Werbung für Alkohol - „Hopfen und Malz erleichtern die Balz“

Ist es rechtlich erlaubt, Alkoholgenuss mit Lebensgenuss gleichzusetzen? Nein, findet der Deutschen Werberat. Mit seiner Beschwerde an eine bayerische Brauerei hat er einen trotzigen Shitstorm hervorgerufen. Der Konflikt zwischen Progessiven und Traditionalisten treibt immer merkwürdigere (Schaum-)blüten

Unbeschwert dank Weißbier: Brauer Dietrich Sailer (rechts) zeigt, was er von der Beschwerde des Werberats hält / picture alliance
Anzeige

Autoreninfo

Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

So erreichen Sie Alexander Grau:

Anzeige

Traunstein ist ein malerischer Flecken. Anmutig gelegen zwischen Chiemsee und Waginger See schaut man von dort in die östlichen Chiemgauer Alpen, hinter denen sich majestätisch die Watzmann-Gruppe erhebt. Joseph Ratzinger ist hier geboren, die Kirchen tragen Zwiebelhauben und ein g’scheites Bier braut man hier auch. Genau um dieses Bier, genauer: um die Werbung für dieses Bier ist in den vergangenen Wochen allerdings ein bizarrer Streit entbrannt, den man als Lokalposse abtun könnte, wenn er nicht so symptomatisch wäre für unsere Zeit.

Worum geht’s? Seit 14 Jahren macht das Hofbräuhaus Traunstein Werbung mit einem eher unspektakulären Foto. Es zeigt Brauhausbesitzer Maximilian Sailer, der seiner Frau Brigitte „a Busserl“ gibt, während sie ein Weißbierglas in ihrer Hand anhimmelt. Betitelt ist das Szenario mit dem Slogan „Hilft in Sekunden – wirkt für Stunden.“ Ursprünglich als Plakat verwendet, druckt die Brauerei das Motiv seit Jahren auf ihre Bierdeckel.

Alkoholkonsum macht unbeschwert

Ziemlich unspektakulär – könnte man meinen und zum Weißbier greifen. Doch Anfang des Jahres erreichte den Deutschen Werberat eine anonyme Beschwerde. Besagter Bierdeckel erwecke den Eindruck, so die Argumentation, dass Alkoholkonsum zu einem leichteren, unbeschwerten Lebensgefühl beitrage, auch im zwischenmenschlichen Bereich.

Das ist nicht nur hübsch formuliert, sondern trifft auch den Kern der Sache. Den tatsächlich trägt Alkohol zu einer gewissen Unbeschwertheit bei, insbesondere im Zwischenmenschlichen. Und man liegt sicher nicht falsch, wenn man davon ausgeht, dass es diese beschwingende Eigenschaft ist, die ihn seit Jahrtausenden so populär macht.

Rechtlich erlaubt, aber ethisch fragwürdig

Anders sieht man das beim Deutschen Werberat. Der ist eine Selbstkontrollinstanz der Werbewirtschaft und „kümmert sich darum, dass Werbung, die rechtlich zulässig ist, auch ethische Grenzen nicht überschreitet“, wie er stolz auf seiner Webseite verkündet.

Da wundert sich der gemeine Biertrinker und fragt sich, ob er gerade richtig gelesen hat. Denn natürlich gibt es Dinge, die rechtlich erlaubt sind, aber ethisch fragwürdig. Das Recht ist der gültige Minimalkonsens in einer pluralistischen Gesellschaft, und nur diese Regeln sind für alle verbindlich. Daher ist zum Glück nicht alles illegal, was der eine oder andere für unethisch hält. Durch die Hintertür der Ethik allgemeinverbindliche Normen einzuführen, ist absurd, spiegelt aber einen deutlichen Trend in unserer Gesellschaft – die Allgemeinheit auf ethische Vorstellung zu verpflichten, die naturgemäß nicht alle teilen.

Und so kam es, wie es kommen musste. In einem Schreiben forderte der Werberat die Brauerei zu einer Stellungnahme auf und bat sie, darüber zu informieren, ob die Werbung auch zukünftig noch eingesetzt werden soll. Die Antwort kam umgehend. In oberbayerischer Bodenständigkeit ließ Geschäftsführer Josef Schuhmacher verkünden, selbstverständlich halte man an der Werbung fest und: „Da hat der Werberat recht. Hopfen und Malz erleichtern die Balz“.

Symptome einer dauererregten Gesellschaft 

Flankiert wurde diese trotzige Reaktion von einer Welle lokaler Empörung: „So sans de siebeng’scheid’n Moralisierer… über die konnst nur an Kopf schüttel“ schrieb ein User auf Facebook, ein anderer: „Des Statement des deitschn Werberates hoaßt nix andas, ois das mia Bayern koane Bayern mea sei derfan“. Und eine Nutzerin notiert: „Heutzutage ist alles sexistisch, rassistisch und/oder sonstwas. Irgendeiner fühlt sich immer auf den Schlips getreten“.

Wie unter einem Brennglas findet man in dieser Lokalposse die Zutaten und Motive, die das dauererregte Klima in unserer Gesellschaft bestimmen: das Gefühl vieler Menschen, anonyme Mächte würden in ihr Leben eingreifen; den Konflikt zwischen Großstadt und Provinz, zwischen Progressiven und Traditionalisten, zwischen Hütern einer als universal erkannten Moral und gefühltem Common Sense. Und immer geht es dabei im Kern um die Wahrung persönlicher Identität in einer Zeit gravierender Veränderungen. Unter anderen ökonomischen Bedingungen entfalten genau solche Konflikte ein erhebliches Potential: Soziokulturelle Differenzen, sie sich im wohlhabenden Oberbayern an Bierwerbung abarbeiten, eskalieren im heruntergewirtschafteten peripheren Frankreich dann zum offenen Konflikt. Allerdings lehrt so eine Farce wie in Traunstein auch, wie man die in unserer Gesellschaft bestehenden Reibungspunkte nicht zu Großkonflikten eskalieren lässt: durch weniger zentralistische Anmaßung, mehr Pluralismus, weniger Gouvernantenhaftigkeit, weniger missionarischen Eifer – und einfach auch mehr Gelassenheit.

Anzeige