld alleine nichts nutzt, wenn die Gewinne der Unternehmen wegbrechen. Diese Erkenntnis scheint sich nun durchzusetzen. Die Hoffnung, dass es ohne Blessuren ausgeht, stirbt, und alle rennen zum Ausgang. Denn es gibt in unserer vernetzten Welt nur wenige Unternehmen, die nicht direkt oder indirekt davon betroffen sind. Gewinner gibt es natürlich auch: die Hersteller von Atemmasken und Medikamenten. Doch das rettet den Markt nicht. Denn es ist anders als 2002. Damals lag der Anteil der chinesischen Wirtschaft am Welt-Bruttoinlandsprodukt bei unter acht Prozent, heute bei fast 18 Prozent. Mehr als 50 Prozent des weltweiten Wirtschaftswachstums verdanken wir der Volksrepublik, die diesen Boom mit einer massiven Verschuldung finanziert hat. Seit Jahren versucht die politische Führung des Landes, von der Abhängigkeit immer weiter steigender Schulden loszukommen. Ohne Erfolg.

Mit der Abhängigkeit von immer mehr Schulden sind die Chinesen nicht allein. Die US-Regierung fährt zurzeit ein Defizit von rund 5 Prozent des BIP und erreicht damit eine reale Wachstumsrate der Wirtschaft von nur rund zwei Prozent. Wir haben weltweit immer mehr Schulden gemacht und immer weniger realwirtschaftlich damit bewirkt. Der Aufschwung seit der Finanzkrise ist der schwächste seit dem zweiten Weltkrieg – und dies trotz bisher unvorstellbarer Interventionen der Notenbanken.

Massiver Einbruch der japanischen Wirtschaft

Man muss es sich so vorstellen wie ein schwer beladenes Flugzeug, welches nur unter größter Mühe in der Luft gehalten werden kann. Es fliegt, aber es fliegt nicht hoch. Der kleinste externe Schock könnte zum Absturz führen, und die nächste Rezession wäre da. Kreisten die Sorgen bisher um Handelskrieg, Protektionismus und harten Brexit, haben wir nun mit dem Virus einen möglichen Auslöser für den Absturz. Noch hören wir Meldungen wie diese vom Internationalen Währungsfonds am Rande des G20 Gipfels in Riad: Wegen des Virus dürfte das globale Wirtschaftswachstum in diesem Jahr um 0,1 Prozentpunkte und das chinesische Wachstum um 0,4 Prozentpunkte geringer ausfallen, verkündete dort die Direktorin des IWF, Kristalina Georgieva. Wie realitätsfern diese Einschätzung ist, zeigt der massive Einbruch der japanischen Wirtschaft und der Rückgang des Tourismus in Frankreich um 40 Prozent.

Doch was bleibt dem IWF anderes übrig, als darauf zu hoffen, dass es noch irgendwie gutgehen wird? Die Geldpolitik ist schon jetzt voll auf Expansion, und die Schulden sind es ebenfalls. Es wird schwer, dem Flugzeug wieder Auftrieb zu verschaffen. Deutschland würde eine weitere Ausbreitung des Virus und ein Einbruch der Weltwirtschaft massiv treffen. Kein anderes Land hat sich in einem solchen Masse abhängig gemacht vom Export. Kein anderes Land ist so anfällig für die Stimmungen der Weltwirtschaft. Schon im vergangenen Jahr hat unsere Industrie unter dem Nachfragerückgang aus China und aus anderen Regionen gelitten. Nur knapp kamen wir an einer Rezession vorbei. 2020 müssen wir schon verdammtes Glück haben, damit uns das erneut gelingt. Alle Stimmungsindikatoren der Wirtschaft zeigen klar nach unten. So oder so dürfte die Wohlstandsillusion, in der wir uns in den letzten Jahren befunden haben, bitter enden und offenlegen, dass wir die guten Jahre nicht genutzt haben, um unser Land fit für die Zukunft zu machen.

Politische Spannungen werden immens zunehmen

Es ist auch kein Zufall, dass der Euro angesichts der Virus-Bedrohung seit Wochen noch schwächer notiert. Denn ohne ein wirtschaftlich starkes Deutschland wird es immer schwerer, die Währungsunion zu stabilisieren. Denn auch hier sollten wir uns von der Politik nichts vormachen lassen: Nur das billige Geld der EZB hat dem Euro bisher Zeit gekauft. Gesundet ist der Patient nicht wirklich, und die politischen Spannungen werden immens zunehmen, falls die Eurozone wieder in die Rezession fällt.
Die USA dürfte am Ende am leichtesten mit der Krise zurande kommen. Dennoch könnte die Epidemie am Ende Donald Trump die Wiederwahl kosten. Denn eine allfällige Rezession hat bisher noch immer dazu geführt, dass der Amtsinhaber seinen Job verlor.

Zum Schluss ein kurzer Ausblick auf die Zeit danach. Natürlich wird sich die Wirtschaft wieder erholen, wie immer nach solchen Krisen. Politisch könnte bis dahin einiges passieren, übrigens auch in China, wo die Autorität der Regierung unter dem Missmanagement der Situation leidet. Die Folge könnten mehr Repressalien und damit ein strukturell geringeres Wachstum in China sein. In Europa dürfte die Bereitschaft zu mehr staatlichen Schulden – auch in Deutschland – zunehmen, und man wird dazu übergehen, Geld- und Fiskalpolitik „besser zu koordinieren“, was nichts anderes bedeutet, als dass die Notenbanken die Staaten direkt finanzieren. So bekommen die Börsianer dann auf längere Sicht doch recht, und die Aktien werden wieder steigen. Nicht, weil die Wirtschaft genesen und das Flugzeug stabil eine größere Höhe erreicht hätte. Sondern nur deshalb, weil es die beste Möglichkeit sein wird, seine Ersparnisse vor Negativzinsen und Inflation zu schützen.
 

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