Kritikfähigkeit der Grünen - If you can’t stand the heat, get out of the kitchen

Harte Kritik an den Grünen wird von Partei und Unterstützern verlässlich als rechte Kampagne abgetan. Diese Mischung aus Aggression und Weinerlichkeit ist für Außenstehende zum Fremdschämen - und einer Regierungspartei unwürdig.

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Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

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„Eine *Analyse* kann ich da nicht entdecken. Nur rechts-reaktionäre Meinungsmache. Die konservative Entourage versucht, einen Skandal zu stilisieren um Habeck maximal zu beschädigen. Die Motive sind klar. Und ja, die #fdpschadetunsAllen gehört raus aus der Regierung. Sauhaufen“, schleudert uns – also der Redaktion, die diese Seiten füllt – ein Mann, eine Frau oder halt irgendwer irgendwo in diesem Spektrum, das Geschlecht heute sein soll, auf Twitter entgegen. Ein anderer User schreibt: „Kampagnenjournalismus des Cicero. Nicht ernstzunehmendes Scheißhausblatt.“

Zunächst einmal bemerkenswert, welche Wortwahl (wahrscheinlich) erwachsene Menschen bisweilen wählen, wenn sie die eigenen Unzulänglichkeiten aus der Anonymität heraus in 280 Zeichen gießen, weil sie halt auch dabei sein wollen, wenn „das Land“ – vertreten sogar durch Medien mittlerweile, welche die Grünen eigentlich lieb haben – über den Habeck-Graichen-Clan berichtet und diskutiert; und darüber – Vorsicht, ich übertreibe jetzt ein bisschen –, ob Robert Remmo den Patrick Remmo hätte aus dem Wirtschaftsministerium werfen müssen, um dem Eindruck entgegenzuwirken, dass an den Schaltstellen der Klima-Macht die Vetternwirtschaft regiert.

„Ich bin nicht bereit, Menschen zu opfern“

Wie dieses Busenkumpel-Kasperletheater wohl ausgehen wird, wissen wir mittlerweile – jedenfalls nach aktuellem Stand, weil freilich niemand sagen kann, welche fußbetonierten Habeck-Graichen-Leichen noch so auf dem Grund der Spree darauf warten, endlich geborgen und ans Tageslicht gebracht zu werden. „Ich bin nicht bereit, Menschen zu opfern“, sagt Wirtschaftsminister Habeck, ergo, dass er Graichen nicht vor die Tür setzen wird.
 

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Das ist einerseits eine gute Nachricht, weil Scheiterhaufen bekanntlich jede Menge CO2 produzieren, aber andererseits eine schlechte Nachricht, weil Habeck durch das Festhalten an seinem Staatssekretär das Problem Graichen direkt zum Problem Habeck macht und beim Wähler somit der Eindruck bleibt, dass die Grünen als moralische Instanz völlig versagen, weil moralische Instanzen oder solche, die sich dafür halten, nicht nach ihren eigenen Regeln spielen sollten. 

Machen wir uns nichts vor: Jeder andere Minister hätte durchgegriffen, inklusive personeller Konsequenzen. Aber nicht so die Grünen, weil die Weltrettung eben wichtiger scheint als die Moral, und was moralisch ist, bestimmen freilich die Habecks, Baerbocks, und Langs dieser Welt, nicht der gesunde Menschenverstand der einfachen Leute da draußen, die dank Inflation und Energiekrise immer weniger reales Netto vom Brutto haben, während sich eine grüne Entourage gegenseitig lukrative Pöstchen zuschanzt.  

Der grüne Filz

Dass Robert Habeck jetzt trotzdem durchzieht, diesen jüngeren Skandal aussitzt und weitermacht wie bisher, leuchtet nur jenen ein, die Teil dieser Clan-Posse sind oder die Grünen bedingungslos unterstützen, weil besonders der klimabewegte Deutsche erstens gerne folgt und weil die Grünen zweitens einen ganz eigenen Umgang mit Kritik an ihnen haben, auch mit berechtigter. Wird Unschönes über die Union, die FDP, die SPD, die Linke und insbesondere die AfD dank fleißigen Rechercheuren aufgedeckt, gilt das als (investigativer) Journalismus.

Trifft es allerdings die Grünen, ist es dann plötzlich kein Journalismus mehr, sondern eine Kampagne von Rechts-Reaktionären und Scheißhausblättern, wozu dann logischerweise nicht nur Cicero oder die „Springer-Presse“ zählen müssten, sondern auch der Spiegel, der maßgeblich beteiligt war und ist, den grünen Filz in und um das Wirtschaftsministerium aufzudecken.

„Danke Robert“

Ich könnte an dieser Stelle so viele Tweets sammeln, in denen behauptet wird, was die Grünen derzeit erleben, sei eine fiesgemeine Kampagne, dass Sie, liebe Leser, bis Ende der Woche noch mit der Lektüre beschäftigt wären. Mindestens.

Exemplarisch einigen wir uns aber vielleicht auf einen Auszug eines Gesprächs mit Robert Habeck und eine Twitter-Reaktion der bayerischen Grünen-Chefin Katharina Schulze auf ebendieses. Denn ich bin heute Abend noch auf einen Geburtstag eingeladen und muss morgen die Kreisligamannschaft meines Schwagers anfeuern, weil mit der Verschwägerung, Patrick Graichen wird das verstehen, eben gewisse Verpflichtungen einhergehen. 

Also Aufritt Robert Habeck bei Ingo Zamperoni in den Tagesthemen: „Ich erlebe in den letzten Wochen, dass Beleidigungen und teilweise Lügen verbreitet werden, um eins durchzusetzen: Die Verhinderung der Dekarbonisierung des Klimaschutzes im Wärmebereich. Da bin ich nicht bereit, Menschen zu opfern, um dieser Kampagne nachzugehen.“ Da konnte sich selbst Zamperoni einen Schmunzler nicht verkneifen. Reaktion Schulze: „*drei Applaus-Smileys* Danke Robert“. 

Letzter Haufen grüner Groupies

Um meinen Kollegen Daniel Gräber an dieser Stelle zu zitieren: „Ein weinerlicher, unangemessen selbstbezogener Auftritt des Wirtschaftsministers der viertgrößten Volkswirtschaft der Welt. // if you can’t stand the heat, get out of the kitchen //“ Ja, lieber Kollege, da ist schon was dran. München grüßt anerkennend nach Berlin.

In der Tat zeigte Robert Habeck in den Tagesthemen eindrücklich, worauf man sich bei den Grünen in Sachen Umgang mit Kritik an ihnen längst verständigt hat: Kritik an den Grünen wird von Partei und Unterstützern verlässlich als (rechte) Kampagne abgetan. Beim letzten Haufen grüner Groupies mag derlei infantiles Gerede zwar zünden, aber für Außenstehende ist diese immer wieder zutage getragene Mischung aus Aggression und Weinerlichkeit arg zum Fremdschämen – und einer Regierungspartei eigentlich auch unwürdig. 

Umbaupläne mit der Axt

Denn der Witz ist doch der: Einerseits wollen die Grünen wie die größten Berserker ihre Umbaupläne mit der Axt und fast ohne Rücksicht auf Verluste in die Gesellschaft schlagen, während sie Mitgliedern gegnerischer Parteien auch gerne mal vorwerfen, Klimafeinde, Ausländerfeinde, Transfeinde oder Judenfeinde zu sein. Aber wenn es gegen die eigenen Leute geht, dann wird so getan, als wäre man doch nur vom Aussterben bedrohte Zimtlatschen-Hascherl, die gerade von einem Nazi-Mob verprügelt werden.

Höchste Zeit, erwachsen zu werden, Herr Habeck, Herr Nouripour, Frau Schulze und Frau Lang. Politik ist kein Ponyhof, sondern eine Arena, und wer in Regierungsverantwortung ist, der sollte erst recht mit harten Bandagen kämpfen, wenn es mal nicht gegen die Union und die FDP geht, sondern gegen die Grünen: If you can’t stand the heat, get out of the kitchen – and back auf die Oppositionsbank. 

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