Rezo kritisiert Zeitungen und Journalisten - Swag hat das nicht, Alter!

Der Youtuber Rezo wettert in einem neuen Video gegen die Zeitungen und Journalisten. Er hat nicht in allem Unrecht. Wer aber mit der Freiheit fremdelt, der will keine Debatte führen

Wer liest überhaupt „Kackzeitungen“? Rezo schon mal nicht. / Screenshot Youtube
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Autoreninfo

Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Vor wenigen Tagen feierte ein Videoproduzent und Internetstar namens Rezo seinen 27. Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch dem bekannten Mann, der nun schon älter ist, als es etwa der Schriftsteller Novalis überhaupt werden durfte. Rezo trägt bei seinen Auftritten blau gefärbtes Haupthaar, damit man ihn sofort als Jugendvertreter erkennt. Seine You-Tube-Videos tragen Titel wie „Flachwitz-Anspuck Challenge“, „Ekliges Essen erschmecken“ oder „Wie versaut ist dein Verstand?“. In einem neuen Video teilt er im hochtourigen Stakkato-Deutsch mit: „Journalisten sind teilweise so dumm. (…) Ich bin so getriggert von Journalisten.“ Wer diese „Kackzeitungen“ überhaupt noch lese?

Das neue Video mit Rezo:

 

Die CDU und die halbe Republik hyperventilierten, als Rezo vor drei Monaten zum ersten Mal in politische Gefilde aufbrach und nichts Geringeres als „Die Zerstörung der CDU“ ankündigte. Eine knappe Stunde lang wurde zappelig, wortstark, reich an Schautafeln und doch hemmungslos einseitig dargelegt, wie und warum die CDU gegen den einhelligen Rat von „Experten“ Politik betreibe. Ein eher linkes, eher grünes Weltbild kam da „krass“ (Rezo) zum Vorschein.

Kampfansage an die Politik 

Im Bann der großen Zahlen – bis heute wurde das Video 15 Millionen Mal angeklickt – starrten die Angegriffenen auf die Kampfansage und wussten sich nicht zu helfen. Philipp Amthor und Annegret Kramp-Karrenbauer scheiterten beim Versuch, eine pfiffige Antwort zu geben. Letztlich trug Rezo den Sieg davon. Zumindest das Vertrauen in die kommunikative Kompetenz der CDU war zerstört. Unvorstellbar ist ein solcher Ausgang nach Rezos Gastauftritt zur Presseschelte auf dem You-Tube-Kanal „Space Frogs“.

Der knappen Viertelstunde ist zu entnehmen: Rezo liest keine Zeitungen und ist „so froh, dass diese ganze Print-Welt ganz fern von mir ist, Alter.“ Gedruckte Zeitungen sind für den jungen Mann der Inbegriff des Überholten. Unpraktisch seien sie, immer inaktuell, moralisch oft bedenklich. An der „Bild“-Zeitung weidet er sich ausführlich. Das öffentliche Toben, das konvulsivische Hin- und Herwenden des Oberkörpers, die gespielte Aufregung, der theatralische Schlag auf den Tisch mit der flachen Hand sind dabei unerlässlich. Und was bringt den Herrn besonders in Rage? Dass die „Bild“ umfangreich und über mehrere Tage hinweg über die Hochzeit von Heidi Klum und Tom Kaulitz berichtete. Dass es da Schnitzel gegeben habe – Schnitzel!

Blick durch die Brille von Youtube

Einer Boulevardzeitung freilich vorzuwerfen, dass sie sich mit besonderer Hingabe boulevardesken Themen widmet, ähnelt dem Versuch, einen beliebigen You-Tuber für die Dauerpräsenz juveniler Vokabeln zu schelten. Swag hat das nicht, Alter!  Und wenn Rezo den Empörer gibt wider in Tageszeitungen abgedruckte Fernseh- und Kinoprogramme, ist der Furor extra billig. Die Spontanthese, „ich dachte, das ist ausgestorben“, verkennt, dass natürlich auch 2019 längst nicht überall das digitale Zeitalter ausgebrochen ist. Auch Verweigerung ist ein Freiheitsrecht. Aber Rezo sitzt auf dem hohen Ross vollendeter Gegenwärtigkeit. Er ist 27. Er kann nicht ewig blaue Haare tragen. Er muss sich beeilen, um seine Botschaften unters Volk zu bringen. 

Seine selbstgerechten Erklärungen sind nervig, wohlfeil, ungerecht. An Hetze jedoch, wie kurzfristig vom Deutschen Journalistenverband behauptet wurde, grenzt die Ego-Show nicht. Und keineswegs immer hat Rezo Unrecht. Natürlich ist längst eine Generation herangewachsen mit neuen medialen Routinen. Der Griff zur Zeitung wurde vielerorts unumkehrbar ersetzt durch den Blick auf das Smartphone, das Scrollen in der App, die Empfehlungen in den sozialen Medien. Dass man dort auf dieselben Player stoßen kann, die als Zeitungsverlage groß wurden, mag Rezo nicht wahrhaben. Er betrachtet das Internet durch die Brille von You Tube, seinen Arbeitsplatz, und Twitter. Er bewirtschaftet die eigene Blase.

Empörungskonfetti für die Gemeinde

Am Ende wird Rezo – „Ich bin so auf Front grade“ – erwartbar moralisch. Wie „bei uns in der You-Tube-Szene“ mögen nun bitte die Zeitungen Flagge zeigen und „gegen die ‚Assi-Print-Szene‘ ranten“, gegen „Bild“ und Konsorten also aufbegehren. Der Mann mit den blauen Haaren will einen Aufstand der in seinen Augen anständigen Zeitungen orchestrieren. Ach, herjemineh! Muss es denn immer eine gemeinschaftliche Großaktion sein, immer ein moralisch überzuckerter Verdrängungswettbewerb im Namen der eigenen Haltung? Warum, Herr Rezo, lugt aus Ihnen da plötzlich der alte Herr hervor, wie er im Wilhelminismus gegen damalige Unschicklichkeiten polterte? Liberal sind jene Debatten, die bei der Freiheit des einzelnen ansetzen, beim Recht auf individuelle Lektüre. Rezo fremdelt mit der Freiheit.

So war es dann leider doch nur ein Rant, in blau getaucht. Empörungskonfetti für die Gemeinde.

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