Die Komiker Atze Schröder, Max Giermann, Dieter Nuhr und Carolin Kebekus stehen in Köln bei der Aufzeichnung der Verleihung des Deutschen Comedypreises auf der Bühne
Die deutsche Kabarettszene hat keinerlei Skrupel, sich gegenseitig bei TV-Inzuchtevents wie dem Comedypreis zu feiern / picture alliance

Kabarett - Witzischkeit und ihre Grenzen

Annegret Kramp-Karrenbauer hat mit einem Witz beim Karneval für Empörung gesorgt. Der Humor in Deutschland ist offenbar in der Krise. Dafür sorgen auch die öffentlich-rechtlichen Sender mit ihrer Parade aus Witzeerzählern und ein paar politischen Kabarettisten

Autoreninfo

Wolf Reiser (64) lebt und arbeitet in München als Buchautor, Reporter und Essayist. Mehr hier

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Claus von Wagner, neben Max Uthoff gastgebender Klinikchef der ZDF-„Anstalt“, erachtete es unlängst beim Blick auf den Zustand seiner Zunft als dringend geboten, an die Definition seiner Kunstsparte zu erinnern. „Kabarett“, sagte er, „ist das Spiel mit dem erworbenen Wissenszusammenhang eines informierten Zuschauers.“ Und fügte hinzu: „Doch was macht man, wenn über wesentliche Belange nicht, falsch oder manipulativ berichtet wird?“

In normalen Zeiten sind Journalisten dafür zuständig, Journalismus zu betreiben, während sich die Kabarettisten um das Kunsthandwerk der satirischen Nachrichtenbearbeitung kümmern. Doch wir leben nicht in normalen Zeiten. Die Ära Merkel hat die Republik umfassend sediert und sie in einen Dämmerzustand aus Opportunismus, Diskursverschleppung und Paralyse versetzt. Aus diesem Grund müssen politische Künstler sich nicht nur durch das Blabla der politischen Macht kämpfen, sondern parallel auch noch die journalistischen Defizite der loyalen Leitmedien aufarbeiten. Das kostet Nerven und unendlich viel Zeit, also auch Sendezeit. Und so greifen die „Anstalts“-Macher immer wieder zum Trick der antiquierten Grundschulschautafel, um den Zuschauern auf diesem Weg die grundlegenden Fakten des jeweiligen Themas zu vermitteln.

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Jürgen Keil | Mi., 27. Februar 2019 - 15:44

Dieser Artikel war überfällig. Diese mainstream- Witzler sind mir schon lange suspekt. Wobei zur "Gerechtigkeits- Sendung" von Nuhr gesagt werden muss, dass sie doch einige kritische Gags hatte. Im Nachhinein aber hatte ich dann doch den Eindruck, hier durfte mal einer den kleinen Kritiker spielen, der mit geduldeter Kritik beim Publikum etwas am Dampfablaßventil drehte.

Roland Völkel | Mi., 27. Februar 2019 - 19:34

Antwort auf von Jürgen Keil

Hallo Herr Keil,
Diete Nuhr ist noch ein Kabarettits alter Schule. Schaut dem Volk aufs Maul. Nur ist mir aufgefallen, dass er ziemlich kleinlaut geworden ist, in Bezug auf dem "radikalen" Islam. Er hatte kein Blatt vor dem Mund genommen und dies auch bekundet,dass er damit einigen auf die Füße tritt und er mit Drohungen rechnen müsse. Und wie aus dem Nichts-ganz Sanft. Hat sicher von "Oben" die Zügel angelegt bekommen.
Doch, es gibt noch K. mit Niveau & Anspruch: Volker Pispers, Uwe Lyko, Wilfried Schmickler, Fritz Eckenga & noch ein paar wenige.
Mario Barth, Gerburg Jahnke, Chris Tall u.a. sind Massenkompaktible und tuen so richtig keinen Weh, bringt aber Quote.
Schaun sie nur den Eklat bei der Kölner Sitzung im Gürzenich: da macht B. Stelter Witze über den Doppelname und eine Dame im Publikum pfeift andauern und stürmt auch noch auf die Bühne. & beschwert sich! Das geht natürlich gar nicht. K. haben es heute (MeToo, Shitstom) aber auch nicht Leicht: immer achten auf PC!

Bernd Schiebener | Do., 28. Februar 2019 - 13:33

Antwort auf von Roland Völkel

.....war mal gut, im Ersten hat man ihn sehr schnell auf den richtigen Staatsfunk-Kurs gebracht. Schade !

dieter schimanek | Mi., 27. Februar 2019 - 19:57

Was sich heute alles als Künstler bezeichnet ist erschreckend. Die Handvoll wirklich guten sind im Fernsehen kaum zu sehen. Auf den regionalen Bühnen ist das deutlich besser, allerdings auch meist ausverkauft. Wer eine Std. früher kommt hat gute Chancen trotzdem reinzukommen. Ein paar Reservierungen fallen immer aus.

herbert binder | Mi., 27. Februar 2019 - 23:43

Antwort auf von dieter schimanek

erschreckend. Ja, so ist es wohl, lieber Herr Schimanek.
Besser kann man das alles nicht mehr"würdigen".
Nuhr noch Verappelung, und das so lange, bis dann
unvermeidlich auch noch der Doktor kommt. Ich habe
heute in der Net.Zyklopädie das Video gefunden mit
dem Auftritt von Georg Schramm anläßlich seines
Abschieds vom Scheibenwischer. Man schlägt die Hände
über'm Kopf zusammen - was für ein Verlust.

Holger Stockinger | Mo., 4. März 2019 - 22:55

Antwort auf von dieter schimanek

Der "Kulturschaffende" ( ein Begriff übrigens aus der stalinistisch bewegten DDR-Begeisterung ) bleibt ein WendeWindKind.

KULTUR schafft weder Klein-GRETA mit Fridays on STREETS noch rückwärts Fahren bei Tempo 30 auf Schwedens Autobahnen.

"KULTUR" ist etwas, das weder jedem Smartphone gehorcht noch sogenannten "Künstlern" ein ABSOLUT-Recht.

Mozarts "FIGARO" bedarf keines Nacktarsches vom Regie-Theater, um der Zauberflöte Schuberts "Winterreise" anzuhängen. Und Neuenfels "Ratten-Lohengrin" bedient zu sehr Günter Grass als zu überzeugen.

Was fehlt? - Ist die Bescheidenheit.

Michaela Diederichs | Mi., 27. Februar 2019 - 20:34

"Doch hinter dem hoch gehandelten Modebegriff „Haltung“ ist mühelos seine eigentliche Bedeutung wahrzunehmen: der blinde Gehorsam wilhelminischer Kasernenhöfe, Kompanie stillgestanden! Haltung einnehmen! Augen rechts! Das Gewehr über! Rührt euch!" Ich mag es kaum aufschreiben: aber der Cem verkörpert für mich exakt das. Meint der das satirisch oder ist er wirklich deutscher als alle Deutschen seit Wilhelm? So, das musste jetzt noch raus und ab in den Urlaub bevor ich noch Haue bekomme - von den Grünen und den ihnen geneigten.

Sabine Hartmann | Mi., 27. Februar 2019 - 21:12

HALLELUJA! ENDLICH!!!!
Ich weiss garnicht wie ich Ihnen Danken soll Herr Reiser!
Endlich hat's mal einer aufgeschrieben.
Ich dachte schon, dass ich als "Konsument" des Politischen Kabaretts interlektuell "und so" verwirrt geworden bin, vermutete schon auf Grund von Alterserscheinungen-
Nun habe ich in diesem Artikel echten Trost und Hilfe gefunden und kann davon ausgehen, dass ich doch noch klar im Kopf bin!!!
Ich hoffe sehr wir Beide sind nicht alleine!!! Und wir " sind mehr"
In grosser Dankbarkeit!
Sabine Hartmann vom Land aus Gummersbach

Ernst-Günther Konrad | Do., 28. Februar 2019 - 07:42

das ich so etwas mal lesen kann, habe ich schon nicht mehr geglaubt. Ich ziehe meinen Hut vor dieser trefflichen Darstellung der derzeitigen "Kabarettszene".
Ich schaue schon lange keine dieser selbsternannten Kabarettisten im Fernsehen mehr an und halte es genauso wie Frau Diederichs und gehe ins Theater und höre dort ausgesuchte Kabarettisten im Originalton. Der Mainstream leistet derzeit komplett "gute" Arbeit. Nicht nur, das sie das politische Kaberett erfolgreich instrumentalisiert haben, ihnen gelingt es sogar eine kabarettistische Scheinkritikerwelt aufzubauen. Leute wie Hildebrandt, Noack, Drechsel, Havenstein usw., solche Persönlichkeiten gibt es wenige. Allenfalls im bayrischen Rundfunk oder bei den Österreichern findet man noch den ein oder anderen wirklich freigeistigen Künstler. Der Rest glänzt mit Fäkaliensprache und viel Schminke im Gesicht, ohne inhaltlichen Tiefgang. Ich bin kein Erdogan-Fan, bei weitem nicht. Nur was Böhmermann da abgelassen hatte, war ein Unding.

Karsten Paulsen | Do., 28. Februar 2019 - 09:08

Wie Kaberettisten mit einer gegen den Mainstream gerichteten Meinung ergeht, zeigt im deutschsprachigen Raum das Beispiel Andreas Thiel (Schweiz). Ich höre und sehe im TV und Radio nichts mehr von ihm.

Karla Vetter | Sa., 2. März 2019 - 12:53

Antwort auf von Karsten Paulsen

würde ich auch gerne einmal wiedersehen .Er hat sich wohl zu sehr über den Islam ausgelassen ,ein NoGo heutzutage.

Jacqueline Gafner | Mo., 4. März 2019 - 10:16

Antwort auf von Karsten Paulsen

wer als Satiriker nicht mainstreammässig gepflegt - das Publikum soll schliesslich nicht verschreckt werden, sondern an den dafür vorgesehenen Stellen bitte auch pflichtschuldigst klatschen - "links-liberal" unterwegs ist, wird im gesamten deutschsprachigen Raum durch die selbsternannten Meinungswächter der vierten Gewalt im Verein mit offiziellen Kulturtätern, die am staatlichen Subventionstropf hängen, systematisch diskreditiert und von den einschlägigen Futtertöpfen vertrieben. Wer immer noch auf echt beissende Satire steht, muss sich schon in einen andern Sprachraum oder in die freie Kleintheater-Szene retten, die durchwegs ums finanzielle Überleben kämpfen muss.

Jürgen Herrmann | Do., 28. Februar 2019 - 09:25

"...und nutzen die Chance innerhalb des Mainstreammediums ZDF..."
genau das ist es: Mainstream-Klamauk, der meist noch nicht einmal witzig ist, sondern noch das Applaus-Tatütata des Karnevals als Zeichen für "Achtung WITZ" vermissen lässt.
Hildebrandt und Hüsch werden sich wohl bei den allermeisten dieser Darbietungen im Grabe umdrehen.
WOLF REISER und Cicero danke für diesen wunderbaren Artikel!!!

Sonja Schweinitz | Do., 28. Februar 2019 - 12:44

Antwort auf von Jürgen Herrmann

Ich schließe mich an: exzellenter Text, inhaltlich wie sprachlich - herzlichen Dank, Herr Reiser!
Passend zu unseren Un-Politikern gibt es fast nur noch regierungspolitisch angepaßte, dem herrschenden Milieu zu Munde redende Un-Kabarettisten - manchmal komm ich mir diesbezüglich vor wie in der DDR! Das System hält sich einige Hofnarren - vom GEZ-Volk auch noch zwangsfinanziert! -, die dem Volk quasi als Ventil dienen sollen, gelegentlich auch mal regierungskritisch. Aber letzten Endes bleibt diese Art von Kabarett konsequenzloses, systemerhaltendes Gequatsche.
Uthoff habe ich vor zwei Wochen übrigens live hier in Rostock erlebt und war schwer enttäuscht. Auch er hatte sich in dieser Vorstellung weitgehend dem wohl erwarteten spießigen, rot-grünen Publikum angepaßt, dem linken Biedermeier also angebiedert, z.B. durch das übliche wohlfeile und undifferenzierte AfD-Bashing, bei dem er auch vor direkten Bezügen zu Hitler und den Nazis nicht halt machte. Leider unter seinem Niveau.

Michael Lang | Do., 28. Februar 2019 - 11:51

Priol betreibt Kabarett?? Priol lebt von Merkels Mundwinkeln und ihrer Raute und macht sich mit wahrhaft unendlichem Mut über Trump lustig. Für mich ist Priol das Paradebeispiel für armseligen Humor, der dem Volk aufs Maul schaut und ihm nach dem Mund redet. Keine Spur von Gegen-den-Strich löcken, keine Zivilcourage, nichts was auch nur im Geringsten mit Kabarett a la Kreisler, Qualtinger und Co zu tun hat. Ein trauriges Beispiel für den Niedergang deutscher Kabarettkultur, vielleicht einer der letzten Auswirkungen des Verlustes jüdischen Humors in Deutschland.

Bernd Muhlack | Do., 28. Februar 2019 - 16:25

Ein bemerkenswerter Artikel, Analyse des aktuellen veröffentlichten "Humors".
Insbesondere drei der von Ihnen erwähnten Darsteller/Künstler sind aus meiner Sicht wirklich gute Kabarettisten: Ottfried Fischer, Dieter Hildebrandt und Loriot! Ja, auch Loriot war ein Kabarettist, ein Darsteller des gewöhnlichen Lebens und dessen ungewollten Humors: "Oh ich dachte es sei die Post!"
Herr Reiser, ich vermisse in Ihrer wahrhaft guten Analyse die Herren Hüsch und Polt! Das ist doch die Krönung des Kabaretts, oder? Ich habe Hüsch so oft live erlebt und das war jeweils eine Wohltat! "Ja wie, Sie kennen Hagenbuch nich? Ja warum sind se denn hier, haha!?
"Oiso der Weber Max, den kennts ihr jo alle, net wohr? Ja wie, ihr kennts den Weber Max netta? Jo mei, lossts mi erklärn…"
Ich kann leider nur mit ganz wenigen der aktuellen selbst ernannten "Comedians" etwas anfangen, obwohl ich sehr viel (schwarzen) Humor besitze.

Ein Comedian macht es wegen DEM Geld, ein Kabarettist wegen DES Geldes!?

Romuald Veselic | Do., 28. Februar 2019 - 16:39

dass man am 22. von München nach Budapest, mit dem Railjet um 09:30 Uhr losfährt und nach ersten Zentimetern meldet die DB-Zug-Dame per Lautsprecher, dass es am Südbahnhof eine Weichenstörung gibt und deshalb, muss man die ganze Stadt (München) umfahren, wodurch gleich 20 Min. Verspätung erzeugt wurden, die bis Wien Hbf. auf 31 Min. gesteigert sind.
Im Anno 1900 bei Weichenstörung, ist ein Dienstmann der Königlich Bayerischen Staatsbahnen, mit einem Kübel mit Schmieröl und Weichenstange hinging, die Weiche schmierte und in gewünschte Position brachte, Richtung Salzburg und Wien.

Dorothee Sehrt-Irrek | Mo., 4. März 2019 - 12:44

Krise?
Wohl nicht, wie dieser tolle Artikel von Herrn Reiser eher unfreiwillig aufzeigt.
Er ist sehr kritisch gehalten, ich würde sagen zu kritisch.
Aufgefallen ist mir, dass mein Fern/Gernsehen eine ganze Zeit nur aus Kabarett und Comedy bestanden haben kann.
Die Genannten sind mir noch geläufig und ich fand sie ALLE gut.
"Mit" Dieter Nuhr habe ich über Gott und die Krötenwanderung nachgedacht.
Im Ernst, nur weil die Zeiten sich schwierig anfühlen, kann man doch nicht auf den leisen, aber tiefgründigen Kabarettisten herumhacken.
Dieter Nuhr hat doch viel Erhellendes über die grünen Anfangsjahre gesagt.
Nur weil er, wie ich vermute, nicht nur zurückhaltend ist, sondern auch telegen, sieht ihn eben ein breites Publikum gerne.
Er steht halt eher bei Hallervorden als bei Hildebrandt.
Ich habe auch gelacht bei Frankenfeld, Kuhlenkampff oder Harald Juhnke etc.
Ich lache über Little Britain/Pompidou etc.
Das politische Kabarett ist in der Krise, weil Politik "tot" ist.
PEACE

AKK kann dem Humor in Deutschland nur gut tun.
Ich hatte ziemliche Schwierigkeiten, manches zu verstehen, aber AKK nahm sich selbst auf die Schippe und ihre Kollegen.
Ich habe wirklich lachen können, nicht nur aus Respekt.
In dem Zusammenhang mag es nicht okay gewesen sein, was sie über das 3. Geschlecht sagte, aber wenn diese Leute die einzige Gruppe sein wollen, über die man garantiert kein Scherzchen machen darf?
Vielleicht legt man/frau (Heute ist FRAUENTAG) mal eine Liste an, in die sich alle eintragen, die sich nicht auf den Schlips getreten fühlen wollen, Übergewichtige etc.?
In NRW habe ich doch zwangsläufig mit Fasching zutun gehabt und soviel würde ich sagen wollen, bei Putzfrau Gretel kam zwar vieles auch staatspolitisch - gelernt ist gelernt - aber nicht in dem Sinne von oben nach unten.
Das sollte auch das Kostüm ausdrücken.
Gut sah sie aus, hat sich wacker geschlagen.
Ich gratuliere der CDU zu dieser Parteivorsitzenden, neidlos, denn die SPD hat Nahles und Giffey.