Lina E. und ihre Unterstützer - Markieren und Jagen

Wer Solidarität mit der gewalttätigen Linksextremistin Lina E. propagiert, lehnt das Gewaltmonopol des Staates ab. So ließe sich aber nicht nur Gewalt gegen Rechtsextremisten legitimieren, sondern auch gegen jeden, der nur konsequent genug als „Nazi“ markiert wird.

Solidaritätsdemonstration für die Gewalttäterin Lina E. / picture alliance
Anzeige

Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

So erreichen Sie Ben Krischke:

Anzeige

„Man kann sich vor linksextremer Gewalt recht einfach schützen, indem man zB kein Nazi ist“, twitterte am Mittwoch ein gewisser El Hotzo, der mit bürgerlichem Namen Sebastian Hotz heißt und im Netz als deutscher Satiriker, Podcastproduzent und Schriftsteller bezeichnet wird. Hotz ist Autor für das „ZDF Magazin Royal“ von Jan Böhmermann und Host eines Podcasts, den er gemeinsam mit der ZDF-Moderatorin Salwa Houmsi („13 Fragen“) macht, wird unter anderem also vom Gebührenzahler finanziert. 

In linken und woken Kreisen wird Hotz vor allem für seine Tweets gefeiert, die angeblich gute und kluge „Punchlines“ enthalten sollen, sich unterm Strich aber immer wieder intellektuell in vorhersehbaren Gut-Böse-Schemata erschöpfen, wie man sie verlässlich auch im „ZDF Magazin Royal“ beobachten kann, wo das Prinzip in etwa lautet: Alles Nazis, außer Böhmermann, El Hotzo und ihre Gesinnungsbrigaden.

Mit Hammer und Schlagstock

Hotz gehört zu jenen öffentlichen Personen, die im Zuge des Gerichtsverfahrens gegen die Linksextremistin Lina E. ihre Solidarität mit ihr bekunden respektive Straftaten einer Gruppe von Linksextremisten um diese Lina E. verharmlosen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, echte und vermeintliche Rechtsextremisten mit Hammer und Schlagstock zu traktieren und dabei auch den Tod ihrer Opfer in Kauf nahmen.

Auch die Journalistin Annika Brockschmidt, in die Schlagzeilen geraten wegen eines Buches, das sie über die neue Rechte in den USA geschrieben hat, ohne auch nur ein einziges Mal in die USA gereist zu sein, fordert in den sozialen Medien #FreeLina. Ebenso wie David Dreesen, irgendwie Anti-Kohlekraft-Aktivist von Beruf. Bei ihm klingt das dann so: 

„Während der Verfassungsschutz durchsetzt mit Nazis ist, werden Antifaschist*innen wie Lina für 5 Jahre und 3 Monate in den Knast gesteckt. Wäre der Verfassungsschutz nicht auf dem rechten Auge blind, müssten Linke diese notwendige Arbeit nicht übernehmen.“

Andere Menschen, lässt sich zusammenfassen, mit Hammer und Schlagstock halbtot zu prügeln, ist für Dreesen also „notwendige Arbeit“, die eigentlich der Verfassungsschutz leisten sollte. Aber auch der Chef der Grünen Jugend, Timon Dzienus, hat sich gleich in mehreren Tweets mit Lina E. solidarisiert.

Weitere Solidaritätsbekundungen kommen in verschiedenem Gewand von einem gewissen Civan Akbulut, Mitglied im Integrationsrat Essen, von der linken Krawallnudel Jutta Ditfurth, von einer ganzen Schar Politikern der Linken, darunter Bernd Riexinger und Julia Schramm, von Pippa Schneider, die für die Grünen im hessischen Landtag sitzt, und von dem bekannten Klimaaktivisten Tadzio Müller. Er findet: „#FreeLina: #antifa ist klimagerechtigkeit ist antifa ist…“ Diese Liste ließe sich noch lange fortsetzen. 

Eine Metallplatte im Gesicht, um nicht zu erblinden

Die große Zahl an Unterstützern, die die linksextremistischen Gewalttäter um Lina E. auf ihrer Seite wissen, ist zunächst einmal irritierend. Schließlich geht es hier nicht um gewöhnliche Antifa-Aktivisten, die etwa Nazi-Aufmärsche blockieren, sondern um Leute, die in überaus bösartiger Weise Selbstjustiz begangen haben, indem sie entweder Menschen über längere Zeit ausspähten, um sie zum richtigen Zeitpunkt zu überfallen, oder spontan auf Personen einprügelten, die sie als Rechtsextremisten zu erkennen meinten. Hier eine eingängige Passage aus einem Beitrag der FAZ zum Gerichtsverfahren gegen Lina E. und ihre Mitangeklagten:

Bei den Angriffen waren 15 Menschen zum Teil schwer verletzt worden. Am schlimmsten traf es einen Kanalarbeiter in Leipzig, der bei der Arbeit überfallen wurde, dabei einen mehrfachen Schädelbruch erlitt, bis heute eine Metallplatte im Gesicht tragen muss, weil er sonst erblinden könnte, der seine Arbeit verlor und aus Angst den Wohnort gewechselt hat. Die Täter hatten ihn spontan ausgewählt, weil er eine Mütze mit einem in der rechtsextremen Szene beliebten Kampfsportlogo trug. 

Ein Logo auf einer Mütze reichte den Tätern also bereits aus, um spontan auf einen Mann einzuprügeln. Was daran ganz konkret antifaschistisch oder, um nochmal Dreesen zu zitieren, „notwendige Arbeit“ sein soll, die eigentlich der Verfassungsschutz zu leisten hätte, erschließt sich mir beim besten Willen nicht. Mich erinnert das eher an rotlackierte SA-Schlägertrupps, die ihre Opfer im Zweifelsfall einfach auf der Basis reiner Äußerlichkeiten auswählen. 

Wenn eine oberflächliche Gesinnungsprüfung bereits dazu führt, dass ein Kanalarbeiter künftig eine Metallplatte im Gesicht tragen muss, um nicht zu erblinden, haben wir es hier jedenfalls nicht mit Leuten zu tun, die in irgendeiner Form den Faschismus verhindern würden, sondern mit sich selbstermächtigenden Extremisten, die sich von jetzt auf gleich in einen Blutrausch hineinsteigern können, den sie in ihrer irren Weltsicht moralisch zu begründen versuchen.

Selbstverständlich gehören diese Leute verurteilt und weggesperrt, weil sie eben nicht nur eine Gefahr für echte Neo-Nazis sind, sondern für eine ganze Gesellschaft, deren Bürger keine Gesinnungsnachweise mit sich herumtragen, mit denen sie notfalls nachweisen könnten, dass sie nicht sind, was andere in ihnen zu sehen meinen. Wer solchen Leuten applaudiert, wie in den sozialen Medien und sogar im Gerichtssaal geschehen, muss schon einen gewaltigen Sockenschuss haben. 

Prüffall für den Verfassungsschutz

Die Solidaritätsbekundungen für Lina E. haben aber noch zwei weitere Dimensionen. Erstens lehnen die Linksextremisten und damit auch ihre Unterstützer öffentlich und zwangsläufig Teile der demokratischen Grundordnung ab, was sie – wohlwissend, dass ich kein Jurist bin – vielleicht sogar zum Prüffall für den Verfassungsschutz machen könnte. Denn dessen Aufgabe ist es, sich um „Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind“, zu kümmern.

Teil dieser freiheitlich demokratischen Grundordnung sind die Gewaltenteilung und die Achtung von Grund- und Menschenrechten, wozu freilich auch das Gewaltmonopol des Staates sowie das Recht des Einzelnen auf körperliche Unversehrtheit gehört. Dieses Recht gilt auch für echte oder vermeintliche Neonazis, weil die Bundesrepublik Deutschland eben nicht der Wilde Westen ist. Selbstjustiz oder die Billigung bis Befürwortung von Gewalt gegen Einzelne gehört nicht dazu, steht mehr noch konträr zu den demokratischen Grundprinzipien und ist damit schlussendlich antidemokratisch; ja, selbst extremistisch.  

Von der Meinungsfreiheit gedeckt

Zweitens kommen die Solidaritätsbekundungen für Lina E. und Konsorten vielfach von Personen, die es sich im politischen Meinungskampf zur Aufgabe gemacht haben, auch legitime, also mindestens von der Meinungsfreiheit gedeckte Meinungen als „rassistisch“, „rechtsradikal“ oder „rechtsextremistisch“ zu framen und deren Urheber gerne mit dem mittlerweile völlig inflationär gebrauchten Begriff „Nazi“ ins politische Abseits zu stellen.

Lassen Sie uns das bis zum Ende denken, bis zum Worst-Case-Szenario: Wer findet, es sei in irgendeiner Weise legitim, „Nazis“ mit Hammer und Schlagstock halbtot zu prügeln, und gleichzeitig bereitwillig Menschen als „Nazis“ diffamiert, obwohl der Vorwurf bei näherer Betrachtung hanebüchen ist, legitimiert in der Folge nicht nur Gewalt gegen echte Rechtsextremisten, sondern auch gegen nicht-linke Andersdenkende, die von Dritten in die gleiche Schublade einsortiert werden. Dadurch ließen sich sogar körperliche Angriffe auf den Grünen-Politiker Boris Palmer relativieren bis legitimieren, schließlich gilt auch der manchen Wirrköpfen als „Nazi“.  

Gestern der Nazi, morgen der Konservative

Gut möglich, dass sich die Solidaritätsbekundler gar nicht im Klaren darüber sind, welcher Domino-Effekt ausgelöst werden würde, wenn man ihre Perspektive auf Lina E., ihre Vorstellungen vom politischen Kampf und ihre Gewalttaten nur konsequent weiterdenkt. Aber gesellschaftliche Fehlentwicklungen entstehen eben nicht über Nacht, sie fangen irgendwo an und führen dann irgendwo hin. Gut möglich auch, dass die Solidaritätsbekundungen für Lina E. nur ein weiteres Indiz dafür sind, dass es um das logische Denken schlecht bestellt ist im Land und in den sozialen Medien zu viele Dummköpfe zu viele Follower haben. 

Alles gut möglich, ja. Aber hinterher soll dann bitte niemand sagen, man habe nicht kommen sehen, dass es gestern einen echten Neonazi getroffen hat und heute einen vermeintlichen Neonazi trifft. Und morgen vielleicht schon einen bekennenden Konservativen und übermorgen jemand mit Hammer und Schlagstock halbtot geprügelt wird, weil er oder sie einzelnen Protagonisten schlicht nicht links genug ist. 

Anzeige