Streit um höheren Rundfunkbeitrag - AfD rettet ARD

Die Erhöhung des Rundfunkbeitrags steht auf der Kippe, weil CDU und AfD in Sachsen-Anhalt dagegen stimmen wollen. Dagegen machen die Befürworter einer Erhöhung mobil. Sie benutzen die Angst vor einer Zusammenarbeit mit der AfD, um von dem eigentlichen Problem abzulenken.

Was ist aus nur aus Alice Weidels Forderung geworden „AfD statt ARD?"/ dpa
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Autoreninfo

Bernd Gäbler ist Medienwissenschaftler und Journalist. Er lehrt seit 2006 an der FHM Bielefeld Medienkommunikation  und Journalismus. Von 2000 bis 2005 war er Chef des Adolf-Grimme-Instituts in Marl. 

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Sag' mir, wo du stehst: pro AfD oder pro ARD? Das ist die Frage der Stunde. Und dafür, dass sie in dieser unsinnigen Zuspitzung überhaupt gestellt werden kann, hat die CDU in Sachsen-Anhalt gesorgt. Da steckt gerade der langatmige politische Prozess fest, der zu einer Erhöhung des Rundfunkbeitrags nötig ist.

Alle Länderparlamente müssen zustimmen, aber in Magdeburg möchte die CDU-Fraktion, dass sich das kleine Bundesland der vorgeschlagenen Beitragserhöhung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) verweigert. Damit hat sie sich selbstverschuldet in eine Klemme gesetzt, ohne zu wissen, wie sie gesichtswahrend wieder herauskommt. Denn im Landtag ist eine Mehrheit für die CDU-Position möglich, allerdings nur, wenn CDU und AfD gemeinsam abstimmen würden. Dann aber wäre die regierende Kenia-Koalition perdu, gedacht als Bollwerk der Demokraten gegen die AfD. 

Sachargumente bleiben auf der Strecke 

Zunächst einmal wurde alles vertagt. Alle spielen auf Zeit. Gebannt kann nun jeder auf das – nach Thüringen – nächste Politik-Spektakel schauen, das um die AfD kreist. Deren Parteichef Jörg Meuthen frohlockt. Endlich spielt seine Partei politisch wieder eine Rolle. Er will ja, dass sie nicht nur von der Außenlinie aufs Spielfeld brüllt. Da kommt ihm der Unmut über die Rundfunkgebühr sehr gelegen.   

Völlig auf der Strecke bleiben durch diese Konstellation alle Sachargumente. Dabei hat die sachsen-anhaltinische CDU durchaus einige vorgetragen: Die Beitragserhöhung passe nicht in die Corona-Landschaft, Gehälter und Renten des Spitzenpersonals seien zu hoch, der Reform- und Spareifer der Anstalten dagegen sei zu gering ausgeprägt und das Programm werde zu einseitig vom Westen geprägt. 

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So immunisiert sich die ARD gegen jede Kritik  

Das alles ist nicht besonders neu oder originell, aber vielleicht ja doch eine Debatte wert. Vielleicht ist es auch so, dass die CDU in Magdeburg einfach ein bisschen spät dran ist – jetzt, wo schon zwölf Landesparlamente den höheren Beitrag abgesegnet haben. Wie die ARD, um deren Finanzierung es ja unter anderem geht, darauf reagiert, hat am 1. Dezember der stellvertretende Leiter des ARD-Hauptstadtstudios Oliver Köhr im Kommentar in den Tagesthemen vorexerziert.

In Sachsen-Anhalt gehe es „im Kern“ gar nicht um den Beitrag, belehrte er das Publikum, sondern: Dort „plant die CDU mit der AfD bei einem ihrer Herzensanliegen gemeinsame Sache zu machen.“ Die Frage laute nun für die CDU-Abgeordneten, ob sie „der Beitragserhöhung zustimmen oder sich für alle sichtbar auf die Seite der AfD stellen.“ Uff! Beitragserhöhung oder „auf Seiten der AfD“ – so immunisiert man sich gegen jede Kritik. 

Legitimationsprobleme des ÖR werden hingenommen 

Anmoderiert wurde der Beitrag mit einer kleinen Flunkerei in eigener Sache. Es gehe ja nur um 86 Cent, obwohl der Beitrag seit 12 Jahren nicht mehr erhöht worden sei, referierte Ingo Zamperoni. Das ist nur die halbe Wahrheit. Unterschlagen hat er die „Kleinigkeit“, dass die Abgabe zwischenzeitlich von einer Gerätegebühr  auf einen Haushaltsbeitrag umgestellt wurde, was dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk schon in der ersten Gebührenperiode ein Plus von 1,5 Milliarden Euro in die Kassen gespült hatte. Rund 8,3 Milliarden Euro jährlich sind es seitdem. 

Auch wenn aller Voraussicht nach noch irgendein „Magdeburger Weg“ gefunden werden wird, um die dortige Koalition zu retten und die AfD aus dem Spiel zu halten, ja, ARD, ZDF und DLF am Ende sogar mit einem blauen Auge davonkommen und die Beitragserhöhung erfolgt – so zeigt sich doch, dass die Legitimationsprobleme der Öffentlich-Rechtlichen größer werden und der Beitrag immer weniger als selbstverständlich hingenommen wird. 

Was kosten alle Sportübertragungen? 

Man stelle sich nur einmal vor, „unverdächtige“ politische Kräfte, wie etwa die Grünen in Baden-Württemberg, die SPD in Rheinland-Pfalz oder die Linke in Thüringen hätten ihr „Ja“ zur Beitragserhöhung an ein paar auf der Hand liegende Fragen an ARD, ZDF und DlF geknüpft:

- Mit welchem unverwechselbaren Profil wollen sich die Sender in der digitalen Medienkonkurrenz behaupten? 

- Wie sieht die gemeinsame langfristige Strategie für Mediatheken und streaming-Dienste aus?

- Wie sollen verhindert werden, dass ARD, ZDF und DLF zu Spartensendern für Senioren werden? Was ist zur Überwindung des Generationen-Abrisses geplant? 

- Auf welche Summen genau beziffern sich die Corona-Einsparungen im Jahr 2020, etwa durch den Ausfall der Olympischen Spiele in Tokio?

- Was genau kosten alle Sportübertragungen (Rechte plus Produktionskosten plus Honorare für Experten und Moderatoren), und wo kann da gespart werden? 

- Warum ist es notwendig, ein Konglomerat von etwa 90 Firmen, Subfirmen und Beteiligungen zu unterhalten? 

Die Argumente der Sender sind dürftig

Von solch energischen Fragen und substantiellen Debatten über das Selbstverständnis bleiben ARD, ZDF und DLF in der aktuellen Gebührenrunde weitgehend verschont. Aber wie lange noch? Bislang sind die Argumente der obersten Repräsentanten der Sender dürftig und trotz aller Framing-Expertise wenig überzeugend. Sie lauten im wesentlichen:

„Wir bieten in unserem Programm für jeden etwas“. 

Das mag stimmen, zeigt aber schon, dass damit eben keine Aussage zu Prioritäten und Profil verbunden ist.

„Wir sind der 'Kitt' der Gesellschaft. Wir sorgen für den bitter notwendigen 'gesellschaftlichen Zusammenhalt'“.

Nun ist es an sich schon fragwürdig, ob es ausgerechnet eine Aufgabe der Medien sein sollte, zur Homogenisierung einer Gesellschaft beizutragen, statt deren Pluralismus abzubilden. Auch wirkt diese Selbstbeschreibung stets ein wenig anmaßend, und ihr wohnt die Gefahr inne, den Journalismus als Pädagogik statt als Handwerk zu verstehen. Aktuell kann man ja selbst die Mainzelmännchen nicht anschauen, ohne sofort zeigefingernd zur Einhaltung der staatlich verordneten Corona-Maßnahmen angehalten zu werden.

Skurrile Pointe der Magdeburger Verhältnisse  

Zur Zeit jedenfalls gibt es für die Position, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk aus vollem Herzen zu bejahen und gleichwohl viele Fragen zur Höhe und zur Verwendung des Rundfunkbeitrags zu stellen, keinen Platz.

Das ist die skurrile Pointe der Magdeburger Verhältnisse. Weil jede Berührung mit der AfD toxisch ist, muss die Beitragserhöhung durchgewunken werden. Irgendwie müssen Ministerpräsident Reiner Haseloff oder AKK das hinbiegen. Als es gerade schick war, PR-Abteilungen in Newsroom umzubenennen, gab AfD-Frontfrau Alice Weidel das Motto aus: „AfD statt ARD“. Jetzt wird die AfD, weil sie die CDU in Sachsen-Anhalt so gerne in ihre offenen Arme laufen lassen würde, indirekt und unfreiwillig zur Retterin des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.  

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