Unsichere Börsen wegen Trumps Corona-Infektion - „Man muss mit allem rechnen“

Die Nachricht von der Corona-Infektion Donald Trumps bringt die Börsen und damit auch die Weltwirtschaft in Schwierigkeiten. Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING, spricht im Interview über die derzeit durchgespielten Szenarien und die möglichen dramatischen Folgen.

Die New Yorker Börse / dpa
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Autoreninfo

Bastian Brauns leitete das Wirtschaftsressort „Kapital“ bei Cicero von 2017 bis 2021. Zuvor war er Wirtschaftsredakteur bei Zeit Online und bei der Stiftung Warentest. Seine journalistische Ausbildung absolvierte er an der Henri-Nannen-Schule.

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Carsten Brzeski ist seit 2013 Chefvolkswirt für Deutschland und Österreich der Direktbank ING. Er ist Experte für wirtschaftliche und politische Entwicklungen und Geldpolitik.

Herr Brzeski, ist die Bekanntgabe einer Corona-Infektion des US-Präsidenten eine börsenrelevante Nachricht?
In der jetzigen Situation ist das eine börsenrelevante Nachricht, weil die Fantasien der Marktteilnehmer in Bewegung gesetzt werden. Nämlich: Wie stark ist die Erkrankung? Es werden nun Szenarien durchgespielt. Könnte der US-Präsident am Ende sogar sterben? Was passiert dann? Müssen die Wahlen verschoben werden? Vielleicht fällt Trump auch nur für zwei Wochen aus im Wahlkampf? Diese unklare Lage verunsichert die Märkte noch mehr als es der US-Wahlkampf ohnehin schon tut.

Warum ohnehin?
Das leicht schmierige Spiel von Donald Trump rund um sein mögliches Nicht-Anerkennen des Wahlergebnisses sollte er verlieren, verursacht Angst an den Börsen. Was, wenn es keinen reibungslosen Übergang gibt? Von daher überrascht mich die Nachricht auch nicht, dass Mike Pence nicht infiziert sein soll. Das muss Sicherheit ausstrahlen für den Fall, dass der Präsident bei einer Verschlimmerung seiner Erkrankung nicht in der Lage wäre, seine Amtsgeschäfte zu führen.

Carsten Brzeski,
Chefökonom der ING

Gehört es auch zu den Börsen-Szenarien, dass hier ein Mann Corona haben soll, der das Wort der Alternative Facts mitgeprägt hat? Muss die Börse auch damit rechnen, dass es sich hierbei um Wahltaktik von Trump handelt, der zeigen will, wie easy man diese Krankheit übersteht?
Wir haben nun seit vier Jahren gesehen, dass Donald Trump eigentlich alles unkonventionell macht. Zuletzt die unkonventionelle TV-Debatte. Es kann durchaus sein, dass seine Spin-Doktoren auch zu so etwas raten. Aber natürlich muss man aufpassen. Trotz Trump ist das reale Washington noch immer nicht wie die fiktive Serie „House of Cards“. Aber: Man muss mit allem rechnen. Fakt ist, die Kurse des S&P 500 Futures, des Nasdaq 100 Futures sind extrem in den Keller gefahren heute.

Die Gesundheit des US-Präsidenten ist so etwas wie der bestgehütete Staatsschatz. Und trotzdem hat sich Donald Trump offenbar angesteckt. Kann auch dies die Wirtschaft verunsichern, weil die Nachricht zeigt, wie dieses Virus überall auftauchen kann?
Die Frage ist, wie im Weißen Haus wirklich Schutz und Sicherheit gehandhabt werden. Wenn plötzlich enge Mitarbeiter von Trump infiziert sind. Wenn er unterwegs im Wahlkampf ist. Dann schüttelt er vielleicht keine Hände. Aber er ist anders exponiert, als wenn er wirklich 24 Stunden an sieben Tagen in häuslicher Qurantäne leben würde. Aber ja, auch der US-Präsident ist nicht dagegen gewappnet, sich anzustecken.

Derzeit scheint er fit zu sein und twittert, man habe sich in den vergangenen Jahren davon überzeugen können, was er für tolle Gene hat. Ist auch das ein börsenrelevante Nachricht?
Das ist keine börsenrelevante Nachricht – dass er nach wie vor die Amtsgeschäfte ausübt allerdings schon. Allein, dass er positiv getestet wurde, heißt ja eben noch nicht, dass er automatisch schwerkrank ist.

Wer profitiert davon nun politisch?
Wenn Trump das nun in zwei Wochen gut übersteht, kann er das natürlich so hindrehen: Er hat mal wieder einen Gegner besiegt. Ganz so, als sei er damit der stärkste US-Präsident aller Zeiten und muss deshalb wiedergewählt werden.

Aber könnten die Demokraten nicht auch profitieren, wenn sie nun darauf hinweisen: Seht her, wir haben doch gesagt, wir müssen das Virus ernst nehmen?
Ob die Demokraten nun davon profitieren hängt davon ab, wen sie damit überzeugen können. Die überzeugten Trump-Wähler werden sie damit kaum erreichen. Joe Biden, der mehr oder weniger erfolgreich versucht, sich präsidial zu geben, muss außerdem extrem aufpassen, jetzt nicht den Gesundheitszustand des US-Präsidenten wahltaktisch für sich auszuschlachten.

Das Interview führte Bastian Brauns, Ressortleiter Wirtschaft bei Cicero

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