Wie vom Wienerwald - Bei diesem Backhendl schmecken Sie den Unterschied

Neulich sah unser Genusskolumnist im Fernsehen eine Doku über Berlin in den 1960er Jahren. Da tauchte auch die inzwischen fast verschwundene Restaurantkette „Wienerwald“ auf. Für ihn ein Grund, sich nostalgisch an die Zubereitung eines Wiener Backhendls zu machen.

Unser Geschmackspolizist bevorzugt Backhendl aus dem Ofen / dpa
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Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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Aus meiner Kindheit sind mit nur zwei Werbeslogans nachhaltig in Erinnerung geblieben. Neben dem HB-Männchen („wer wird denn gleicht in die Luft gehen? Greife lieber zur HB“) war das vor allem die Botschaft einer zeitweilig sehr erfolgreichen Restaurantkette („Heute bleibt die Küche kalt, wir gehen in den Wienerwald“.) Auch in Berlin hatte das vom Gastronomie- und Tourismusmogul Friedrich Jahn in den 1950er Jahren gegründete Unternehmen etliche Filialen, einheitlich in rustikalem Ambiente gehalten. Eigentlich war der Wienerwald bereits eine Vorform des systemgastromischen Fastfoods, aber irgendwie war es dann doch etwas Besonderes, wenn man dort mit der Familie einkehrte, und ein herrlich duftendes, knuspriges Backhendl zu sich nahm.  

Hühnerfleisch schmeckt eigentlich fade

Doch das ist längst Geschichte. Nach einer Kette von Insolvenzen und Skandalen ist vom Wienerwald nur noch ein Torso übrig geblieben und gegrillte Hähnchen gibt es mittlerweile an jeder Ecke. Periodisch kommt Hühnerfleisch auch immer wieder ins Gerede, vor allem durch grauenvolle Aufzuchtbedingungen und hohe Antibiotikarückstände. Dennoch ist Hühnerfleisch in Deutschland nach wie vor sehr beliebt. Der Pro-Kopf-Verbrauch erreichte 2020 mit 15,5 Kilo einen neuen Höchststand.

Für sich genommen ist das keine Delikatesse. Denn das Fleisch schmeckt eher neutral, fast geschmacklos. Zwar gibt es beträchtliche Unterschiede, und ein mit Mais gefüttertes, frisches Freilandhuhn hat mit Sicherheit mehr zu bieten, als ein schockgefrosteter Gummiadler aus Massentierhaltung. Dennoch bleiben eine Marinade beziehungsweise eine präzise Würzung und Zubereitung der Schlüssel für ein umfassend befriedigendes Geschmackserlebnis. Und das bekommt man bei „Otto‘s Hähnchen-Grill“ oder „Mannis Brutzel-Bude“ eher nicht geboten.  

Globale Rezeptvielfalt

Da Hühner bekanntlich nicht nur in Deutschland und den meisten Nachbarländern, sondern in fast allen Teilen Welt auf dem Speiseplan stehen, gibt es unzählige Rezepte. Beim indischen Tandoori-Huhn kommen in der Marinade unter anderem Joghurt,  Koriandersamen, Kreuzkümmelsamen und Kurkuma zum Einsatz. In Mexiko dürfen Limette und Cayennepfeffer nicht fehlen. Und einer der ganz großen Klassiker ist natürlich Coq au Vin, wo das Huhn mit Wein in Wurzelgemüse geschmort wird.

Aber wir wollen uns heute ja mal wehmütig an die guten, alten Wienerwald-Zeiten erinnern und versuchen, möglichst nah am Original zu bleiben. Wobei ich ehrlicherweise zugeben muss, dass ich beim besten Willen nicht mehr weiß, wie die damals ihre Backhendl zubereitet haben. Aber irgendwie wird es wohl am Wiener Backhendl angelehnt gewesen sein. Und das machen wir jetzt.

Ähnlich wie beim Wiener Schnitzel

Ich bevorzuge dabei allerdings den Ofen gegenüber der Pfanne, und hoffe, dass ich deswegen keinen Ärger mit meinen Vorgesetzten bei der Geschmackspolizei bekomme. Das Huhn wird sauber abgespült, abgetrocknet und in mindestens vier Teile zerteilt. Dürfen (je nach Größe) auch mehr sein. Alle Teile mit Zitronensaft, Salz und Pfeffer einreiben. Erst in Mehl wälzen, dann in aufgeschlagenen Eiern und zum Schluss gründlich durch das Paniermehl. Das erinnert Sie an was? Richtig, beim Wiener Schnitzel wird ähnlich vorgegangen. 

Den Backofen haben wir auf 200 Grad vorgeheizt und reichlich Butterschmalz auf dem Herd in der Backform geschmolzen. Die Teile in der Form verteilen, in den Ofen schieben, auch oben mit dem Fett begießen und 20 Minuten backen. Dann wenden, erneut begießen und nochmals 20 Minuten backen. Aus dem Ofen holen, auf Küchenkrepp etwas entfetten und mit Petersilienkartoffeln oder Kartoffelsalat servieren. Dazu einen trockenen Veltliner. Das erinnert dann bestimmt an die alten Wienerwald-Besuche mit der Familie. Obwohl ich da ganz bestimmt keinen Wein trinken durfte.

Wiener Backhendl

Zutaten für 4 Portionen

1 Poulade oder 2 kleine Hähnchen (aus Freilandhaltung)
3-4 Eier
1 Zitrone
150 gr Mehl
250g Semmelbrösel
Butterschmalz, Salz, Pfeffer

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