Amazon-Prime Serie „Last One Laughing“ - Bitte nicht lachen!

Seit Beginn der Pandemie ist den meisten Menschen nicht mehr zum Lachen zumute – da kommt die neue Amazon-Prime.Serie „Last One Laughing“ genau richtig. Wer lacht, hat verloren. Die Comedy ist das Produkt einer übersteigerten Identitätspolitik. Was macht die mit unserem Humor?

Nichts ist so lustig wie heiße Luft / dpa
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Autoreninfo

Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

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Ausgerechnet Heino. Der Mann, der für die einen Deutschlands bekanntester Volkssänger ist und für die anderen eine Karikatur seiner selbst. Mit Sonnenbrille, semmelblondem Toupet und sonorer Stimme. Heino also singt „Kein schöner Land in dieser Zeit“, aber er singt es nicht wie sonst. Zwischen zwei Strophen inhaliert er Helium aus einem Ballon, und wie das klingt, kann man an den Gesichtern der Comedians ablesen, die sich auf ein Experiment eingelassen haben, das es so im deutschen Fernsehen noch nicht gegeben hat. Normalerweise würden sie jetzt laut losprusten. Aber das dürfen sie nicht.

Das ist der Clou von „Last One Laughing“ – kurz: LOL. Das Format kommt aus Japan und räumt in Australien und Mexiko gerade richtig ab. Und auch hierzulande hat es LOL innerhalb weniger Wochen auf Platz eins der am meisten gestreamten Titel bei Amazon Prime geschafft. Wer lacht, hat verloren. Einmal ist okay, aber nach dem zweiten Mal fliegt er aus der Show raus. Und das führt zu Szenen, wie man sie noch aus der eigenen Schulzeit kennt, als man vor unterdrücktem Lachen beinahe geplatzt wäre, wenn der Musiklehrer aus Siebenbürgen forderte, dass man den Takt des südamerikanischen Befreiungsliedes  „El Zompopo“ mit dem Bleistift auf den Tisch klopfen sollte, während er die Augen schloss und dazu sang: „Wer könn-te wie ein Zom-po-po sein und nie-mals Un-recht spü-ren .....“ 

Lachen über heiße Luft

Den zehn Prominenten, die Amazon Prime für knapp sechs Stunden in eine Big-Brother-ähnliche Wohnküche gesperrt hat, geht es da nicht anders. Dabei ist es das Who’s Who der deutschen Comedy, das sich dort in der ersten Staffel versammelt hat, von A wie Anke Engelke bis T wie Torsten Sträter. Männer und Frauen also, die wissen, wie man andere zum Lachen bringt.

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Man könnte auf die Idee kommen, das bewahre sie davor, selbst über jede noch so platte Nummer loszuwiehern. Aber so ist es nicht. Die Profis finden alles lustig. Die Python aus Plastik, die Teddy Teclebrhan mit einer Blockflöte hypnotisiert. Die Tonsur, die sich Max Giermann rasiert, um zu demonstrieren, dass er für das Preisgeld – 50.000 Euro für einen guten Zweck – auch bereit ist, dorthin zu gehen, wo es wehtut. Ja, sogar den „Kölsch-Furz“, den Carolin Kebekus so gekonnt imitiert, als hätte sie ihr Leben lang nichts anderes gemacht. Lachen ist eben ein Reflex. Und den Besten der Branche dabei zuzuschauen, wie sie selbst dagegen ankämpfen, das ist großes Kino. 

In der Hölle 

Heino, so viel kann man verraten, wird für die Profis zum Härtetest. „Kein Schöner Land“ mit der Stimme der Chipmunks gesungen, das grenzt an psychologische Kriegsführung. Max Giermann treten die Augen aus den Höhlen, Mirco Nontschew braucht eigentlich eine Tüte, um nicht zu hyperventilieren. Und Wigald Boning macht das, was man von einem erwartet, dem „eine Ente jeden Morgen die Klamotten aus dem Nick-Knatterton-Fundus zieht“ (Torsten Sträter): Er flüchtet sich in einen Ausdruckstanz. 

Ein Leben ohne Lachen ist also möglich, suggeriert diese Übersprunghandlung. Aber die Folgen sind fürchterlich. Für alle Fälle sollten immer Männer in weißen Kitteln in der Nähe sein. Wobei, vielleicht kommt ärztliche Hilfe schon zu spät. Kurt Krömer, dem Schrecken aller Schwiegermütter, schwant Schreckliches: „Vielleicht haben wir unsere Körper verlassen und sind schon auf einer anderen Ebene. Weißte, vielleicht sind wir schon alle tot oder in der Hölle.“ 

Krachlederne Blondinenwitze von Mario Barth

Ernst bleiben, obwohl man sich vor Lachen auf den Boden werfen möchte. Das Muster ist nicht ganz neu. Schon Hape Kerkeling hat sein Publikum auf eine harte Probe gestellt, als er als durchgeknallter Tenorsänger ein Kurzgedicht rezitierte, das in seiner Einfachheit brüllend komisch war: „Der Wolf. Das Lamm. Hurz!“ Das war 1991. Seither hat die Deutsche Comedy kaum Anstrengungen unternommen, das Vorurteil zu widerlegen, sie sei nicht besonders witzig. Dass Deutschlands erfolgreichster Komiker Mario Barth nur den Fundus gut abgehangener Blondinenwitze plündern muss, um 116.498 Besucher ins Berliner Olympiastadion zu locken und damit einen Weltrekord aufzustellen, spricht für sich.

Mit dem Lachen ist das so eine Sache. Wo hört Schadenfreude auf? Wo fängt Beleidigung an? Diese Frage spielte früher kaum eine Rolle. Man durfte lachen, worüber man wollte, auch über Behinderte, Schwule oder Schwarze. Die, die es betraf, hatten keine Stimme. Doch das ist jetzt anders. Und das ist gut so. Doch immer häufiger schießen die Humorwächter auch übers Ziel hinaus. Die Identitätspolitik hat den Humor in ein enges Korsett geschnürt.

Wo Humor draufsteht, ist Moral drin

Humor ist zur Mogelpackung geworden. Wo Humor draufsteht, ist heute immer häufiger Moral drin. Oder political correctness. Fragen Sie Dieter Nuhr. Jedes mal, wenn er Witze über Greta Thunberg oder Islamisten macht, tritt er einen Shitstorm los. Der Rechtfertigungsdruck sei inzwischen so groß, dass er sich selber dabei ertappe, wie er seine Texte präziser formuliere, hat er im Interview mit der NZZ gesagt, „weil da auf der einen Seite die politisch Korrekten darauf warten, dass sie einem irgendwelche Vorwürfe machen können, und auf der anderen Seite die Populisten sind, die einen auf ihre Seite ziehen wollen“. 

In der Pandemie ist vielen das Lachen vergangen. Das haben gerade die Schauspieler erfahren, die sich in Kurzfilmen über die Corona-Politik der Bundesregierung lustig machten – Hashtag: Allesdichtmachen. Trafen sie nicht den richtigen Ton? Verhöhnten sie die Hinterbliebenen der erstickten Corona-Kranken, wenn sie wie Richy Müller in eine Tüte atmeten? Spielten sie mit ihren Videos Querdenkern und Corona-Leugnern in die Hände? Nach massiver Kritik zog jeder dritte Teilnehmer seinen Film wieder zurück. Satire sei in diesen aufgeheizten Zeiten nicht das richtige Mittel, räumte der Schauspieler Jan-Josef Liefers in der Talkshow „3 nach 9“ kleinlaut ein.

Es geht um die Wurst 

Vor diesem Hintergrund erscheint „LOL!“ wie ein Befreiungsschlag. Für den Herbst hat Amazon Prime gerade eine zweite Staffel angekündigt. Gut, es ist zwar keine Sternstunde der Comedy. Und Loriot, der Grandseigneur des Humors, würde vermutlich vor Schmerz in seiner Gruft rotieren, könnte er sehen, womit die großartige Anke Engelke in dieser Show punkten kann. Sie muss einfach nur eine Kochmütze aufsetzen, wie man sie bei Mario Barth erwarten würde, aber nicht bei Deutschlands größter Komikerin. Es ist so eine Mütze mit einer überdimensionalen Wurst über der Stirn. „Ich glaube, das Kostüm ist ein bisschen frivol angehaucht“, entfährt es Torsten Sträter. Der Westfale hat nur zwei Gesichtsausdrücke. Aber in diesem Moment sieht man, wie seine Mundwinkel zucken. 

Sexismus, würden Hardcore-Feministen an dieser Stelle reflexartig rufen. Aber das ist das Schöne an LOL! Kein Humor-TÜV wacht darüber, ob ein Gag politisch korrekt ist oder nicht. In Zeiten, wo Satire nicht mehr alles darf, weil die Nerven blank liegen und jedes Wort auf die Goldwaage gelegt wird, hat das etwas ungemein Kathartisches.

Der Humor ist wieder bei sich selbst angekommen. Es geht um die Wurst.

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