Karneval mit AKK - Wann kommt der Humorwächterrat?

Annegret Kramp-Karrenbauer gerät nach ihrem Auftritt beim Karneval in einen Entrüstungssturm, genau wie der Komiker Bernd Stelter. Ihre Witze waren zwar bieder, doch die Empörung darüber ist albern. Deutschland hat offenbar ein Humorproblem. Woher kommt das?

„AKK“ beim Karneval: Humor braucht Gelassenheit / picture alliance
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Autoreninfo

Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Karneval ist die Zeit, in der die Deutschen keinen Spaß verstehen. Diese Erfahrung musste nun die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer machen. Sie witzelte beim „Stockacher Narrengericht“, einer Faschingsveranstaltung in Baden-Württemberg, über die Berliner „Latte-Macchiato-Fraktion“, die sich „Toiletten für das dritte Geschlecht“ ausgedacht habe. Dort könnten nun „Männer, die noch nicht wissen, ob sie noch stehen dürfen beim Pinkeln oder schon sitzen müssen“, ihr Geschäft verrichten. Den Tatbestand der Intersexualität hat Kramp-Karrenbauer damit eher unzutreffend wiedergegeben. Gewiss aber hat sie sich nicht an der Menschenwürde vergangen, hat sie nicht gehetzt, hielt eine Hasspredigt – und wie die grotesken Vorwürfe alle heißen, die nun auf „AKK“ niederprasseln.

Humor braucht Gelassenheit

Deutschland hat ein Problem mit dem Humor, weil es ein Problem mit sich selbst hat. Humor braucht Gelassenheit und braucht ein Urvertrauen in die Kraft der freien Rede. An beidem mangelt es sehr. Hierzulande wird der politisch korrekte Witz gefordert, der einen Wattebausch bereit hält für die öffentliche Konsensmeinung und den Holzhammer für die weltanschauliche Abweichung. Ganz in diesem Sinn erklärte Berlins Regierender Bürgermeister, Michael Müller von der SPD, prompt und erwartbar: Hinter Humor stehe „immer eine Haltung“. Das Unwort des Jahrzehnts, die „Haltung“, wird umgebogen zur Regierungsdoktrin. Die von Müller bei Kramp-Karrenbauer vermisste, „dem Amt und der Funktion angemessene Haltung“ meint karnevaleske Schonung für jene Gruppen, als deren Lobbyisten sich die Humorlosen begreifen.

Humor zu pädagogischen Zwecken ist aber kein Humor. Das kollektive Lachen, das er anzielt, kommt nicht urwüchsig, selbsttätig, aus der Überrumplung der humoralen Säfte, sondern ist das sozial erwünschte, das offiziell prämierte Lachen. Derlei unlustiger Haltungshumor war am Freitag beim ZDF zu besichtigen, wo im Mainzer Karneval plump gewütet wurde: gegen den amerikanischen Präsidenten, „die Kanalratte aus Washington“, der man das baldige Ertrinken in den Abwasserkanälen von Mainz wünschte, worüber die SPD-Politikerinnen Malu Dreyer und Andrea Nahles ausweislich der Fernsehbilder herzhaft lachten; und von der Kunstfigur des „Messdieners“ unter großem Gejohle gegen die „Alternative für Deutschland“. War das lustiger als Kramp-Karrenbauers müdes Witzchen? Legte sich jemand, wie es im Fall des „dritten Geschlechts“ geschah, für die Menschenwürde des geschmähten Donald Trump ins Zeug? Bisher nicht.

Muss jede Art von Humor vorher eingereicht werden?

Auch Witzeprofi Bernd Stelter geriet in einen linken Entrüstungssturm, als er sich über Frauen mit Doppelnamen mokiert hatte. Dagegen begehrte eine Frau direkt in der Karnevalssitzung auf und stürmte die Bühne. Über Stelters biederen Witz mag lachen, wer mag. Sich aber jeden Witz zu verbitten, der der eigenen Weltanschauung zuwiderläuft, liefert den Humor an die Propaganda aus. Am Ende braucht es einen Humorwächterrat, bei dem jeder Kalauer, jede Pointe, jeder Quatsch vorab eingereicht und zertifiziert werden muss. Vorlesen könnte die genehmigten Witze dann der Regierungssprecher an einer zentralen Humorfeier für ganz Deutschland. Das sparte zudem Reise- und Stromkosten und wäre mithin ein Segen für die Umwelt.

An Karneval feierte ursprünglich die Christenheit den Abschied vom Fleisch, den Beginn der Fastenzeit, die Vorbereitung auf Ostern, Christi Auferstehung. Einmal noch tüchtig über die Stränge schlagen, mit derbem Witz und fetten Speisen, ehe die stille Einkehr anhebt. Davon säkular geblieben sind ritualisiertes Besäufnis und Witzischkeit. Karneval bedeutet tolle Tage und verkehrte Welt. Verspottet soll werden, was sonst in Ehren gehalten wird. Der Witz trifft jene, über die an den restlichen Tagen nicht gelacht werden soll. Das Lachen gilt der umgedrehten, nicht der gedoppelten Wirklichkeit. Der spaßbefreiten vereinigten Linken steht diese Lektion noch aus. Aber es ist ja erst Rosenmontag. Helau!

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