Aktivistengruppe „Letzte Generation“ - Bitte brechen Sie aus „Klimaangst“ nicht die Schule ab

Neues von der „Letzten Generation“: Die Aktivistengruppe, die sich aus Protest gegen den Klimawandel gerne auf Autobahnen festklebt, wirbt derzeit damit, dass immer mehr junge Menschen aus „Klimaangst“ das Abitur abbrechen – um Widerstand zu leisten. Der aufgeklärte Bürger fragt sich: Warum machen sie nicht Abitur und studieren Ingenieurwesen, BWL, Jura oder Meeresbiologie, um in einer der vielen Branchen neue Ideen und Innovationen gegen den Klimawandel zu entwickeln?

Gletscherlagune in Island: Warum nicht etwas Sinvolles studieren, statt das Abitur hinzuschmeißen? / dpa
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Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

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Jakob wird nicht an der Abiturprüfung teilnehmen, kündigt er in den sozialen Medien an. Jakob ist 20 Jahre alt, und eigentlich wäre dieser Tag der erste Tag seiner Abiturprüfung gewesen, erzählt er, aber Jakob geht halt nicht hin. Monatelang hat er für die Abiturprüfung gelernt, sagt er. Aber statt in die Schule zu gehen an diesem kalt-sonnigen Tag im März, geht Jakob lieber auf das Tempelhofer Feld in Berlin und liest eine Erklärung von einem Blatt Papier ab. Das wirkt ein bisschen so, als befände sich Jakob derzeit in Geiselhaft und unterbreitete der Weltöffentlichkeit die Forderungen seiner Entführer.

Und ein bisschen wirkt das nicht nur so, sondern ist es wohl auch, weil Jakob eigentlich ein netter Kerl zu sein scheint, der leider in die Fänge der derzeit neben Zero-Covid populärsten Endzeit-Sekte der Bundesrepublik geraten ist: die der „Letzten Generation“. Zur Erinnerung: Das sind die Leute, die sich auf Autobahnen festkleben, Tomaten auf die Fassade des Hans-Dietrich-Genscher-Hauses werfen und mit Schaufeln und Spaten vor das Kanzleramt ziehen, um aus Protest Löcher in eine der Grünflächen zu buddeln und darin Kartoffeln zu pflanzen, was übrigens nur semi-reibungslos funktionierte.

Schuleschwänzen reicht nicht mehr

Jedenfalls hat Jakob, derzeit in der 13. Klasse, beschlossen, sein Abitur abzubrechen. Darum geht es in seiner Erklärung auch, die die erwähnte „Letzte Generation“ in den nie mehr vergessenden Weiten des Internets verbreitet – inklusive einer interessanten Botschaft: „Aus Angst vor den Folgen der Klimakrise brechen immer mehr junge Menschen ihr Abitur ab und leisten Widerstand“, schreibt die Aktivistengruppe. Und feiert Jakob offenkundig auch ein bisschen für seine „Klimaangst“ und dafür, dass er findet, dass die „Bundesregierung darin versagt, die Zukunft junger Menschen zu schützen“, weshalb er jetzt mindestens seine akademische Zukunft wegwerfen muss.

Ich habe nichts gegen junge Leute, die sich gegen den Klimawandel engagieren. Ganz im Gegenteil. Das schrieb ich bereits mehrfach, unter anderem hier. Aber ich habe mich beim Ansehen dieses Videos schon gefragt: Warum macht Jakob – und alle anderen Abi-Verweigerer, weil freitags Schuleschwänzen wohl allein nicht mehr reicht – nicht lieber sein Abitur und studiert Ingenieurwesen, Physik, irgendwas mit IT, BWL, Jura, Meeresbiologie oder irgendein anderes Fach, mit dem man in irgendeiner der unzähligen Branchen neue Ideen entwickeln und echte Innovationen vorantreiben kann, mit denen sich aktiv etwas gegen die Klimaapokalypse unternehmen lässt? Wäre das nicht sinnvoller, als sich nun hauptberuflich auf Autobahnen zu kleben? Oder Erklärungen auf dem Tempelhofer Feld zu verlesen?

Planetenrettungsgründe gehen vor

Ein Nutzer brachte mich auf die Idee, dass Jakob vielleicht längst weiß, dass er das Abitur nicht schaffen wird. Und wenn dem so ist, kann ich ihn nur beglückwünschen zu einer derart brillanten Exit-Strategie. Denn selbstverständlich ist es für ihn und seine Eltern einfacher, gegenüber der kritischen Verwandtschaft und den neugierigen Nachbarn zu erläutern, dass Jakob aus Planetenrettungsgründen das Abitur geschmissen hat. Und nicht etwa deshalb, weil er bereits wusste, dass es „notentechnisch“ nicht reichen wird und er ohnehin lieber einen eigenen Kimchi-Kiosk in Kreuzberg eröffnen will.

Ich befürchte allerdings, dass Jakob tatsächlich glaubt, er würde einen sinnvollen Beitrag zum Klimaschutz leisten, wenn er sein Abitur hinwirft. Und ich glaube auch, dass wiederum Jakob glaubt, er würde das freiwillig tun und nicht etwa deshalb, weil ihm irgendwelche Wohlstandsverwahrlosten seiner Generation, die es ohnehin zu nichts bringen werden, eingeredet haben, das sei sein richtiger Weg, um den Weltuntergang zu verhindern. Verstehen Sie mich nicht falsch: Jeder soll selbst entscheiden, ob er Abitur machen möchte oder nicht. Aber als passionierter Radler erschließt sich mir einfach nicht, warum man die Tour ohne Not kurz vor dem Ziel abbrechen sollte.

Noch 70 Lebensjahre bleiben

Ein junger Mann mit gerade einmal 20 Lenzen war ich gleichwohl auch einmal, und ich kann mich sehr gut daran erinnern, welchem Blödsinn auch wir damals aufgesessen sind. Etwa, dass es in Europa nie wieder Krieg geben wird, wenn Deutschland nur fleißig die Bundeswehr kaputtspart und wir im Gegenzug den Kriegsdienst verweigern. Oder welchem Blödsinn Teile der jungen Generationen vor uns aufgesessen sind, als sie die Schule schmissen, um, sagen wir, Mitglied von anderen Endzeit-Sekten wie der Manson-Familie in den USA zu werden.

Beides – Bundeswehr und Manson-Familie – ist nicht gut ausgegangen, wie wir mittlerweile wissen. Und wahrscheinlich wird auch die Sache mit Jakob und den anderen jungen Menschen, die sich beim Klimaaktivsmus verrennen, nicht gut ausgehen, weil sich der Arbeitsmarkt nicht dafür interessiert, welche ehrenwerten Absichten sie nicht dorthin gebracht haben, wo sie hätten sein können. Und die Jobsuche wird in den kommenden Jahren tendenziell eher noch viel schwieriger als leichter werden, weshalb so ein Abitur eine gute Grundlage sein kann, um nicht in der Gosse zu landen. Daher mein Appell an die Jugend: Bitte brechen Sie aus „Klimaangst“ nicht die Schule ab. Es wird Sie nämlich nirgendwo hinbringen. Und den Planeten retten Sie damit auch nicht.

 

 

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