Chemiekonzern BASF - Chemical Brother

Beinahe 30 Jahre hat Martin Brudermüller im größten Chemiekonzern der Welt verbracht – jetzt steht er an der Spitze der BASF. Auf ihn wartet ein historischer Deal

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Blick nach oben: BASF-Chef Martin Brudermüller strebt sonnigen Zeiten für seinen Konzern entgegen / Andreas Reeg
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Brigitte Scholtes arbeitet als freie Wirtschaftsjournalistin in Frankfurt.

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Kein Zweifel: An der Spitze des weltweit größten Chemiekonzerns steht jetzt einer, der lange darauf gewartet hat. Fast 30 Jahre ist Martin Brudermüller schon bei der BASF. „Das war ein gutes Training für diese Position“, sagt der 57 Jahre alte Manager, der sein Amt Anfang Mai angetreten hat. Während dieser Zeit hat der promovierte Chemiker viele Bereiche bei BASF durchlaufen. Dabei hatte er seine Karriere zunächst in der Forschung begonnen. Die Liebe zur Naturwissenschaft – geweckt einst vom Vater, einem Kernphysiker.

Brudermüller muss also brennen vor Energie und Tatendrang. Seit 2006 ist er im Vorstand, seit 2011 war er stellvertretender Vorstandschef. Schon damals war er im Gespräch für den heutigen Spitzenjob. Aber der Aufsichtsrat ernannte den Betriebswirt und damaligen Finanzvorstand Kurt Bock zum Chef. So waren die zurückliegenden Jahre auch ein Training in Geduld. Jetzt ist Bock vorzeitig zurückgetreten, um nach zwei Jahren „Abkühlung“ mit etwas mehr Distanz zum Unternehmen den Aufsichtsrat zu leiten. Dann wiederum wird Bocks Vorgänger Jürgen Hambrecht im Alter von 74 Jahren abtreten.

Größe Akquisition in der Unternehmensgeschichte

Die personellen Bewegungen in Vorstand und Aufsichtsrat passen zur aktuellen Lage des Konzerns. Seit zwei Jahren wandelt sich BASF, auch wenn sich der Konzern an der Welle von Großfusionen in der Branche nicht beteiligt hatte – was Investoren immer wieder heftig kritisierten. Stattdessen kauften die Ludwigshafener eher im kleineren Maßstab zu – wobei unter „kleiner“ immer noch Milliardengeschäfte zu verstehen sind: Mit Chemetall verstärkte BASF vor zwei Jahren seine Lacksparte für 2,8 Milliarden Euro. Es erwarb die Kunststoffsparte des belgischen Wettbewerbers Solvay im vergangenen September für 1,9 Milliarden Euro. Das aber sind kleine Beträge im Vergleich etwa zu der geplanten Übernahme von Monsanto durch den Leverkusener Konkurrenten Bayer für umgerechnet gut 50 Milliarden Euro.

Zu dieser vorsichtigen Strategie, die seinem Vorgänger Bock gern vorgehalten wurde, steht nach eigenen Worten aber auch Brudermüller: „Bedenken Sie, dass ich schon elf Jahre im Vorstand bin. Alles, was die BASF bisher gemacht hat, trage ich mit und habe es auch mitentschieden im Vorstandsteam“, sagt er. Das Öl- und Gasgeschäft soll mit Dea zusammengeführt und mittelfristig an die Börse gebracht werden. Diese eher zurückhaltende Strategie hat sich ausgezahlt:

Denn nun profitiert BASF von den Auflagen der Wettbewerbsbehörden für Bayer und übernimmt die Saatgutsparte der Leverkusener, zumindest wenn die Monsanto-Übernahme endgültig gelingt. Kaufpreis: 7,6 Milliarden Euro. Gemessen daran wäre das die größte Akquisition, welche BASF je getätigt hat. Brudermüller muss es nun schaffen, diese Zukäufe ins Unternehmen einzugliedern. „Diese Dimensionen kennen wir aus früheren Akquisitionen“, sagt er und erinnert an den Zukauf etwa des Schweizer Spezialchemiekonzerns Ciba oder des amerikanischen Katalysatorenherstellers Engelhard: „Wir haben ein Team, das weiß, wie das geht“, sagt er.

Mehr Tempo bei Innovationen

Aber wie lange eine solche Integration dauere, sei nicht absehbar: „Die Herzen der neuen Mitarbeiter an Bord zu holen, ein Team daraus zu bilden – das kann dauern.“ Die zu gewinnen, ist ihm wichtig: Ein Unternehmen müsse man heute mit Herz und Verstand führen. Seine emotionale Seite könnte dem gebürtigen Schwaben tatsächlich helfen – sein ostwestfälischer Vorgänger zeigte sie selten, zumindest nicht öffentlich. Strategisch aber soll sich wenig ändern. Er werde vielleicht andere Schwerpunkte setzen, habe als Chemiker auch einen anderen Blickwinkel als der Betriebswirt Bock. Brudermüller will seine Agenda bis Ende 2018 vorstellen.

Schneller und agiler soll BASF werden. Tempo will der stets braun gebrannte Manager bei Innovationen machen: „Da geht noch mehr“, sagt er, auch wenn der Konzern jetzt schon fast neun Milliarden Umsatz mit Produkten erziele, die nicht älter als fünf Jahre seien. Es gebe Leute, die glaubten, es sei schon alles erfunden, sagt Brudermüller, und das ist ihm völlig fremd: „Sie müssen dran glauben, Sie müssen begeisterungsfähig sein und auch bei einem Projekt mal ein Risiko übernehmen.“ Das gelte vor allem hinsichtlich der chinesischen Konkurrenz und des dortigen technologischen Fortschritts. Brudermüller begeisterte diese Dynamik schon zwischen 2006 und 2015, als er im Vorstand für das Asiengeschäft zuständig und Sprecher des Asien-Pazifik-Ausschusses der deutschen Wirtschaft war. Als Forschungsvorstand kehrte er nach Ludwigshafen zurück, diese Funktion will er weiter behalten. Damit wolle er nach außen wie nach innen signalisieren: BASF hat „einen begeisterten Chef, der viel Energie hat und manchmal ein bisschen ungeduldig ist“.

Dieser Text stammt aus der Juni-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder in unserem Onlineshop erhalten.
















 

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