Globaler Kampf um 5G und Huawei - Völker, stört die Signale!

Im Schatten der Corona-Pandemie schwelt ein weltweiter geopolitischer Konflikt um 5 G und chinesische Anbieter wie Huawei. Nicht weniger als unsere Sicherheit steht dabei auf dem Spiel, aber auch die wirtschaftliche Macht des Westens.

Der Westen betrachtet asiatische Technik schon lange skeptisch / dpa
Anzeige

Autoreninfo

Bastian Brauns leitete das Wirtschaftsressort „Kapital“ bei Cicero von 2017 bis 2021. Zuvor war er Wirtschaftsredakteur bei Zeit Online und bei der Stiftung Warentest. Seine journalistische Ausbildung absolvierte er an der Henri-Nannen-Schule.

So erreichen Sie Bastian Brauns:

Anzeige

Japanische Radios waren ihr Anschlagsziel, als einige Kongressmitglieder sich am 1. Juli 1987 auf dem Capitol Hill in Washington, D. C. eingefunden hatten. Eiserne Vorschlag­hammer hielten die Politiker in ihren Händen und schlugen auf einen neuen RT-6016, einen schicken Kassettenrekorder der Marke Toshiba, ein. Die Reste der zerschmetterten Elektronik kippten sie in eine bereitgestellte Mülltonne aus Metall. 

Was war der Grund für die zur Schau gestellte Zerstörungswut auf Toshiba? Mitten im Kalten Krieg wollten viele US-Politiker den japanischen Technologiekonzern mit einem umfassenden Importstopp belegen. Toshiba hatte ab 1981 technische Komponenten an den Klassenfeind, die Sowjetunion, verkauft, darunter spezielle Propeller, welche die U-Boote der UdSSR leiser fahren ließen und somit für die Amerikaner schwerer aufspürbar machten. Auch das norwegische Unternehmen Kongsberg war damals in den sogenannten Toshiba-Kongsberg-Fall verwickelt.

Die geopolitischen Spannungen zwischen den Verbündeten waren so schwerwiegend, dass Japans damaliger Premierminister Yasuhiro Nakasone den Toshiba-Konzern öffentlich des Landesverrats bezichtigte und eilig bessere Exportkontrollen versprach. Der CEO von Toshiba, Sugiichiro Watari, und weitere Führungskräfte mussten zurücktreten. Das Image eines der damals weltweit führenden Speicherchip-Hersteller und Laptop-Anbieter litt empfindlich, besonders im Westen.

„Neuer Kalter Krieg“

Der Westen betrachtet Technik aus Asien
schon lange skeptisch / dpa

Fotos aus diesen Tagen zeigen, dass unter den Radiozerstörern auf dem Capitol Hill auch David Keene war. Er war damals Vorsitzender der American Conservative Union, einer politischen US-Lobbyorganisation. Später wurde er Präsident der National Rifle Association (NRA). Heute schwingt Keene keinen Hammer mehr, sondern die Feder. Als regelmäßiger Kolumnist für die Washing­ton Times, einer 1982 gegründeten konservativen Alternative zur Washington Post, warnte Keene zuletzt vor dem „neuen Kalten Krieg“ mit China und dessen drohender Dominanz als militärische und wirtschaftliche Supermacht. Seinem Sujet ist er treu geblieben: der Angst vor dem Klassenfeind.

Geschichte wiederholt sich nicht. Aber rund 40 Jahre später haben die USA mit China einen neuen erbitterten Systemgegner. Und wieder gehen sie auch gegen Technologiekonzerne vor und üben Druck auf ihre Verbündeten aus. Die Maßnahmen sind härter als ein Vorschlaghammer. Sie treffen chinesische Firmen wie ZTE und ganz besonders Huawei, den heute weltweit führenden Anbieter von Komponenten und Patenten des künftigen neuen Mobilfunkstandards 5 G. Und anders als in den achtziger Jahren sind die damit einhergehenden geopolitischen, sicherheitspolitischen und wirtschaftspolitischen Konflikte in einer durchglobalisierten Welt unübersichtlicher und heikler als je zuvor.

Mittendrin steckt Deutschland und mit ihm die bislang nicht einheitlich agierenden Staaten der Europäischen Union – gefangen zwischen ihrem strategischen Nato-Bündnispartner USA und dem unverzichtbaren Wirtschaftspartner China. Es geht heute nicht mehr um die Gefahren leiserer U-Boote. Es geht um mögliche unsichtbare Datenabflüsse, um digitale Technologie, deren Verfügbarkeit überlebenswichtig wird, die aber durch eine zu starke Abhängigkeit von China zugleich bedroht sein könnte. Es geht um Angst vor Spionage und Sabotage – und um nicht weniger als um die Vorherrschaft der westlichen Wirtschaft sowie um die Zukunft des westlichen Gesellschaftsmodells.

%paywall%

Trumps Sanktionen

Von diesem immer härter geführten politischen Kampf und den daraus entstehenden Schwierigkeiten will man sich bei Huawei zumindest vordergründig nichts anmerken lassen. Und dennoch: Als der Huawei-­Gründer und amtierende CEO, Ren Zhengfei, Anfang Februar zum ersten Mal seit einem Jahr überhaupt wieder ein offizielles Pressegespräch zuließ, konnte man kaum überhören, wie hart der Konzern getroffen sein muss von den weitreichenden US-Sanktionen und -Restriktionen, die Donald Trump per Executive Order 2019 erlassen hatte und die bis heute andauern. Ren beantwortete Fragen von internationalen Journalisten im Rahmen der Eröffnung eines Innovationszentrums für Bergwerke in der chinesischen Stadt Taiyuan.

Was Ren sich von Joe Biden als neuem US-Präsidenten verspreche? „Ich hoffe, dass die neue US-Regierung eine offenere Politik entwickeln wird, die im Interesse der US-Unternehmen und der US-Wirtschaft insgesamt liegt“, sagte der inzwischen 76-Jährige, dessen älteste Tochter Meng Wanzhou in Kanada nach wie vor eine Auslieferung wegen Bankenbetrugs an die USA fürchten muss. Seine Firma habe gar nicht die Energie, sich in diesen politischen Strudel hineinziehen zu lassen, man sei schließlich mit Innovationen beschäftigt, sagte Ren. Er würde sich freuen, wenn Biden sich bei ihm meldete und sei bereit für umfassenden Technologietransfer. Was in Bidens erster außenpolitischer Rede im Februar rhetorisch immerhin auffiel: China streifte er nur knapp. Die Volksrepublik kam besser weg als Russland, welches Biden stattdessen als Exempel für die autoritäre Herausforderung an die westliche Welt hervorhob. 

Wenig Änderung unter Biden

Mag Biden im Ton gemäßigter auftreten als sein Vorgänger, den eingeschlagenen Konfrontationskurs dürfte auch er vorerst kaum verlassen. Die künftige US-Handelsministerin Gina Raimondo erklärte im Rahmen ihrer Berufung bei einer Anhörung im Senat kürzlich, sie sehe derzeit keinen Grund, dass die Listen für Handelsbeschränkungen geändert werden sollten. Chinesische Technologiekonzerne wie ZTE und Huawei dürfen in den USA also auch weiterhin weder Produkte verkaufen noch mit US-Firmen wie Google zusammenarbeiten. Sprich, weder das Android-Betriebssystem noch Google-Apps wie Youtube oder Gmail dürfen auf Huawei-Geräten installiert werden.

Die Umsatzeinbußen sind außerhalb des chinesischen Marktes deshalb besonders heftig. Weil seine Huawei-Produkte aber von hoher Qualität seien, sagte Ren weiter, würden durchaus einige Kunden auf der ganzen Welt bleiben. „Wir haben es geschafft, dieses schwierige Jahr 2020 zu überstehen.“ Zu den Kunden, die bislang geblieben sind, gehört nach wie vor auch Deutschland. Huawei-Technik wird hierzulande weiterhin verbaut, etwa in immer mehr neuen 5 G-Masten von Vodafone und Telekom. Lokalzeitungen berichten darüber von Rendsburg-Eckernförde, über Osnabrück und Göttingen, von Herne über das Vogtland bis nach Augsburg. Überallhin soll sich das 5 G-Netz erstrecken, und so werden derzeit täglich technische und im Zweifel auch teure Fakten geschaffen. Denn sollte die deutsche Regierung Huawei nach Verabschiedung des neuen IT-Sicherheitsgesetzes doch noch ausschließen, droht ein Rückbau, der Milliardenkosten verursachen könnte. 

5G-Hersteller wechseln?

Auf dieses Ergebnis kommt man zumindest im Leipziger Stadtteil Connewitz. Hier befindet sich die private, von der Telekom getragene Hochschule für Telekommunikation. Schon 2019 beeilte man sich, eine wissenschaftliche Analyse zu veröffentlichen, die von der Politik auch zur Kenntnis genommen wurde. Auslöser war offenbar der Grünen-Co-Vorsitzende und mögliche Kanzlerkandidat Robert Habeck. Dieser hatte in einem Interview mit der Welt am Sonntag gesagt: „Wir sollten da dem Beispiel der australischen Regierung folgen; sie hat Huawei nicht zugelassen. Nokia und Ericsson sollten das machen.“

Da Habecks Meinung nicht nur in der Opposition, sondern längst auch in der Regierung vertreten wird, wollten die Leipziger Analysten die Folgen einer solchen Forderung aufzeigen. Die 5 G-Technologie sei eine Weiterentwicklung des derzeitigen Standards 4 G, schrieben sie. Aus diesem Grund könne die bestehende Infrastruktur weiter genutzt werden, die allerdings größtenteils schon aus Huawei-­Komponenten bestehe. „Aus diesem Grund ist ein Herstellerwechsel kaum sinnvoll. Dieser Prozess wäre zeit- und kostenintensiv“, so die Autoren. Auch garantiere ein Wechsel zu anderen Herstellern keine höhere Sicherheit. Auch Unternehmen wie die US-Firma Cisco könnten „unentdeckte Sicherheitslücken in Form von Backdoors“ in ihre Hard- und Software einbauen. 

Und dann die wohl wirtschaftlich entscheidenden Argumente: Huawei sei Innovationsführer für 5 G. „Ein möglicher Herstellerwechsel würde zu einem technischen Rückstand führen.“ Die eigene Herstellung der 5 G-Komponenten sei eine nicht zielführende Entscheidung, „denn in Deutschland fehlt das nötige Know-how, um die erforderliche 5 G-Technik zu produzieren“. Der gangbarste Weg sei deshalb eine Diversifizierung der Anbieter.

Angewiesen auf 5G

Ein Rückbau der Huawei-Komponenten würde einen Rückschlag im globalen 5 G-Rennen bedeuten, den sich Deutschland und seine Industrien nicht leisten wollen. Nachdem US-amerikanische und chinesische Unternehmen die erste große Welle des Internetzeitalters dominiert haben, sehnen insbesondere deutsche und europäische Firmen das Zeitalter der Industrie 4.0 herbei, für das die 5 G-Technologie mit derem möglichen Versenden riesiger Datenmengen in Echtzeit unerlässlich ist. Nicht noch einmal will man den Sprung auf den Zug verpassen, wenn es darum geht, Standards zu setzen und sich so Marktanteile und Gewinne zu sichern. Für die Industrie ist deshalb Tempo für den Ausbau von 5 G so entscheidend und jede Verzögerung gefährlich.

Der Stuttgarter Automobilzulieferer Bosch etwa sieht die 5 G-Technologie als „zwingende Voraussetzung für die Fabrik der Zukunft“. Mit der zunehmenden Vernetzung werde 5 G zum Wettbewerbsfaktor. „Wer nicht frühzeitig umsteigt, wird abgehängt“, heißt es auf der Firmenwebseite.

Das Tempo aber legt längst der Wirtschaftsriese aus Fernost vor. Bald werden eine Million 5 G-Masten in China verbaut sein. Schon Mitte 2020 waren 50 Städte mit dem neuen superschnellen Mobilfunkstandard versorgt. Selbst entlang der Aufstiegsroute zum Mount Everest in Nepal ließ China öffentlichkeitswirksam 5 G-Sendemasten installieren und 25 Kilometer Glasfaserkabel verlegen. Chinas Anspruch als globale Hightechnation ist sichtbar auf dem höchsten Berg der Welt.

Ein zweischneidiges Schwert

Vermessen werden können aber nicht nur Berge, sondern auch Gesichter. Dass mithilfe von Huawei-Technik zur „Facial Recognition“ auch ein sogenannter „Uiguren-Alarm“ getestet worden sei, davon berichtete im Dezember 2020 die Washington Post. Der Konzern gab an, künftig besser darauf zu achten, wo und wie seine Technik angewandt werde. Die New York Times berichtete im Januar über Auffälligkeiten bei diversen Twitter-­Accounts, die mit täuschend echten, aber künstlich erzeugten Gesichtern als Profilbilder ausgestattet waren. Diese Profile verbreiteten einen von Huawei gesponserten Artikel. Führungskräfte des Konzerns mit Hunderttausenden Followern wiederum teilten diese Beiträge der Fake-Accounts. Huawei versprach eine interne Überprüfung.

In PR-Videos wirbt Huawei derweil für den zivilen Nutzen seiner Technologien. In einem Kurzfilm etwa freut sich „Mr. Wang“, ein Minenarbeiter und Familienvater, darüber, nicht mehr durch herabstürzende Gesteinsbrocken tödlich verunfallen zu können. Denn dank kleiner weißer Boxen mit 5 G-Technik von Huawei, die in den Führerhäuschen von Baggern, Lastwagen oder Kränen in der Mine verbaut wurden, kann Mr. Wang sie nun von einem sicheren Büro aus fernsteuern, wo jetzt nur noch eine mögliche Erkältung durch die Klimaanlage droht.

Unbegrenzte Möglichkeiten

Was auch ein Fortschritt für sicherere Arbeitsplätze sein mag, bedeutet groß und in die nahe Zukunft gedacht auch nie da gewesene Effizienzen für Industrien auf der ganzen Welt – gerade auch in Deutschland, wo Huawei der Stadt Duisburg dabei hilft, eine Smart City zu werden. Angefangen bei der Logistik in Häfen und Flughäfen, wo Containerschiffe und Flugzeuge 5 G-vernetzt schneller, sicherer und mit deutlich weniger Personalaufwand abgefertigt und gewartet werden können, sind die Anwendungsmöglichkeiten im Zeitalter des Internet of Things unbegrenzt. Experten sprechen schon jetzt vom Internet of Everything. Die Chinesen schossen kürzlich als erste Nation einen Satelliten ins All für den noch schnelleren 6 G-Standard.

Doch die umfassende Vernetzung bedeutet auch mögliche Verletzung. Die Gefahren von Spionage und Sabotage sind unbestritten. Auch wenn Huawei-Chef Ren den technologischen Vergleich selbst ungern gebraucht – in einem Interview mit dem Handelsblatt und der Wirtschaftswoche sagte er 2019, aus Sicht der USA wäre 5 G eine Art Atombombe. Was natürlich nicht stimme.

Auch zum Schlechten

Mit dem roten Knopf des Internetzeitalters aber könnte bei geopolitischen Konflikten die Infrastruktur des Gegners tatsächlich empfindlich getroffen werden – Verkehr, Wasserversorgung, Krankenhäuser oder Industrien. Positiv gewendet, könnte ein so allgegenwärtiges Katastrophenszenario zwar auch zu friedlicher Koexistenz führen. Doch so einfach wie der Abschuss einer Rakete ist die Nachverfolgung digitaler Spionage und Sabotage nicht. Schon vor 5 G stieg die Anzahl der Cyberangriffe immer weiter. Das Ende 2020 vom Bundeskriminalamt (BKA) veröffentlichte „Bundeslagebild Cybercrime“ erreichte mit mehr als 100.000 registrierten Fällen einen neuen Höchststand, Tendenz weiter steigend. Die Wirtschaftsprüfer von KPMG schreiben in ihrer „e-Crime“-Studie von 2019, 39 Prozent der Unternehmen in Deutschland seien in den vergangenen zwei Jahren von Cybercrime betroffen gewesen. Schwierig ist insbesondere die Identifikation der Täter. Meist melden betroffene Firmen einen Angriff bei den Behörden, müssen versprechen, möglichst nicht darüber öffentlich zu sprechen, und hören dann nie wieder etwas. Auch das ist ein Grund, weshalb immer mehr Unternehmen nach privaten Nachrichtendiensten suchen. 

Eine „Smoking Gun“, also einen eindeutigen Nachweis für Spionage oder Sabotage durch Huawei beziehungsweise durch den chinesischen Staat gibt es nicht. Das Argument des chinesischen Konzerns klingt auch einleuchtend, wenn mitgeteilt wird, dass Huawei doch auf einen Schlag seine Kunden auf der ganzen Welt verlieren würde, wenn solche Vorfälle bekannt würden. Schon deshalb seien die Vorwürfe und Ängste absurd. Doch es geht um die schiere Möglichkeit.

Wie konnte die USA 5G verschlafen?

Warum die USA ausgerechnet die Entwicklung der 5 G-Technologie verschlafen haben, darüber gibt es unterschiedliche Analysen. Eine lautet: Die viel zu geringen Margen des Infrastrukturgeschäfts haben Firmen wie Cisco davon abgehalten, die europäischen Firmen Nokia oder Ericsson zu übernehmen. Der Financial Times sagte Cisco-Chef Chuck Robbins noch vor einem Jahr: „Wenn man sich die wirtschaftlichen Aspekte dieses speziellen Geschäfts anschaut, dann ist es nicht die Art und Weise, wie wir unser Geschäft betreiben.“

Ein anderer Grund reicht zurück in die Jahre der Obama-Regierung. Aus einer 2019 veröffentlichten Studie des Defense Innovation Board zu Risiken und Chancen im 5 G-Ökosystem geht hervor, dass die Obama-Administration sich 2015 gegen den Vorschlag ausgesprochen hatte, den Frequenzbereich des sogenannten C-Bandes für die 5 G-Nutzung neu zu klassifizieren. Die Nutzung dieses Frequenzbereichs sollte dem US-Militär vorbehalten bleiben. Dabei hätte dies, so die Autoren, „den Weg für eine globale Standardisierung dieses Spektrums für 5 G-Mobilitätsdienste geebnet“. Selbst dann würde es aber „einige Zeit dauern, bis vorhandene Benutzer vollständig aus dem C-Band entfernt werden könnten“. Erst 2020 gab das US-Militär unter Donald Trump den Frequenzbereich frei. 

Amerikanischer Druck auf westliche Partner

Und so versuchen die USA zu bremsen, wo sie können, um aufzuholen. Und sie machen Druck auf ihre Verbündeten – durchaus mit Erfolg. Neben den USA schließt auch Großbritannien Huawei aus; ab September 2021 dürfen keine Komponenten des chinesischen Konzerns mehr beim 5 G-Ausbau verwendet werden. Anfang Februar dieses Jahres hat auch der französische Verfassungsrat die geplanten, strengen Auflagen für Huawei gebilligt. Das „Anti-Huawei-Gesetz“ sei mit der französischen Verfassung vereinbar. Schweden schließt Huawei ebenfalls aus, ausgerechnet zum Leidwesen von Ericsson, dessen Chinageschäft nun empfindlich bedroht ist. Wohl deshalb musste CEO Börje Ekholm die Entscheidung öffentlich kritisieren.

In Südosteuropa haben derweil US-Botschaften in fast allen Ländern Aufrufe auf ihren Webseiten veröffentlicht, die für einen Ausschluss chinesischer Hersteller werben. Neuseeland und Australien befinden sich wegen ihres Huawei-Banns inzwischen in einem handfesten Handelskrieg mit den Chinesen. Als Retourkutsche erhebt die Volksrepublik hohe Zölle auf australische Gerste, auf Rindfleisch, Kohle und auf Wein. Am schwersten wiegen aber dürfte für Huawei, dass der weltweit größte Chiphersteller TSMC aus Taiwan seit September 2020 keine Chips mehr an chinesische Firmen liefert. Es ist die US-Strategie der „Entkopplung“ – und sie schreitet voran. 

Globale Anti-China-Allianz

Die globale Anti-China-Allianz wächst und strotzt vor Symbolik. So wurde am 4. Juni 2020, dem Jahrestag des Tiananmen-Massakers von 1989, die Inter-Parliamentary Alliance on China (IPAC) gegründet. Mehr als 200 Parlamentarier aus 19 Staaten haben sich darin zusammengeschlossen. Kürzlich starteten sie eine globale Unterstützungskampagne für die australische Weinindustrie. Taiwans Außenministerium twitterte dazu ein Foto, das australische Weinflaschen zeigte, zusammen mit dem Satz: „We stand in solidarity with Australia by serving #FreedomWine.“

 

 

Parallel versuchten die USA unter Donald Trump, The Clean Network aufzubauen. Ein Bündnis demokratischer Staaten und Unternehmen, um „der Bedrohung des Datenschutzes, der Sicherheit, der Menschenrechte und der prinzipiellen Zusammenarbeit autoritärer bösartiger Akteure für die freie Welt“ zu begegnen. Mehr als 50 Nationen und 180 Telekommunikationsunternehmen sollen sich den Grundsätzen des Clean Network verpflichtet haben, darunter Japan, Israel, Australien, Singapur, Taiwan, Kanada, Vietnam, Indien und Neuseeland – aber auch 27 der 30 Nato-Mitgliedstaaten und 26 der 27 EU-Mitgliedsländer. Auffällig: Deutschland fehlte bislang. 

Unter Joe Biden ging die Webseite der Initiative Mitte Februar plötzlich offline und wurde ins Archiv des Außenministeriums verschoben. Ein Zeichen für neue Annäherungen?

Deutschlands Position ungewiss

Im geopolitischen Streit geht es nicht nur um die USA. Der Europaabgeordnete der Grünen, Reinhard Bütikofer, fordert im Gespräch mit Cicero, dass „Deutschland und die EU im eigenen Sicherheitsinteresse auf Huawei-Komponenten verzichten“. Wenn Frankreich, Schweden und Großbritannien das schafften, dann auch Deutschland, so Bütikofer. Die China-­Exportquote Australiens liege über der deutschen, trotzdem gehe es bei 5 G einen von China unabhängigen Weg. Ein Verweis auf Exportsorgen sei „kein gutes Argument für strategisches Einknicken“. Der digitalpolitische Sprecher der FDP, Manuel Höferlin, fordert, die Regierung müsse Huawei zwingen, seine 5 G-Komponenten in Lizenz von Ericsson und Nokia produzieren zu lassen.

SPD und Union wollen noch in dieser Legislatur ihre Novelle des IT-Sicherheitsgesetzes verabschieden. Ein strenges Zugangsverfahren für Firmen wie Huawei ist darin formuliert, einen klaren Ausschluss stellt es nicht dar. Die Interessen der beteiligten Ministerien dürften einander im Weg stehen. Nach Cicero-­Informationen drängt das SPD-geführte Auswärtige Amt auf einen Ausschluss. Dem Wirtschaftsministerium und dem Kanzleramt hingegen liegen die ungeduldige deutsche Industrie und die Telekommunikationsanbieter in den Ohren, weil diese bereits Milliarden für die 5 G-Lizenzen ausgegeben haben. Wörtlich steht es nicht im Gesetz, aber entscheidend dürften schließlich die Erkenntnisse der Geheimdienste sein und ob auf diese gehört wird. Eine brisante Angelegenheit, auch für die nächste Bundesregierung.

Ob ausgerechnet die SPD dieser noch angehören wird, ist offen. Dabei gibt sich die Partei mit ihrem Kanzlerkandidaten Olaf Scholz erkennbar Mühe, digital auf der Höhe der Zeit zu erscheinen. Der neue Slogan der Partei lautet: „Zukunft für Dich. Sozial. Digital. Klimaneutral.“ Bei der Vorstellung im Februar sprach Scholz von der „digitalen Souveränität“, die Deutschland erlangen müsse. Was aber heißt das in dieser vernetzten Welt?
 

Dieser Text stammt aus der März-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder direkt bei uns portofrei kaufen können.

 

Jetzt Ausgabe kaufen

 

Anzeige