Jörg Baberowski im Gespräch mit Michael Sommer und Axel Meyer - Cicero Podcast Wissenschaft: „Putin wird nicht verschwinden“

Jörg Baberowski ist Gewaltforscher und profilierter Osteuropaexperte an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er hat zahlreiche Bücher zu Russland und seiner Geschichte geschrieben. Dennoch hat auch Baberowski der Ausbruch des Krieges in der Ukraine überrascht. Im Cicero Wissenschaft Podcast analysiert er zusammen mit dem Althistoriker Michael Sommer und dem Evolutionsbiologen Axel Meyer die Ursachen der aktuellen Gewalt.

Axel Meyer / Marco Schilling
Anzeige

Autoreninfo

Hier finden Sie Nachrichten und Berichte der Print- und Onlineredaktion zu außergewöhnlichen Ereignissen.

So erreichen Sie Cicero-Redaktion:

Anzeige

Seit dem 24. Februar 2022 herrscht in der Ukraine Krieg. Während Journalisten und Politikwissenschaftler in der Regel nur über das aktuelle Geschehen reflektieren, blicken Historiker tiefer zurück in die Geschichte. Welche Ereignisse haben zu Russlands Einmarsch in der Ukraine geführt? Was geschieht, wenn einstige Imperien zerfallen? Woher kommt Putins Gewaltpotential? Über derlei Fragen haben der Althistoriker Michael Sommer und der Evolutionsbiologe Axel Meyer mit dem Berliner Historiker, Gewaltforscher und Russlandkenner Jörg Baberowski geredet. 

Im Hintergrund von Putins Handeln sieht Baberowski eine große Angst: „Ich glaube, dass es sich hier um Torschlusspanik handelt, um die Wahrnehmung, dass jetzt gehandelt werden müsse, weil sonst die Ukraine aus dem Einflussbereich Russlands auf Dauer verschwinden wird", so der Autor zahlreicher Standardwerke zur Geschichte des Stalinismus sowie zu weiteren Totalitarismen des 20. Jahrhunderts. Baberowski sieht in Wladimir Putin einen unkontrollierten und von Hass zerfressenen Menschen, der erkannt hat, dass er sich an einem Scheideweg der Geschichte befindet: Während die Ukraine auf dem Weg zu einer Nation ist, in er sich die Menschen nicht mehr über die Ethnie, sondern über die Staatsbürgerschaft in einem modernen Nationalstaat definieren, hängt Putin weiterhin imperialistischen Vorstellungen nach.  

Laut Baberowski habe dies u.a. auch dazu geführt, dass der russische Präsident die Lage vollkommen falsch eingeschätzt hat: Weder habe Putin einkalkuliert, dass der Krieg länger dauern könnte, noch hat er sich den Schulterschluss zwischen Deutschland und den osteuropäischen Nachbarn vorstellen können. In dem fast 40-minütigen Gespräch, das den Auftakt zum Cicero Wissenschaft-Podcast „Menschen, Tiere, Sensationen" bildet, belassen es die drei Diskutanten indes nicht bei der Oberfläche der aktuellen Ereignisse, sie sortieren diese in größere Zusammenhänge ein: „Wir sehen das Entstehen einer Nation im Zeitraffer", so der Osteuropa-Experte Baberowski über die aktuellen Ereignisse in der Ukraine. Zugleich aber auch beobachtet er, wie Russland im Inneren immer autoritärer wird. Dennoch ist Putin für den Historiker nicht nur der große Unzeitgemäße. Russland ist Atommacht und Ordnungsmacht in Zentralasien wie im Kaukasus. Mit dieser Situation wird Europa auch nach dem Krieg umgehen müssen. Besser also, man versucht, die komplexen Ereignisse bis in die Tiefe zu ergründen, um wirklich verstehen zu können, was geschieht.

 

Das Gespräch wurde am 17. März 2022 aufgezeichnet.

Sie können den Podcast jetzt hier – klicken Sie dazu „Inhalte aktivieren“ – hören, oder auch auf allen Podcast-Portalen.

Sie sind interessiert an weiteren Themen und noch kein Abonnent von Cicero Plus? Testen Sie uns, gratis für 30 Tage.

 

Mehr Podcast-Episoden:

Anzeige