Arbeitslosigkeit steigt leicht - Vorboten der kommenden Krise

Noch ist der deutsche Arbeitsmarkt ziemlich stabil. Doch die neusten Zahlen deuten an, wohin es geht: abwärts. Die Bundesregierung muss endlich umsteuern und darf die Wirtschaftspolitik nicht den Grünen überlassen.

Die angespannte wirtschaftliche Lage schlägt allmählich auf den Arbeitsmarkt durch / dpa
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Daniel Gräber leitet das Ressort Kapital bei Cicero.

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Noch ist es ein entferntes Flackern am Horizont. Der deutsche Arbeitsmarkt trotzt bisher der heraufziehenden Wirtschaftskrise. Noch sind fehlende Fachkräfte vielmehr ein Problem als die leicht steigende Arbeitslosigkeit. Allerdings: Die am Dienstag von der Bundesagentur für Arbeit veröffentlichten Zahlen zeigen einen Trend auf, der beunruhigend ist. Vor allem, wenn man ihn mit den anderen volkswirtschaftlichen Indikatoren und den Stimmungsberichten aus Unternehmerkreisen kombiniert. Es braut sich etwas zusammen.

Im Juli nahm die Zahl der Arbeitslosen im Vergleich zum Vormonat um 62.000 auf 2,617 Millionen zu. Zwar ist ein Anstieg im Juli normal, etwa weil Ausbildungsverträge enden und Firmen während der Urlaubszeit weniger Leute einstellen. Aber der Vergleich zum Juli des Vorjahrs zeigt die negative Entwicklung: Damals waren es noch 147.000 Arbeitslose weniger. Die Arbeitslosenquote lag im Juli 2022 bei 5,4 Prozent, diesen Juli bei 5,7 Prozent.

Wirtschaftspolitik auf dem Irrweg

„Zu einem starken Einbruch ist es zum Glück bisher nicht gekommen“, sagte die frühere SPD-Politikerin Andrea Nahles, die seit einem Jahr die Bundesagentur für Arbeit führt. Die deutsche Wirtschaft sei seit drei Quartalen nicht mehr gewachsen. „Vor dem Hintergrund hält sich der Arbeitsmarkt gut.“

Das stimmt. Nur gibt es keine Garantie, dass das so bleibt. Chemieindustrie, Autohersteller, Einzelhändler: In etlichen Branchen sind die Zukunftsaussichten getrübt. Und die Bundesregierung, die den Ernst der Lage offenbar noch nicht ganz erkannt hat, lässt sich wirtschaftspolitisch weiterhin von den Ideen der Grünen treiben, wonach der Staat mit Vorschriften, Verboten und schuldenfinanzierten Milliardensubventionen die Transformation zur Klimaneutralität steuern muss. Dass das schiefgehen muss, wird von Tag zu Tag deutlicher. Aber es mangelt in der Ampelkoalition an Einsicht und dem Mut zur Umkehr.

Industrieverbände schlagen Alarm

Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft, die anfangs ganz begeistert von Robert Habeck und dessen Erzählungen waren, schlagen jetzt Alarm. „Deutschland befindet sich wirtschaftlich auf der Verliererstraße, insbesondere im internationalen Vergleich“, sagte Siegfried Russwurm der Deutschen Presse-Agentur. Den Präsidenten des Bundesverbands der Deutschen Industrie beunruhigt die Wachstumsprognose des Internationalen Währungsfonds, wonach Deutschland die einzige unter den 22 untersuchten Volkswirtschaften ist, in der das Bruttoinlandsprodukt dieses Jahr zurückgehen wird.

„Die Konjunkturindikatoren zeigen leider alle nach unten, also komplett in die falsche Richtung“, sagte Russwurm. „Das muss ein Industrie- und Exportland, wie es Deutschland ist, alarmieren.“ Und Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger mahnt: „Wir befinden uns in einer Rezession. Auch die Inflation hält sich hartnäckiger als gedacht. Wir haben mit die höchsten Energiekosten, wir haben mit die höchsten Steuern und Lohnzusatzkosten. Wir haben eine marode Infrastruktur. Diese Probleme mischen sich mit Fachkräftemangel, verschlafener Digitalisierung und der Dekarbonisierung.“

SPD und FDP müssen das Ruder herumreißen

Das sind grundlegende Probleme, die nicht allein die derzeitige Regierung zu verantworten hat, sondern auf Versäumnisse und Fehlentscheidungen der Ära Angela Merkel zurückzuführen sind. Nur hat erstens die aktuelle Kanzlerpartei SPD während des Großteils dieser Ära mitregiert und ist es zweitens Aufgabe der Ampelkoalition jetzt das Ruder herumzureißen.


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Von den Grünen wird nicht viel kommen. Sie sind zu sehr Gefangene ihrer wachstumsskeptischen Ökoideologie, die in gymnasialen Lehrerzimmern und an geisteswissenschaftlichen Fakultäten gedeiht, als dass sich dort die realpolitische Einsicht durchsetzt, ökonomischen Erfolg als Grundlage des ökologischen Umbaus zu fördern. Man versucht es eher umgekehrt: Der staatlich bis ins kleinste Details gesteuerte ökologische Umbau soll ökonomischen Erfolg bringen. So wird es zumindest verkauft. Aber wer glaubt das noch? Es bleibt Aufgabe der SPD und der FDP, einen ernsthaften Kurswechsel durchzusetzen.

Die Sorgenfalten der Andrea Nahles

Gelingt dies nicht, werden die Folgen verheerend sein. Die Unzufriedenheit und Unsicherheit der Deutschen ist jetzt schon groß, das Vertrauen in die etablierten Parteien gering. Wenn zur Inflation, Energie- und Migrationskrise noch die Angst um den Arbeitsplatz kommt, wird es politisch unruhig bis gefährlich.

Andrea Nahles’ leichte Sorgenfalten bei der Vorstellung der aktuellen Arbeitsmarktdaten sind die Vorboten der kommenden Krise.

Mit dpa-Material

  

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