Robert Habecks Jugendbuch - Es gibt die Bösen und es gibt die Grünen

Robert Habeck und Andrea Paluch sind bekannt für ihre Gesellschaftsromane mit politischem Anspruch. In „Ruf der Wölfe“ kommen Schülerfreundschaft, Liebe und grüne Bekehrung zusammen.

Eifrig in jeder politischen Hinsicht: Robert Habeck hat mit Ehefrau Andrea Paluch ein neues Buch geschrieben / picture alliance
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Autoreninfo

Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Robert Habeck ist Poet. Der Bundesvorsitzende der Partei Bündnis 90/Die Grünen nennt auf seiner eigenen Homepage „Schriftsteller“ als ersten Beruf, und bei gruene.de heißt es: „In Lübeck geboren, studierte er Philosophie, promovierte und war gemeinsam mit seiner Frau als Schriftsteller erfolgreich.“ Auf eine Ko-Autorschaft folgte der Ko-Vorsitz, auf die Schreibpartnerin Andrea Paluch die Politikerkollegin Annalena Baerbock. In der ehelichen Schreibwerkstatt sind Unterhaltungsromane mit politischem Anspruch entstanden, etwa „Der Schrei der Hyänen“ (2004), in dem Deutschlands koloniale Vergangenheit und seine aktuellen Umweltprobleme sich zu einem sonnenuntergangsgesättigten Liebesroman aufaddieren, und Kinder- und Jugendbücher mit ebenfalls politischem Impetus, etwa „Jagd auf den Wolf“ (2001), „Wolfsspuren“ (2005), „Wolfsnacht“ (2011) oder im vergangenen Jahr „Ruf der Wölfe“. Ein nachhaltiges Interesse Robert Habecks am Canis lupus lässt sich nicht leugnen.

Spät wird Jan schlau. Wir sind schon auf Seite 103, als der jugendliche Ich-Erzähler ausspricht, was Robert Habeck nicht schöner hätte sagen können: „Ich muss den Wolf retten.“ Als werdender Mann gehört Jan einer Spezies an, die tendenziell schwer von Begriff ist. Das kluge und hinreichend mutige Mädchen, das er an seiner Seite haben will, heißt Clara, übersetzt: die Helle. Sie ist die Hauptfigur in „Ruf der Wölfe“. Die minderjährige Schülerin befindet sich im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte. Sie hat ganz das Mindset, das es braucht, um gut zu sein und anziehend, also grün in der Binnenperspektive des Buches. Jan war dem Wolf im Wald begegnet. Seitdem steht die namenlose norddeutsche Kleinstadt kopf, mitten im Winter, kurz vor Weihnachten.

Die Pubertät soll politisiert werden

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Clara weiß, „dass nicht der Wolf gefährlich ist, sondern der Mensch“. So sieht es auch der Naturschutzbund Deutschland. Im Dezember 2018 sagte Habeck bei einem Termin in Brandenburg, es werde „weder eine Lösung geben, die einen gesellschaftlichen Frieden herstellt, wenn wir den Wolf ausrotten, noch wenn wir naiv nichts ändern“. Clara stellte eine solche Aussage nicht zufrieden. Sie ärgert sich über den „Zubringer für die Umgehungsstraße“, der gebaut werden soll, weil „Autos eben wichtiger sind als Tiere“. Clara wäre die Zierde eines jeden Ortsverbands der Grünen Jugend. Bei PETA ist sie Mitglied, ernährt sich vegan und lehnt Pelz ab. Sie ist, wie es auf Seite 66 heißt, „eifrig“, in jeder politischen Hinsicht.

Auf der Handlungsebene ist „Ruf der Wölfe“ die Geschichte einer Schülerfreundschaft, die zur Liebe werden soll. Strukturell ist es die Fabel einer Bekehrung. Beides fällt zusammen. Jan, der am Computer am liebsten „Total War“ spielt, kriegt Clara nur rum, wenn er ihr pazifistisch grundiertes Wolfsengagement unterstützt. Jugendliche Liebe als Basislager grüner Politik: Darum geht es Habeck/Paluch. Die Pubertät soll politisiert werden. Diesen Anspruch löst „Ruf der Wölfe“ durch seine Begriffspolitik ein. Polizisten „blaffen“ und sind „unfreundlich“, einer ist „müde“ und, anders als Clara, „nicht der Hellste“. Journalisten scheuen aus Sensationsgier nicht vor Anti-Wolfs-Lügen zurück, ein Großbauer quält seine Hühner und hat „noch nie etwas von Mülltrennung gehört“.

Bei Habeck/Paluch gibt es die Bösen und gibt es die Grünen, die hier freilich nicht so genannt werden. Am Ende wird der Wolf vor den Jägern gerettet, betäubt und „weit weg“ gebracht. Der verschwundene Wolf stellt keine Bedrohung mehr dar. Die Heldin lässt sich von Jan sagen, „wahrscheinlich braucht der Wolf größere Flächen als die hier bei uns“. Alle Hoffnung, alle Freude aber bleiben in Claras Augen hell verwahrt: „Die sind blau wie der Schnee im Mondschatten.“

Robert Habeck und Andrea Paluch „Ruf der Wölfe“ Edel, Hamburg 2019. 160 Seiten, 12,99 €

 Dieser Text ist in der April-Ausgabe des Cicero erschienen, die Sie am Kiosk oder direkt bei uns portofrei kaufen können.

 

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