Aktion von „Letzte Generation“ - Der Potsdamer Püree-Sonntag

Die Aktivisten von „Letzte Generation“ nehmen die Öffentlichkeit in Geiselhaft ihrer Aufmerksamkeitsguerilla. Mit ihrer jüngsten Aktion im Potsdamer Museum Barberini haben sie jedoch eine Grenze überschritten. Die Aktion dokumentiert Anarchie im Endstadium, kurz bevor sie auf die Zielgrade zum Terrorismus einmündet.

Die Bildung wird püriert: Aktivisten der „Letzten Generation“ / dpa
Anzeige

Autoreninfo

Ralf Hanselle ist stellvertretender Chefredakteur von Cicero. Im Verlag zu Klampen erschien von ihm zuletzt das Buch „Homo digitalis. Obdachlose im Cyberspace“.

So erreichen Sie Ralf Hanselle:

Anzeige

Noch immer ist es in den Top 20 der teuersten Gemälde der Welt. Als am 14. Mai 2019 Claude Monets 1890 entstandenes Gemälde „Meules“ für einen Rekordwert von damals 110,7 Millionen Dollar bei Sotheby’s in New York unter den Hammer kam, da war diese Ikone des französischen Impressionismus der teuerste Monet aller Zeiten. Die vier Getreideschober, die von links von einer warmen Abendsonne angeleuchtet werden, gehörten – so ihr neuer Besitzer, der deutsche Kunstsammler und Softwareunternehmer Hasso Plattner – nicht einfach in einen Safe oder in ein Zolldepot an irgendeinem lausigen Flughafen, sie sollten öffentlich ausgestellt werden. Und das übrigens zum ersten Mal seit 1945.

Gesagt, getan: Plattner zeigte das Gemälde, das letztlich zu einer Serie von 28 weiteren Getreideschober-Darstellungen gehört, die der begeisterte Plein-air-Maler Monet zwischen 1888 und 1891 in der Nähe seines Hauses in der Normandie gemalt hatte, das erste Mal 2020 in der Ausstellung „Monet.Orte“ in seinem eigenen Museum Barberini in Potsdam. Dort sollten die „Meules“ ein Leuchtturm der Sammlung werden. Ein Plan, der aufging: Das Gemälde machte das Haus zumindest in Sachen impressionistische Malerei anschlussfähig an das Kunsthaus Zürich oder ans Hill-Stead-Museum in Farmington. Dort, wie an vielen anderen Orten auf der Welt, sind bis heute ebenfalls Heuhaufen von Claude Monet zu sehen – mal wurden sie von ihrem geistigen Schöpfer im eisigen Winterlicht, mal in der hellsten Sommersonne gemalt.

Die Wunderkammer des Hasso Plattner

Im Nachhinein aber muss man wohl sagen, dass Plattners Idee eine Schnapsidee war. Ja, vielleicht war es sogar der dümmste Einfall, seit Carl I. von Braunschweig-Wolfenbüttel 1754 seine schlosseigene Wunderkammer in das erste öffentliche Museum auf deutschem Boden überführt hatte. Man möge das bitte nicht falsch verstehen: Es ist hier ja nicht so, dass der Autor dieser Zeilen ein Gegner der damals in Fahrt kommenden Aufklärung wäre, mit der im 18. Jahrhundert unzählige Kunst- und Kuriositätenkabinette aufgelöst und in großzügige Ausstellungshäuser für jedermann verwandelt wurden. Im Gegenteil. Doch das, was sich da am vergangenen Sonntag unter den Augen einer im schlechtesten Fall gelangweilten, im besten Fall pseudo-erregten Öffentlichkeit in der Potsdamer Milliardärs-Wunderkammer des Hasso Plattner ereignete, das dokumentiert wohl leider nur allzu deutlich, dass bis zum heutigen Tage alle Versuche, die Menschheit aufzuklären und die Kunst gar zu demokratisieren, irgendwann doch nur in Spektakel und Stupidismus, mit einem Wort also in Beklopptheit münden.

Dabei nahm es zunächst sogar einen interessanten Anfang: „Die Wissenschaft sagt, dass wir 2050 unsere Familien nicht werden ernähren können“, brüllte da vorgestern gegen 15 Uhr die 25-jährige Mirjam Herrmann, Mitglied der sogenannten Klima-Aktivisten von „Letzte Generation“ just in jenen Ausstellungssaal des Barberini hinein, in dem seit nun fast zwei Jahren Monets „Meules“ zu bewundern sind. Es geht also um Wissenschaft! Mehr Aufklärung scheint ja fast nicht möglich zu sein! Also, Obacht und aufgepasst! Herrmann trägt eine orangene Sicherheitsweste, ein schwarzes T-Shirt und ist sichtlich erregt. Nicht, weil, wie es sich vielleicht Aufklärer wie Descartes oder Lichtenberg einst in ihrer edlen Bildungs-Bubble ausgemalt hatten, der Kunstgenuss sie von ihren Merinowollsocken geholt hätte – derlei ästhetische Menschenerziehung hat ja auch schon bei den Schnellklebern in Dresdens Galerie Alte Meister oder in der Berliner Gemäldegalerie nicht funktioniert. Was Herrmann wirklich fertig macht, ist etwas anderes: „Menschen hungern. Menschen frieren. Menschen sterben.“ 

Kitsch mit Kartoffelstampf

Und weil das so ist, und weil eben zu allem Überfluss, so hat es die von der Aufklärung einst so hoch gehaltene Wissenschaft festgestellt, der Klimawandel an dieser Misere mit Schuld trägt, hat Herrmann zusammen mit einem Freund von den seit Monaten nun schon öffentlich dahinscheidenden Öko-Apokalyptikern der Generation Z++ etwas lauwarmen Kartoffelbrei zusammengerührt und diesen über Plattners teuersten Monet gekippt. 

Das Ergebnis ist ein Stendhal-Syndrom von schmierig-pappiger Substanz. Anarchie im Endstadium, kurz bevor sie auf die Zielgrade zum Terrorismus einmündet. Nur eine Glasscheibe vor dem Gemälde konnte diesmal noch verhindern, dass Monets Getreideschober nachhaltig Schaden nahm. Am kommenden Mittwoch, so das Museum, soll das Werk wieder in der Ausstellung zu sehen sein.

Für manchen sind es eben Millionenwerte, für blasiertere Geister ist es schlicht banales und gedroschenes Heu. Ähnlich klebrigen Öko-Kitsch gab es übrigens schon vor gut einer Woche in der Londoner National Gallery, als Vandalen der Aktionsgruppe „Just Stop Oil“ Tomatensuppe über Van Goghs „Sonnenblumen“ von 1888 vergossen, sich dann in der Nähe des Bildes festklebten und zu allem Überfluss auch noch den Rahmen des berühmten Kunstwerks mit beschädigten.

Püree statt Poesie

„We make this Monet the stage and the public the audience“ – wir haben aus diesem Monet eine Bühne und aus der Öffentlichkeit ein Publikum geformt. Nach dem Potsdamer Püree-Sonntag war dieser Satz in fast surrealistischer Verschränkung und im Duktus schöpferischen Größenwahns auf dem Twitter-Account von „Letzte Generation“ zu lesen. Willkommen in Geiselhaft der Aufmerksamkeitsguerilla! Zu der feinen Poesie des Lichts, wie sie Claude Monet einst mit ungezählten zarten Strichen auf die große weiße Leinwand brachte, fällt diesen selbsternannten Erderlösern wohl nichts weiter ein, als selbst aus dieser noch eine dreckige Bombe für ihren Krieg um narzisstische Zufuhr zu basteln.

Die Aufklärung jedenfalls macht so einen Kullerkopf und droht Meter um Meter zurückzurudern. Gut möglich, dass Kunstwerke, die eigentlich zum Bildbestand der Menschheit gehörten, bald für immer hinter den schweren Türen privater Sammlungen oder in den Kunstkabinetten von Milliardären verschwinden. Aus Sicherheitsgründen, wie es dann wohl heißen dürfte. Was oben längst zur elitären Ware verkommt, das wird nun unten zu Kartoffelstampf zertreten. Das also kommt dabei raus, wenn eine ganze Generation ihre Bildung durch die Püriermaschine jagt. Man muss die Kunst ja nicht mal mögen, zumal dann nicht, wenn sie geistreich ist. Für Banausen gilt seit eh und je ohnehin eine weit plattere Order: Mit Essen, heißt es da, spielt man nicht! 
 

Anzeige