Corona-Forschung in Deutschland - Ein bescheidener Beitrag

An nur 65 von 3.000 Corona-Studien ist Deutschland beteiligt. Und allein 14 dieser 65 Studien wurden abgeschlossen. Ein vernichtendes Urteil für den Medizin- und Forschungsstandort Deutschland. Noch schlimmer wiegt: Zu den kontrovers diskutierten Corona-Maßnahmen gibt es keine einzige deutsche Studie.

Angela Merkel besichtigt den Wissenschaftsstandort Deutschland / dpa
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Ralf Hanselle ist stellvertretender Chefredakteur von Cicero. Im Verlag zu Klampen erschien von ihm zuletzt das Buch „Homo digitalis. Obdachlose im Cyberspace“.

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Es ist ein vernichtendes Urteil: Von den fast 3.000 randomisierten und registrierten klinischen Studien, die weltweit zur Behandlung oder Vorbeugung von Covid-19 durchgeführt wurden, wurden nur 65 Studien entweder vollständig oder zumindest teilweise in Deutschland durchgeführt. Lediglich 14 dieser insgesamt 65 Studien wurden am Ende auch abgeschlossen. Mit diesem Satz stellt ein Forscherteam unter anderem der Universität Basel, der ETH Zürich sowie der Martin-Luther-Universität Halle dem Medizin- und Forschungsstandort Deutschland ein vernichtendes Zeugnis aus.

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„Der gesamte deutsche Beitrag zum weltweiten Covid-19-Forschungsprogramm für klinische Studien war bescheiden“, heißt es in ihrer vor wenigen Tagen erstmals veröffentlichten und noch nicht peer-reviewten systematischen Analyse der klinischen Studienforschung zu Covid-19. „Wenige Studien lieferten dringend benötigte Erkenntnisse; die meisten Studien haben ihre Rekrutierungsziele nicht erreicht“ – und das, obwohl sich Deutschland bereits früh an großangelegten internationalen Studien der WHO beteiligt und das Bundesministerium für Bildung und Forschung 1,6 Milliarden Euro für Covid-19-bezogene Forschung zur Verfügung gestellt hatte.

Doch es kommt noch schlimmer: Alle 65 Studien bezogen sich ausschließlich auf Impfstoffe oder medikamentöse Therapien, so das Forscherteam um Lars Hemkens vom Department of Clinical Research des Universitätsspitals Basel und des Berlin Institute of Health. Keine der Studien, von denen elf bis dato nicht einmal gestartet sind, hat nicht-pharmazeutische Maßnahmen wie etwa Lockdowns, soziale Distanzierung oder sonstige Verhaltensmaßnahmen zum Untersuchungsobjekt gewählt. Die Dinge also, die den größten Platz in der öffentlichen Debatte einnahmen, sind somit am wenigsten erforscht worden. Auch wurden bis dato keine der Studien an den tatsächlichen oder vermeintlichen Hotspots der Pandemie durchgeführt: in Pflegeheimen, Kindergärten, Kindertagestätten oder Schulen.

Warum es diese verhängnisvollen Forschungs- und Wissenslücken in der viertgrößten Volkswirtschaft der Welt gibt, kann vermutlich mit einem schnellen Blick auf die Finanzierung der 65 Studien erklärt werden: 53 Prozent davon nämlich wurden von der pharmazeutischen Industrie finanziert, lediglich 38,5 Prozent von der öffentlichen Hand. Der Rest waren Mischfinanzierungen. 
Die deutsch-schweizerische Studie belegt somit eindrucksvoll, was auch der Medizinstatistiker Gerd Antes jüngst gegenüber dem Cicero geäußert hatte: „Die Beiträge zu notwendigen klinischen Studien aus Deutschland liegen bei nahezu null“, so der renommierte Pionier der evidenzbasierten Medizin in einem Interview  vom 3. September. Das Team um Lars Hemkens gibt Antes nun recht. Während deutsche Virologen und Epidemiologen zwar eine extreme Talkshow-Kompetenz aufweisen, scheinen sie in ihren eigentlichen Disziplinen wenig vorweisen zu können.

Die gesamte Studie lesen Sie hier.

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