Bundesnetzagentur-Chef Klaus Müller - Der am Gashahn dreht

Als Präsident der Bundesnetzagentur wird Klaus Müller harte Entscheidungen treffen müssen – der frühere Grünen-Politiker ist derzeit Deutschlands wichtigster Behördenchef.

Klaus Müller gehört als Chef der Bundesnetzagentur zu den derzeit wichtigsten Behördenchefs des Landes / Markus Simaitis
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Wenn er morgens aufstehe, gehe sein erster Blick aufs iPad, um die neuesten Zahlen anzusehen, sagte Klaus Müller neulich in einem Interview. Er checke Gaspreise, Speicherstände und den Wetterbericht. „Je kälter es ist, desto mehr Gas brauchen wir, auch jetzt.“ Müllers Aufgabe besteht darin, Deutschland auf die kalte Jahreszeit vorzubereiten. Sein Ziel ist, dass wir im Sommer und Herbst möglichst wenig Gas verbrauchen, damit die Speicher für den Winter gut gefüllt sind. Denn wenn während der Heizperiode das Erdgas knapp wird, muss er schwerwiegende Entscheidungen treffen: Als Präsident der Bundesnetzagentur bestimmt Müller im Notfall, welche Fabrik stillgelegt wird und welche weiterhin Gas bekommt. Das Schicksal ganzer Branchen liegt dann in seiner Hand.

Dass der 51-Jährige ein Parteibuch der Grünen besitzt und eine steile Karriere als Bundestagsabgeordneter und Landesumweltminister hinter sich hat, weckte in Industriekreisen zunächst etwas Argwohn. Wirtschaftsminister Robert Habeck, der Müller noch aus dessen Zeiten als aktiver Politiker in Schleswig-­Holstein kennt, setzte die Personalie schon in den Koalitionsverhandlungen durch. Von einer drohenden Gaskrise, weil Russland die Lieferungen einstellen könnte, war damals noch nicht die Rede. Seinen offiziellen Amtsantritt hatte Müller am 1. März. Er begann mit einer Krisensitzung. Wenige Tage zuvor war Putins Armee in die Ukraine einmarschiert, und die Gasmärkte spielten verrückt.

Vom Beginn an polarisierend

Die dem Wirtschaftsministerium unterstellte Bundesnetzagentur, die neben dem Energiemarkt auch Telekommunikation und Eisenbahn regulieren soll, wurde plötzlich zu Deutschlands wichtigster Behörde. Und ihr neuer Chef zum gefragten Gesprächspartner für Journalisten. Klaus Müller gab fortan ein Interview nach dem anderen und sagte Dinge, die manche aufschrecken ließen.

So schlug er vor, die rechtlich vorgeschriebene Mindesttemperatur in Mietwohnungen zu senken, um Heizenergie zu sparen. Das stieß bei Sozialdemokraten auf Widerspruch. Dann wies er bei einer Podiumsdiskussion darauf hin, dass das Gas vor allem im Süden der Republik knapp werden könnte, und sagte, es ändere sich auch für diejenigen etwas, die „in den letzten Jahren sehr breitbeinig und selbstbewusst aufgetreten sind, weil sie geografisch in einer sehr bevorzugten Lage gelebt haben“.

Das wiederum empfand Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder als Frontalangriff und holte zum Gegenschlag aus. „Der Chef der Bundesnetzagentur, ein Grüner, macht sich darüber lustig, dass der Süden besondere Probleme bei der Energieversorgung bekommen könnte“, wetterte Söder in der Bild am Sonntag. Die Ampelkoalition entpuppe sich immer mehr als „norddeutsches Konstrukt“.

Kein Parteisoldat

Aus der Wirtschaft selbst sind bislang kaum kritische Töne über Müller zu hören – nicht einmal aus der Chemiebranche, die unter dem Gasmangel besonders stark zu leiden hat. Das liegt einerseits wohl daran, dass er noch nicht lange genug im Amt ist, um sein Wirken zu beurteilen. Zum anderen scheint auch die anfängliche Angst unbegründet, hier sei ein grüner Ideologe in eine Schlüsselposition geraten, der seine heimliche Agenda einer Deindustrialisierung durchsetze.

Der dem Realo-Flügel zugerechnete Klaus Müller, das bestätigen Weggefährten und Beobachter, sei kein Parteisoldat, sondern agiere pragmatisch und lagerübergreifend. „Dass er ein Grüner ist, hat ihm sicher nicht geschadet. Aber ich glaube, es war nicht der Hauptgrund, weshalb er Präsident der Bundesnetzagentur wurde. Der Hauptgrund war, dass er für diesen Posten geeignet ist“, sagt Ralf Stegner. Der SPD-Politiker saß als Finanzminister mit Müller am Kabinettstisch in Kiel, bis dort nach der Landtagswahl 2005 die rot-grüne Koalition unter Heide Simonis scheiterte. 

Müllers Comeback

Klaus Müller zog sich daraufhin aus der aktiven Politik zurück. Er gab sein Landtagsmandat auf und wurde Chef der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. 2014 wechselte er an die Spitze des Bundesverbands der Verbraucherzentralen. Schlagzeilenträchtig agierte er auch dort. Nachdem es Müller gelungen war, ein neues Verbandsklagerecht durchzusetzen, nutzte er dieses sofort, um im Dieselskandal gegen Volkswagen zu klagen.

Aufgewachsen ist Müller in Wuppertal. Zum Volkswirtschaftsstudium kam er nach Kiel, arbeitete dann bei der Investitionsbank Schleswig-Holstein. 1998 wurde er in den Bundestag gewählt und war dort finanzpolitischer Sprecher der Grünen – bis er im Jahr 2000 in die Landesregierung wechselte. Er galt als ehrgeizig und zielstrebig, kokettierte selbst damit, einmal Bundesfinanzminister werden zu wollen. Sein Abschied aus der Politik überraschte daher viele. Jetzt ist er zurück – als politischer Beamter.

 

Dieser Text stammt aus der August-Ausgabe des Cicero, die Sie jetzt am Kiosk oder direkt bei uns kaufen können.

 

 

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