Ökonomisierung des Gesundheitssystems - Beschränktes Recht auf Heilung?

Eine Kette von „Gesundheitsreformen“ hat die Freiräume für Ärzte und Patienten eingeengt. Im Namen der Effizienzsteigerung kam es zu Einschränkungen für Versicherte. Gewinner war die Pharmaindustrie, Verlierer eine ganzheitlich ausgerichtete Medizin. In der Corona-Krise zeigte sich diese Verschiebung besonders deutlich.

Blick in einen Operationssaal in Berlin / picture alliance
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Autoreninfo

Dr. med. Erich Freisleben studierte Medizin in Berlin und Kiel und absolvierte seine Facharztausbildung zum Internisten. Seit 35 Jahren praktiziert er als Hausarzt. Er promovierte in der Geschichtsmedizin zum Thema Rassenhygiene und Rassenideologie, war als Delegierter in der kassenärztlichen Vereinigung tätig und publiziert Artikel zu gesundheitspolitischen Themen.

 

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Vor fünfundvierzig Jahren gehörte ich als Medizinstudent zu denen, die gegen das erstarrte Weltbild der Elterngeneration aufbegehrten. Wie Verschwörer trafen wir uns bei einem nach C.G. Jung geschulten Psychoanalytiker zu einer privat organisierten Fortbildung, die uns abseits der gewohnten strikt somatischen Lehre in die Weite neuer Horizonte führte. Das zarte Aufkeimen einer ganzheitlichen Menschenbetrachtung löste in der Nachkriegsmedizin allmählich die biologistische Starre ab. Nicht nur die Psychoanalyse, sondern ein ganzer Strauß von neuen Perspektiven tat sich auf: die Naturheilkunde, manuelle Praktiken, Körpertherapien, traditionelle chinesische Medizin, Ayurveda, Yoga und vieles mehr. Es galt „Was heilt, hat Recht“, einzig begrenzt durch die wieder geachtete Hippokratische Ethik, die vorschreibt, behutsam vorzugehen und nicht zu schaden. 

Die Bemühungen, Metaphysisches und moderne Wissenschaft in Einklang zu bringen, spiegelten sich in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts in Titeln von Bestsellern wie „Krankheit als Weg“ und „Das Tao der Physik“. In der Medizin entwickelte sich geradezu eine neue komplementäre methodische Bereicherung, die Antworten auf die Fragen gab, was gesund erhält und wie man selbstverantwortlich seine Lebensweise danach richtet.  

Harte Einschränkungen zu Lasten der Versicherten

Die Krankenkassen kannten zu jener Zeit kaum Finanzierungsprobleme. Mit einer durchschnittlichen Liegezeit von 18 Tagen und ausreichendem Personal wurde man stationär so lange gut versorgt, wie man es brauchte, und als niedergelassener Arzt konnte ich Heilmethoden anwenden und Heilmittel auf Rezept verordnen, die ich in Absprache mit den Patienten für angemessen hielt. Sukzessive jedoch schnürte eine Kette von „Gesundheitsreformen“ die vorhandenen Freiräume ein. 

Die große Wende im Gesundheitswesen wurde 2004 mit deren „Liberalisierung“ eingeläutet. Begründet mit Einspardruck und der Notwendigkeit zur Effizienzsteigerung gingen nun die Versichertengelder andere Wege. Es folgten harte Einschränkungen zu Lasten der Versicherten. Das Leistungsspektrum wurde fortwährend gekürzt, und das frei verkäufliche Apothekensortiment war nur noch für Selbstzahler erhältlich. Im Kontrast dazu wurde im Namen des Fortschritts der innovativen Pharmakologie und Medizintechnik und den Spezialisten, die sie anwenden, finanzielle Freifahrt gewährt. 

Jeder kleine Vorteil eines Medikaments, ob tatsächlich vorhanden oder nur durch gesponserte Studien dargestellt, rechtefertigte fast jeden Preissprung. In den letzten 20 Jahren haben sich die Medikamentenkosten der GKV mehr als verdoppelt. Der Packungspreis für ein Medikament, das in den vergangenen 36 Monaten auf den Markt gekommen ist, lag 2011 im Durchschnitt noch bei 902 Euro, 2020 stieg er auf 51.189 Euro an.

Überfüllte Ambulanzen, Krankenhaussterben und Lieferengpässe

Die Tür zur Ökonomisierung öffnete sich sukzessive mit jeder „Gesundheitsreform“. Sie wurde pikanterweise erst sperrangelweit offen durch Änderungen der sozialdemokratischen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt und ihren „Gesundheitsexperten“ Karl Lauterbach. Der Trend zur galoppierenden Ausweitung der Innovationskosten und Spezialisierung schuf auf der anderen Seite prekären Mangel. Die persönliche pflegerische und ärztliche Zuwendung musste bei nun sechs Tagen Liegezeit auf dreimal so viel Kranke verteilt werden. Arbeitshektik, überfüllte Ambulanzen, Krankenhaussterben, Hausärztemangel und Lieferengpässe für notwendige Standardmedikamente sind direkte Auswirkungen dieser Weichenstellung. 

Anstelle der Kommerzialisierung beschuldigte man öffentlich als Ursache des Mangels eine Verschwendung durch eine angeblich fehlende Rationalität medizinischer Behandlungsweisen. Mit der Idee von der Evidenzbasierten Medizin (EbM) versprach man den Ausweg. David Sacketts Vision, praktisches Erfahrungswissen, valide Studien und Patientenwünsche unter einem Hut zu bringen, erschien bestechend überzeugend. Nur erfüllten sich alsbald die Warnungen der Kritiker vor einer Kochbuchmedizin. 

Entgegen Sacketts Idee stützte sich die praktizierte Evidenz ganz überwiegend nur auf Studien und Abstimmungen mit Verbandsfunktionären. Dabei gerieten die medizinischen Inhalte unter den Einfluss einer zunehmenden technologisch-pharmakologischen Sicht. Vereinfacht, in der Summe aber zutreffend gesagt: Wer die Studien finanziert, bekommt Recht und den Stempel der Evidenz. Die Summe der nun kreierten fachspezifischen Leitlinien führte unweigerlich zur Übermedikalisierung, sehr zum Gefallen von Pharmaunternehmen und deren Aktionären. 

Kampagnen gegen ganzheitlich ausgerichtete Mediziner

Medizinstudenten und Ärzte, die gedrillt waren, EbM-konform zu handeln, wurden allmählich zu Erfüllungsgehilfen einer Medizin, die in Gremien mit undurchsichtigen Interessenkonflikten entworfen wurde und für die niemand mehr konkret zur Verantwortung gezogen werden kann. Ideologisch flankierte man die Einengung der Behandlungsfreiheit, indem ein vermeintlicher Konflikt zwischen einer scheinbar „wissenschaftlich geprüften“ Medizin und einer angeblichen Unwissenschaftlichkeit an die Wand gemalt wurde. Unter anderem schlugen die in der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) organisierten „Skeptiker“, die einer strikt biologistischen Medizin huldigen, bei jeder Abweichung von der Schulmedizin wie Kettenhunde an und stellten sie als wissenschaftsfeindlich dar. 

 

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In diskriminierenden Kampagnen wurde gegen Heilpraktiker und Ärzte gehetzt, die ganzheitlich oder naturheilkundlich erweitert arbeiteten. Die Berücksichtigung der metaphysischen Qualitäten des Menschen gilt aus „Skeptiker“-Sicht als „Schwurbelei“. Im vermeintlichen Kampf für die Aufklärung agieren sie de facto als „Fünfte Kolonne“ derer, die mit ihren überteuerten Produkten das medizinische Versorgungssystem in die Unbezahlbarkeit treiben. Ihr größer Feind ist das Vertrauen der Menschen auf ihre gesunde Natur, auf leib-seelische Integration und auf sanftere Heilmittel. Krankheit auch mal zum Anlass für Lebensstilveränderungen nehmen, scheint aus dieser Perspektive überflüssig, wenn doch die Hightech Pharmakologie scheinbar alle Probleme zu lösen weiß.

„Homöopathie-Streit“

Die ideologische Aufladung erhöhte den Druck der Krankenkassen, die Einnahmen allein auf eine somatisch-pharmakologischen Therapie zu konzentrieren. Ein Rest von Wahlfreiheit für andere Methoden lebte nur noch in wenigen Sonderverträgen. Der Normalbürger bekam seinen Behandlungsweg vorgeschrieben, Methodenvielfalt wurde zur Sache von Selbstzahlern. Symptomatisch für die ideologische Begleitmusik war der inszenierte sogenannte „Homöopathie-Streit“. 

Nun mag jeder zu dieser Heilmethode stehen, wie er will. Immerhin hatte sich diese über 200 Jahre erhalten, war unschädlich, kostete fast nichts und konnte sogar evidenzbasierte Wirkungen nachweisen. Unter ihren Anhängern waren vor allem Menschen, die sich für biologische gesunde Ernährung, für Nachhaltigkeit und für Selbstverantwortung entschieden. Die Anerkennung der aufwendigen Fortbildung zur Homöopathie wurde infolge der Diskriminierungskampagne in den meisten Ärztekammern zurückgenommen, ohne Berücksichtigung der inzwischen Hunderten von positiven Studienergebnissen. 

Hochprofessionelles Marketing und Lobbying

Die wahren Verhältnisse zeigten sich jedoch beispielweise bei einem hausärztlichen Modellversuch einer großen Krankenkasse, die mittels harter Versorgungsdaten die Versorgungskosten über alle Leistungsbereiche zwischen Menschen gleicher Krankheitsschwere auswertet. Unter den zahlreichen kooperierenden Arztnetzen gibt es eine Gruppe speziell ganzheitlich-komplementär arbeitender Ärzte, deren Daten nachwiesen, dass sie bei Wahrung einer gesicherten schulmedizinischen Qualität bis zu 10% der Kosten einsparten. Bei allein 3000 behandlungsbedürftigen Kranken dieser Hausarztpraxen betrugen die Minderausgaben eine Million Euro!

Dieses Beispiel zeigt eindrücklich, dass auch anders geht. Aber der ideologische Kampf um das Bewusstsein der Verbraucher zielt auf die Alleinstellung umsatzträchtiger Produkte. Die Marketingabteilungen von Big Pharma arbeiten hochprofessionell, denn ihre Taschen sind mit Versichertengeldern prall gefüllt. Sponsoring von Wissenschaftlern, Ärztefortbildungen, Fachgesellschaften und Patientenvereinigungen zahlt sich nicht weniger aus als politisches Lobbying und die Unterstützung der Wissenschaftsressorts meinungsführender Medien. 

Emotionen unterscheiden den Menschen von einer biologischen Maschine

Es ist wohl der Anschein von Modernität, der dem Biologismus trotz fataler Erfahrungen wieder zum Aufleben verhalf. Paradoxerweise ist sein Angriffspunkt gerade dasjenige, was den Menschen von einer biologischen Maschine unterscheidet: seine Emotionen, seine Empathie und sein Bewusstsein. Wer manipulieren möchte, das zeigt die Historie, muss Menschen auf diesen Feldern in die Irre führen. Auch der zunehmend gehypte Transhumanismus von heute bewegt sich in der Denkstruktur der kalten Optimierung der allein physisch-materiell verstandenen Menschengemeinschaft, die letztendlich in die Eugenik führte.

Nun könnte man bei einem Thema wie Komplementärmedizin meinen, dieses seien nicht wichtig und das Problem betreffe einen nicht, weil man auf andere Heilmethoden setze oder sich mit der reinen Schulmedizin gut versorgt fühle. Es geht aber nicht um ein „Entweder-Oder“, sondern um die gelungene Mischung dessen, was hilft und dennoch bezahlbar bleibt. Und es geht um die Freiheit, über sich und seinen Körper selbst zu bestimmen. Wie sehr diese Balance aus den Fugen geraten ist, zeigt nicht zuletzt die Corona Krise, deren Auswirkung bis in alle gesellschaftlichen Bereiche reicht.

Verunglimpfung von Ungeimpften

Unter den Pandemiebedingungen spalteten die scheinbar so harmlosen Präferenzunterschiede der Lebenshaltungen unser Gemeinwesen in nahezu unversöhnliche Lager. In einer aufgeklärten Gesellschaft sollte die Frage, ob man eher seiner Natur vertraut oder ob man lieber Schutz bei einem neuartigen Pharmaprodukt nimmt, kein Problem darstellen. Unter der Pandemieangst wurden jedoch Ungeimpfte als Gemeinschaftsschädlinge, Verschwörungstheoretiker und Rechtsradikale verunglimpft. Die Spaltung erfasste selbst die Wissenschaftsgemeinde, in der bis heute die Befürworter der Corona-Impfungen ungeachtet warnender Hinweise ihren kritischen Kollegen unversöhnlich gegenüberstehen.

Dies änderte sich selbst dann kaum, als klar wurde, dass die Impfung weder vor Ansteckung noch Übertragung schützen konnte und sich die Nebenwirkungsmeldungen häuften. Nicht Ratio bestimmt das Geschehen, sondern Emotionen. Der einst kritikfreudige Journalismus des Mainstreams, der bei Corona meist schon vorab das Regierungsnarrativ nahezu ungeprüft an sein Publikum weitergegeben hatte, hält das Thema fast durchweg weiter verschämt unter der Decke, obwohl sich immer mehr Besorgnisse auftun.   

Wir wissen aber aus den Erfahrungen beispielsweise mit den Impfungen gegen Dengue-Fieber in Asien und der Schweinegrippe in Europa, die auf Grund von pharmagesponserten Studien als sicher und wirksam propagiert worden waren, dass sich erst nach Jahren ihre negative Nutzen/ Schadensbilanz offenbarte. Im Falle der Dengue-Impfung brauchte die WHO über zwei Jahre, bis sie den kritischen Wissenschaftlern Recht gab und ihre Empfehlung für Ungeimpfte zurücknahm. 

Kritische Fragen müssen erlaubt sein

Ist es heute zum Tabu geworden zu fragen, ob die exorbitanten Gewinne der Pharmabranche bei den Corona-Impfungen ein berechtigter Obolus für ihre Leistungen oder Früchte eines gigantischen Marketingmanövers sind? Sind zahlreiche bisher honorige Wissenschaftler plötzlich zu Verschwörungstheoretikern geworden, weil sie auf Probleme mit der mRNA-Technik hinweisen? Sind viele Tausend meist beruflich gestandene Bürger, die sich impfgeschädigt fühlen, plötzlich zu Psychosomatikern geworden? 

Darf man gar nicht danach fragen, woran die anhaltende Übersterblichkeit und die Zunahme an Krankheitsanfälligkeit liegen? Warum gab es keine Begleitstudien zur Sicherheit, wo doch der Entwicklungszeit für die mRNA-Impftechnik zehn Jahre Tests fehlten? Das Verlangen der Impfstoffproduzenten, ihre Prüfunterlagen über 70 Jahre nicht offenlegen zu müssen, und deren Beharren auf vertraglich verbriefter Befreiung von jeglicher Verantwortung für Nebenwirkungen sind nicht unbedingt vertrauensbildend.

Alle offenen Fragen dürfen nicht mehr in emotionalem Kontext, sondern nur unter Zuhilfenahme aller wissenschaftlichen Fakten bewertet werden. Wenn, wie in Konzernetagen geschwärmt, die neuen Impfstoffe bald schon nach 100 Tagen Entwicklungszeit auf die Menschen losgelassen werden sollen und die mRNA-Technik zur Medizin der Zukunft werden soll, muss jetzt, ohne den Druck der Pandemieangst, Klarheit geschaffen werden. Es darf keine Brandmauern gegen „falsche“ Meinungen geben. Alles muss auf den Tisch. Wenn, wie unter den Radar der Öffentlichkeit geplant, die Internationalen Gesundheitsvorschriften der WHO im Mai verabschiedet würden, wird niemand mehr im Krisenfall einer Behandlung mit einem Impfstoff widersprechen können. 

Wie steht unser Gesundheitsminister dazu? Er entsorgt derzeit lautlos die Millionen überschüssigen Impfdosen, will weiter Krankenhausleistungen eliminieren und die besonderen Therapierichtungen gänzlich aus den Krankenkassen verbannen. Die Pharmagiganten danken.

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