Wirtschaftlicher Abstieg - Die Traumtänzer

Deutschland droht ein wirtschaftlicher Abstieg, der für ganz Europa gefährlich wird. Doch Politik und Medien diskutieren lieber darüber, wer mit wem im Gemeinderat von Bautzen abstimmen darf. Und die Regierung verlässt sich auf magisches Denken.

Magisches Denken: Wirtschaftsminister Robert Habeck bei der Inbetriebnahme eines Windparks vor Helgoland / dpa, Antje Berghäuser
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Es gibt viele Fotos von Robert Habeck, auf denen er einen Baustellenhelm trägt. 482 Treffer spuckt die Fotodatenbank der Nachrichtenagentur dpa aus, wenn man nach seinem Namen in Kombination mit dem Begriff „Helm“ sucht. Das älteste stammt von 2012. Damals war Habeck Umweltminister von Schleswig-Holstein und weihte eine neue Höchstspannungsleitung ein. Inzwischen ist er Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, reist vom Windpark zum Flüssiggasterminal und posiert dort in der Pose des behelmten Machers, der die Republik zum Wohle des Weltklimas umbaut, vor den Fernseh- und Fotokameras.

Habeck ist der erste Grüne in diesem Amt und der Erste überhaupt, der den Klimaschutz in der Ressortbezeichnung führt. Mit großen Worten, märchenhaften Erzählungen und wohlklingenden Versprechungen trat Habeck an – und mit ihm die ganze Fortschrittskoalition. „Klimaschutz sichert Freiheit, Gerechtigkeit und nachhaltigen Wohlstand. Es gilt die soziale Marktwirtschaft als eine sozial-ökologische Marktwirtschaft neu zu begründen“, schrieb der rhetorisch und schriftstellerisch talentierte Vizekanzler in den Koalitionsvertrag und ließ sich das Ministerium dazu passgenau auf den Leib schneidern.

Schockerlebnis auch für Grünen-Wähler

Vielleicht glaubte Robert Habeck wirklich daran. Vielleicht glaubt er es sogar noch heute. Dass er es ist, der eine historische Mission zu erfüllen hat, nämlich die Ökonomie mit der Ökologie zu versöhnen. Und dass Deutschland dabei der Welt ein leuchtendes Vorbild sein muss. Erschreckend ist, wie viele ihm diese Geschichte geglaubt haben. Und zwar nicht nur weltfremde Grünen-Anhänger, die im warmen Beamtenstübchen vor sich hinträumen, sondern knallharte Wirtschaftsbosse, die in der großen Transformation eine große Chance zum Geldverdienen sehen.

Inzwischen ist Ernüchterung eingekehrt. Manch Grünen-Wähler hat in seiner großzügigen Altbauwohnung oder in seinem betagteren Einfamilienhäuschen plötzlich gemerkt, dass die wohlklingenden Weltverbesserungspläne ziemlich teuer werden können, wenn sie in die Tat umgesetzt werden. Habecks Wärmepumpendurchsetzungsgesetz war auch für die eigene Klientel zuweilen ein Schock.

Erschreckende Naivität

Noch größer ist das Schockerlebnis in der Wirtschaft. Im „Elite-Panel“ des Meinungsforschungsinstituts Allensbach, das für FAZ und Capital regelmäßig deutsche Topmanager befragt, fiel Habeck seit Beginn seiner Amtszeit von sagenhaften 91 Prozent Zustimmung (Die Frage lautete: „Welchem Minister bestätigen Sie eine gute Arbeit?“) auf nur noch 24 Prozent. Ein Absturz, der nicht nur Habecks Versagen, sondern auch die politische Gutgläubigkeit, ja Naivität der deutschen Wirtschaftselite offenbart. Denn was die Grünen derzeit wirtschaftspolitisch umsetzen, ist ihr urgrünes Kernprogramm: Energie verknappen und verteuern, Industrie schrumpfen und staatlich steuern sowie den privaten Konsum einschränken.
 

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Das Gerede vom grünen Wirtschaftswunder und von nachhaltigem Wohlstand ist nur Fassade. Dahinter verbirgt sich die aus der deutschen Romantik stammende Überzeugung, dass die modernen Industriegesellschaften mit ihrem Wachstums- und Konsumrausch widernatürlich seien und die Lösung im Verzicht, der Rückbesinnung auf das Leben im Einklang mit der Natur liege. Die taz-Journalistin Ulrike Herrmann ist eine der wenigen Grünen, die offen ausspricht, dass dies das eigentliche Ziel ökologischer Wirtschaftspolitik ist. In Fernsehtalkshows ist sie ein gern gesehener Gast.

Immer mehr Alarmsignale 

Was das zu Ende gedacht wirklich bedeutet, dringt gerade erst schrittweise ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Es kommt zwar ein Alarmsignal nach dem anderen, aber in der medialen Debatte wird lieber lange und breit darüber gestritten, was Brandstiftungen auf griechischen Inseln mit dem Klimawandel zu tun haben und ob CDU-Gemeinderäte in Bautzen mal mit der AfD abstimmen dürfen. Der drohende wirtschaftliche Niedergang Deutschland, der ganz Europa mit in den Abgrund reißen kann, spielt merkwürdigerweise insbesondere in den öffentlich-rechtlichen Medien kaum eine Rolle.

Das jüngste Alarmsignal ist die am Dienstag vorgestellte Wachstumsprognose des Internationalen Währungsfonds IWF. Denn dessen beruhigende Botschaft, dass es ab kommenden Jahr mit der deutschen Wirtschaft wieder bergauf gehen werde, ist nicht viel mehr als Kaffeesatzleserei. Die Stimmung unter Unternehmern ist pessimistischer. Und das, was der IWF für dieses Jahr prognostiziert, sollte eigentlich jeden Politiker mit Verantwortungsgefühl aus seinen Tagträumen aufwachen lassen: Deutschland schrumpft demnach als einzige unter den großen Volkswirtschaften. Wir rutschen in eine Rezession, während andere Industrienationen wachsen.

Deutschland als abschreckendes Beispiel

Es ist nicht zu erkennen, dass es jemanden in der Bundesregierung gibt, der ernsthaft gegensteuern will. Denn dazu müsste die schildbürgerhafte Wahnvorstellung, das Weltklima mit irrsinnig teuren, nationalen Alleingängen beeinflussen zu können, überwunden werden. Das ist magisches Denken. Nach dem Motto: Wenn wir nur fest genug daran glauben, wird es Realität. Aber das wird nicht funktionieren. Zumal dann nicht, wenn wir dem Rest der Welt kein Vorbild, sondern abschreckendes Beispiel sind. Und dann bräuchte es eine gezielte Standortpolitik, die in Bildung und Infrastruktur investiert, aber die Bürger und Unternehmen eigenverantwortlich wirtschaften lässt. Dazu zählt auch, dass Bürokratie und Wohlfahrtsstaat zurückgestutzt werden müssen.

Das wird mit dem derzeit amtierenden Bundeskanzler und seiner SPD kaum zu machen sein. Und mit den Grünen sowieso nicht. Also bleibt Robert Habeck der Wirtschaftsminister mit dem Helm statt der Zigarre. Ist vielleicht ganz praktisch. Denn selbst wenn es bald nicht mehr viel zu eröffnen gibt, schützt so ein Helm auch bei Abbrucharbeiten.

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