Oscars 2021 - Ein Hauch von Normalität

Es war eine Preisverleihung ohne den üblichen Glamour. Coronabedingt wurden die meisten Oscar-Gewinner per Video zugeschaltet. Gewinner des Abends war das Drama „Nomadland", das gleich drei Oscars ergatterte. Die Beiträge des Streamingdienstes Netflix gingen dagegen alle leer aus.

Früher war mehr Glamour: Frances McDormand bekommt den Oscar als beste Hauptdarstellerin in „Nomadland“ /dpa
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Jens Nordalm leitete bis August 2020 die Ressorts Salon und Literaturen bei Cicero.

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„Wie ein Film“, hatte der verantwortliche Regisseur der Oscar-Verleihung Steven Soderbergh angekündigt, werde es diesmal sein. Den Pandemie-Bedingungen ein neues Format und ein neues Erlebnis abringen – das war das Ziel. Davon war nicht viel zu spüren, beim besten Willen nicht. Besser geht’s doch ohne das Virus.

An zwei Schauplätzen in Los Angeles wurden diese Oscars verliehen – in der Union Station , einem der wichtigsten Bahnhöfe von Los Angeles im Art Deco Stil und im leeren Dolby Theatre, früher Kodak Theatre, wo das sonst alles stattfindet, dort aber nur kurz – und sehr traurig vor den leeren Reihen. Ebenso beklemmend auch die zugeschaltete Moderation des koreanischen „Parasite“-Regisseurs Bong Joon-ho aus einem menschenleeren Filmtheater in Seoul.

Hommage an die tote Tochter

Tatsächlich war in der Union Station jedoch einiges Publikum: die Nominierten mit Angehörigen, auf Corona getestet und nach den gekürten Kategorien jeweils rotierend, so dass es am Ende 170 Gäste waren – allein dieses bisschen Normalität war schon bewegend. Andere Nominierte und Gewinner wurden zugeschaltet aus Paris, London oder Oslo. Überreicht wurden die Oscars – auch das tatsächlich wie gewohnt – von Stars wie Laura Dern, Harrison Ford, Renée Zellweger, Brad Pitt, Viola Davis, Halle Berry oder Joaquin Phoenix.

Die bewegendste Dankreden hielt der dänische Regisseur Thomas Vinterberg („Der Rausch“), der an seine Tochter erinnert, die 4 Tage nach Drehbeginn 19jährig bei einem Autounfall starb – und der er diesen Oscar widmet. Es gibt politische Dankreden gegen Polizeigewalt und die täglichen Toten durch Schusswaffen in den USA, und für die Hongkong-Proteste. Und hinreißend der Dank der 73jährigen koreanischen Nebendarsteller-Gewinnerin Youn Yuh-jung („Minari“), die rührend erstaunt war, Brad Pitt zu begegnen, der sie kürte.

Schroff und unfrisiert 

Wirklich Stimmung aber kommt trotz aller Bemühung um Normalität nur einmal auf, als Glenn Close aufsteht und zu „Da Butt“ tanzend den Po schwingt. Einige ausladende Kleider und Mega-Roben waren auch zu sehen – aber fast mehr fiel auf, wie sich die Mehrfachgewinnerin Frances McDormand („Nomadland“) mit ihrem Auftritt dem verweigerte: schwarz und geradezu desinteressiert schlicht, die grauen Haare wie unfrisiert und ungekämmt, in ihren Worten schroff, grantig, kurz – aber mit der eindringlichen Vision und dem Appell, bald all diese nominierten Filme, Schulter an Schulter, endlich im Dunkel der Kinos zu sehen.

Was die gekürten Filme angeht, hat man durchweg ein gutes Gefühl. Da ist nun die „Academy of Motion Picture Arts and Sciences“, die die Oscars vergibt, durch Bemühungen in den vergangenen Jahren deutlich diverser geworden – und in der Folge sind auch die Nominierungen in diesem Jahr so divers ausgefallen wie noch nie, asiatisch, schwarz, weiblich, in allen Kategorien. Und dann ist der Film des Abends, der große Gewinner, einfach große Kunst, nicht nur Diversitäts-Politik. „Nomadland“ hat seit der Premiere im September 2020 über 230 Preise gewonnen, darunter den Goldenen Löwen in Venedig.

3 Oscars für „Nomadland“

Und hier nun ging der Siegeszug weiter: Bester Film, beste Regie, beste Hauptdarstellerin Frances McDormand. Die Regisseurin, die 38jährige Chloé Zhao, in China geboren, ist erst die zweite Frau, die einen Regie-Oscar gewinnt, und die erste Asiatin. Chloé Zhao ließ sich schon in den Interviews zu ihrem Film nicht aufs politische Eis führen, wo manche sie haben wollten, weil sie ja Armut in Amerika zeige. Sie bestand auf der Universalität ihrer Geschichte und auf Würde und Selbstbestimmung ihrer Figuren – und sagte nun auch in ihrer Dankrede, sie glaube daran, dass jeder Mensch „inherently good“ sei.

Bester internationaler Film wurde Thomas Vinterbergs „Rausch“, die Tragikomödie über ein Alkoholexperiment von vier Freunden in der Midlife Crisis, die neben vielen anderen Auszeichnungen schon beim Europäischen Filmpreis viermal gewann: als Film, für Regie, Drehbuch und den Darsteller Mads Mikkelsen. Den Preis für das beste Originaldrehbuch ging an Emerald Fennell für ihren Thriller „Promising Young Woman“, den Rachefeldzug einer Medizin-Studentin für Opfer sexueller Gewalt, bei dem Fennell auch Regie führte und selbst spielte.

Verlierer des Abends: Netflix  

Bester Nebendarsteller wurde Daniel Kaluuya in dem starken, hitzigen Black-Panther-Drama „Judas and the Black Messiah“. Den Preis für das beste adaptierte Drehbuch gewannen Christopher Hampton und Florian Zeller für den eindringlichen Demenz-Film „The Father“ mit Anthony Hopkins und Olivia Colman als seiner Tochter. Hopkins gewann den Oscar als bester Hauptdarsteller.

Das in zehn Sparten nominierte Netflix-Biopic über den „Citizen Kane“-Autor Herman J. Mankiewicz („Mank“) wurde zum Verlierer des Abends mit nur zwei Preisen für Set Design und Kamera. Überhaupt: Netflix, mit einigen Produktionen erstmals dabei, was eine Zäsur bedeutet, blieb ohne Oscars in den großen Kategorien.

Frances McDormand hat völlig Recht: All diese Filme dann doch endlich noch im Kino zu sehen – das wird ein Fest.

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