Wohin mit ihrem Geld? - Hat das Auto seinen Zenit überschritten?

Während bei Tesla zukünftige Gewinne eingepreist sind, sind es bei den traditionellen Herstellen die künftigen Belastungen. Ob beide am Ende liefern können, lässt sich jetzt schwer sagen. Doch lohnen sich Aktien der Automobilhersteller überhaupt?

Buy or Sell? Daniel Stelter schätzt im Juli Automobil-Aktien ein /picture alliance
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Autoreninfo

Daniel Stelter ist Gründer des auf Strategie und Makroökonomie spezialisierten Diskussionsforums „Beyond the Obvious“. Zuvor war er bei der Boston Consulting Group (BCG). Zuletzt erschien sein Buch „Ein Traum von einem Land: Deutschland 2040“.

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Ist es an der Zeit, doch noch bei Tesla einzusteigen, oder sollte man lieber auf die bewährten Platzhirsche setzen, die so stark im Wert gefallen sind? Eine Frage, die angesichts der Tatsache, dass Tesla an der Börse Anfang Juni mit rund 145 Milliarden Euro so viel wert war wie Volkswagen, Daimler und BMW zusammen, durchaus berechtigt ist. Immerhin produzierten die deutschen Autobauer nicht nur rund 45-mal mehr Fahrzeuge als Tesla, sie verdienten im Unterschied zu ihrem verlustträchtigen US-Rivalen auch Milliarden.

Die Börse aber blickt bekanntlich in die Zukunft. Und glaubt man den Börsianern, ist diese Zukunft für Tesla rosig und für die ehemaligen Marktführer trübe. Nur irgendwann muss auch Tesla den Marktwert mit Gewinnen rechtfertigen. Nicht morgen, nicht im nächsten Jahr, aber sicherlich am Ende des Jahrzehnts, wenn selbstfahrende Elektroautos Normalität sind. Erwirtschaften die Amerikaner dann die rund 20 Milliarden Euro Gewinn, den die deutschen Hersteller 2019 eingefahren haben, dürfte eine Bewertung von 145 Milliarden Euro kein Problem sein.

Also doch die alten Hersteller?

Es zeigt aber auch, dass es noch ein weiter Weg ist. Die Jahresproduktion muss sich vervielfachen, die Profitabilität stimmen. Wer heute kauft, verdient auf Sicht von zehn Jahren nur Geld, wenn Tesla die hohen Erwartungen übertrifft: mehr Autos, mehr Gewinn und/oder ganz neue Geschäfte, die in zehn Jahren mindestens so viel Fantasie auslösen wie der Elektropionier heute.

Also doch die alten Hersteller? Mit Verzögerung dürften sie zurückschlagen. Nach Expertenmeinung hinken sie zwar hinterher, haben aber eine Chance, den Rückstand mit Milliardeninvestitionen aufzuholen. Garantiert ist das aber nicht. Hinzu kommt das Problem, dass die Hersteller noch lange mit der alten Technologie Geld verdienen müssen, um den Umbau zu finanzieren – und das unter immer härteren CO2-Regulierungen.

Mit Blick auf den Kampf innerhalb der Industrie

Danach sitzen sie auf Maschinen und Mitarbeitern, die sie nicht mehr benötigen. Werden bei Tesla die künftigen Gewinne vorweggenommen, sind es bei den traditionellen Herstellern die künftigen Lasten. Wer heute kauft, wettet darauf, dass es schneller als erwartet gelingt, den technischen Rückstand aufzuholen, und dass der Abbau der alten Kapazitäten billiger wird als befürchtet.

Das führt zu einer weiteren Frage: Soll man überhaupt Automobilaktien halten? Auf der einen Seite den mit viel Vorschusslorbeeren versehenen Angreifer, auf der anderen die mit Umbau kämpfenden Verteidiger – beide nicht wirklich attraktiv. Blicken wir nur auf den Kampf innerhalb der Industrie, könnte man sich damit behelfen, beide zu kaufen. Den Angreifer und den Verteidiger, dem man die besten Chancen einräumt.

Was gegen Automobilwerte im Depot spricht

Dagegen sprechen die Zweifel, wie es mit der Industrie insgesamt weitergeht. Denn es ist nicht nur der technologische Wandel, der die Industrie vor Herausforderungen stellt. Mindestens ebenso schwer wiegt das veränderte Konsumentenverhalten. Die junge Generation sieht das eigene Auto immer weniger als Statussymbol – Nutzen wird wichtiger als Besitzen. Hinzu kommt die unstrittige Notwendigkeit für Ballungsräume, andere Mobilitätskonzepte zu finden, und der globale Trend zur Reduktion von Treibhausgasen.

Denn auch Elektroautos sind nicht umweltfreundlich, sie schädigen die Umwelt anders, und wenn es gut läuft, weniger. Tatsächlich könnte das Jahr 2017 in der Nachbetrachtung als jenes in die Geschichte eingehen, in dem die Industrie mit 80 Millionen produzierten Fahrzeugen den absoluten Höhepunkt erreicht hatte – Peak Auto. Schrumpfende Branchen mit Überkapazitäten machen schon unter normalen Umständen wenig Spaß. Packen wir den technologischen Wandel und den (umwelt)politischen Druck dazu, kann man eigentlich nur davon abraten, sich Automobilwerte in das Depot zu legen.
 

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