Unterwegs im All - Das neue Weltraum-Zeitalter

Der nächste Milliardär hebt ab: Amazon-Gründer Jeff Bezos will heute einen Kurztrip ins Weltall unternehmen. Visionen und Simulationen eines Lebens auf Mond und Mars werden somit immer konkreter. Aber machen wir woanders dann alles besser?

Reinraum im Guayana Space Center, Kourou, Französisch-Guayana / Vincent Fournier
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Felicitas Mokler ist promovierte Astrophysikerin und Wissenschaftsjournalistin.

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Um den Fortbestand der Menschheit zu sichern, müssten wir auf andere Planeten, etwa den Mars, übersiedeln – so sah es der theoretische Physiker Stephen Hawking. Er gab der Menschheit nur noch 100 Jahre bis zu ihrem Niedergang auf der Erde. Klimawandel, mögliche Asteroideneinschläge, Bevölkerungswachstum oder Pandemien würden unsere Spezies gefährden. Aussichten, die nichts Gutes verheißen.

Auch Elon Musk beruft sich darauf. Bei ihm klingt das allerdings weitaus verheißungsvoller: „You want to wake up in the morning and think the future is going to be great – and that’s what being a spacefaring civilization is all about. It’s about believing in the future and thinking that the future will be better than the past. And I can’t think of anything more exciting than going out there and being among the stars.“ So liest es sich auf der Webseite des Unternehmens Space X, dessen Geschäftsführer Musk ist. Nun ist Musk bekanntlich ein Freund großer Worte, aber eben auch ein Macher. Bei einem ersten Testflug der Falcon Heavy, der derzeit leistungsstärksten Trägerrakete, hat er im Jahr 2018 seinen ausgedienten Tesla-Roadster mit einem Astronauten-Dummy in eine Umlaufbahn geschickt, die auch jene des Mars kreuzt. 

Der alte Traum

„Wir erleben jetzt ein New Space Age: Das hat viel mit dem Zustand der Erde zu tun, dem Klimawandel“, sagt der Zukunftsforscher Bernd Flessner vom Zentralinstitut für Wissenschaftsreflexion an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. „Das ist natürlich kontextualisiert mit Ängsten und Hoffnungen.“

Dabei ist das Phänomen, sich von der Erde wegzuträumen, keineswegs neu, ja nicht einmal neuzeitlich. In der Spätantike, um 200 nach Christus, ließ der griechisch-syrische Satiriker Lukian in seinen „Wahren Geschichten“ Menschen auf dem Mond landen: Schiffsreisende wurden von einem tagelangen Sturm erfasst und bis zum Mond gewirbelt. Zu jener Zeit hatte sich gerade das Weltbild des Ptolemäus in Gelehrtenkreisen etabliert, in dem die Himmelskörper – Sonne, Mond und Planeten – als Kugeln an Sphären haftend um die Erde kreisen. 

Recht konkret wurde das Vorhaben Mondfahrt dann bei Jules Verne: In seinem Science-Fiction-Roman „Von der Erde zum Mond“ liefert er ingenieurstechnische Vorschläge für die Reise ins All und lässt seine Passagiere berechnen, wie die Kanone die zweite Kosmische Geschwindigkeit erreichen, also der Erde entkommen kann. 

Nicht ob, sondern wann

Spätestens seit Beginn des 20. Jahrhunderts, als die Ingenieurskunst weiter ausreifte und die Menschheit begonnen hatte, sich auch den Luftraum zu eigen zu machen, gingen die Utopie, den Weltraum zu erobern, und der technische Fortschritt Hand in Hand. Nahezu zeitgleich in verschiedenen Ländern fanden sich um 1930 Weltraumenthusiasten in Vereinen zusammen. Bemerkenswert: Während im Verein für Raumschifffahrt in Deutschland vornehmlich Ingenieure zusammentrafen, wurde die American Interplanetary Society von Science-­Fiction-Autoren gegründet. Es ist bezeichnend, dass aus Letzterem, einem Verein der Fantasten und Träumer, bald die American Rocket Society wurde, die sich später mit dem Institute of the Aerospace Sciences zum American Institute of Aeronautics and Astronautics zusammenschloss, der heutigen amerikanischen Vertretung der Internationalen Astronautenvereinigung. 

Und tatsächlich setzte der Mensch schließlich seinen Fuß auf den Mond. Wird er also auch seinen Weg zum Mars machen?
Für Bernd Flessner scheint die Antwort klar: „Das wird natürlich stattfinden. Es dreht sich dabei nur um die Frage: Wann? Und nicht um die Frage: Ob? – Das ist so eine Art visionäre Kontinuität. Das basiert auf einer Leitvision, wie der Traum vom Fliegen“, so Flessner. „Anthropologisch und zivilisatorisch kommen wir aus der Nummer gar nicht raus. Ob das jetzt Elon Musk umsetzt oder jemand anderes, das ist gar nicht so relevant.“ 

Simulationen für den Mars

Tatsächlich ist Musk nicht der einzige Marsenthusiast. Gleich an mehreren Orten auf der Erde simulieren Wissenschaftler – wenn auch bisher noch um einiges bodenständiger – das Leben auf dem Mars. In der Wüste von Utah etwa betreibt die Mars Society eine weltraum­analoge Forschungseinrichtung, und in einem Habitat auf dem hawaiianischen Vulkan Mauna Loa leben regelmäßig sechs Probanden isoliert von der Außenwelt auf engstem Raum zusammen – im Extremfall für ein ganzes Jahr. Das Habitat dürfen sie nur in speziellen Raumanzügen verlassen. Christiane Heinicke hat dort eine Methode getestet, mit der sich aus dem scheinbar staubtrockenen Vulkangestein Wasser gewinnen lässt. Eine Technik, die nicht nur für potenziell zukünftiges Leben auf dem Mars oder Mond relevant sein könnte, sondern auch Menschen auf der Erde in trockenen abgelegenen Regionen helfen kann. 

Derzeit entwirft Heinicke am Zentrum für Angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation – also Schwerelosigkeit – die Grundlagen für ein Habitat, in dem Menschen auf Mond oder Mars werden leben können. „Diese Teststationen waren vor allem für psychologische Experimente vorgesehen und untersuchten, wie eine Crew in der Isolation inter­agiert“, so Heinicke. Technisch waren sie daher weitgehend für das Leben auf der Erde ausgelegt. „Unser Prototyp soll dagegen als Grundlage für ein funktionsfähiges Modul auf Mond oder Mars dienen.“

Gigantische Hürden

Und gewiss will der Mensch auf dem Mars auf gutes Essen nicht verzichten. Denn für längere Missionen fernab der Erde ist es mit Liebigs Fleischextrakt, den Jules Vernes Mondreisende einst mit einpackten, nicht getan. Selbst wenn die heutige Astronautennahrung kulinarisch ausgefeilter ist: Das alles vorrätig für Monate oder gar Jahre für mehrere Personen als Reisegepäck mitzunehmen, ist nicht billig und logistisch schwierig. Wäre es da nicht was Feines, wenn künftige Astronauten auf dem Mars selbst Nahrung erzeugen und direkt vor Ort etwa Salat, frisches Gemüse und Obst anbauen könnten? Dazu testet das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt auf der Neumayer-Station am Rand der Antarktis ein Gewächshaus, das hermetisch von der Außenwelt abgeriegelt ist. Luft- und Wasserzufuhr laufen über abgeschlossene Kreisläufe, die Beleuchtung erfolgt mit Kunstlicht. Es wird also einiges investiert in die Vision, den Menschen als Geschöpf auch auf anderen Himmelskörpern als der Erde überleben zu lassen.

Chris Welch, Professor an der International Space University bei Straßburg, hält es zwar für realisierbar, Menschen zum Mars zu schicken. Doch für ihn ist es nicht nur eine Frage des Wann. „Ich stimme mit Musk insofern überein, dass es für unsere Spezies gefährlich ist, auf nur einem Planeten zu leben, und dass wir noch woanders Menschen haben sollten. Aber ich frage mich, wie genau wir dort überleben könnten.“ 

Menschen in ein Raumschiff wie Star­ship zu stecken, das derzeit von Space X entwickelt wird, damit ist es nicht getan. Zwar erkunden bereits Roboter den Mars. Aber: „Wir haben bis jetzt noch keinerlei Materieproben von dem Planeten zurück zur Erde gebracht. Zur Chemie auf dem Mars sind noch einige Fragen offen. Außerdem ist das Problem mit der hohen kosmischen Strahlung (der Astronauten ausgesetzt sind) noch nicht gelöst. Es gibt so vieles, das wir noch nicht wissen.“ Vor allem Amerikaner sähen den Weltraum als nächste Grenze – die es zu überschreiten gilt, um das „Dahinter“ zu erkunden: So, wie man früher erst an der Küste Amerikas gelandet und dann in den Kontinent vorgestoßen ist. „Aber das war alles auf diesem Planeten: Dort konnte man die Luft atmen, das Wasser trinken, es war eine natürliche Umgebung. Aber nichts von dem gibt es auf dem Mars – alles muss mitgebracht oder dort gemacht werden!“

Zwischenstopp Mond

Realistisch ist hingegen ein viel näher gelegenes Reiseziel: „Wenn nichts Unerwartetes dazwischenkommt, wird Amerika mit seinen Verbündeten bald wieder Astronauten zum Mond schicken“, sagt Welch. „Ich denke, das ist das aktuelle, wichtige Thema in der Raumfahrt.“ Anders als bei einem Präsidentenwechsel in den USA sonst oft der Fall, hat der amtierende US-Präsident Joe Biden das unter seinem Amtsvorgänger in die Wege geleitete Raumfahrtprogramm weiter bewilligt: Mit Artemis lassen die USA den einstigen Apollo-Gedanken wieder aufleben und denken ihn gleich weiter. Nicht nur soll es Menschen wieder auf den Mond bringen. Man will auch eine ständige Raumstation im Mondorbit, in der Mondumlaufbahn, errichten: Das Lunar Gateway soll als Sprungbrett aus dem Erdorbit hinaus auf den Mond und darüber hinaus in den weiteren interplanetaren Weltraum sowohl für astronautische als auch robotische Missionen dienen. Das spart Energie, die es kostet, aus dem Erdorbit herauszukommen.

Das erneute Streben zum Mond entspringt hier keiner fantastischen Träumerei; es ist ganz nüchtern geopolitisch motiviert. Mit der Crew-Dragon-Kapsel können die USA seit kurzem wieder selbst Menschen ins All schicken, das macht sie wieder unabhängiger von Russland. Zudem sind die Tage der Internationalen Raumstation ISS, auf der man in der Vergangenheit selbst in politisch schwierigen Zeiten eng mit den Russen zusammengearbeitet hat, gezählt. Die Karten im Orbit werden also neu gemischt. Dem Artemis-Programm sind auf bilateraler Basis mit den USA Kanada, Australien, Großbritannien, Italien, Luxem­burg und Japan und die Vereinigten Arabischen Emirate angeschlossen; jüngst sind noch Südkorea und Neuseeland dazugestoßen. Nasa und Esa kooperieren beim Lunar Gateway.

Kein Gemeinschaftsprojekt 

China ist wegen eines Kongress-Gesetzes von 2011, das eine direkte Zusammenarbeit zwischen den USA und China in der Raumfahrt verbietet, per se ausgeschlossen. Dabei hat die Volksrepublik bereits mehrfach eigenständig „Taikonauten“ in den Orbit geschickt. Mittlerweile hat China erfolgreich robotische Missionen auf dem Mond und auf dem Mars gelandet, derzeit baut man eine eigene dauerhafte Raumstation; bis 2030 will man ebenfalls Menschen auf den Mond schicken. Und es formiert sich eine Allianz als globaler Gegenspieler zu Artemis: Derzeit werben China und Russland für die gemeinsam geplante International Lunar Research Station um internationale Partner. 

Ein Konzept, das den Mond für alle gemeinschaftlich zugänglich macht, wie es etwa die Moon Village Association vertritt, lässt sich derzeit kaum umsetzen. Die geopolitischen Interessen sind zu stark. „Persönlich würde ich eine internationale Herangehensweise in der Weltraumerkundung bevorzugen. Das ist langfristig sinnvoller“, sagt Chris Welch. „Aber da ist juristisch kaum etwas geregelt.“ Der Weltraumvertrag (Outer Space Treaty) der Vereinten Nationen stammt aus dem Jahr 1967 und deckt trotz einiger Ergänzungen die heutige Situation mit all den neuen Möglichkeiten nicht vollständig ab. Allerdings laufen Verhandlungen, um ihn anzupassen.

Viele Player

Hinzu kommt, dass der neue Wettlauf zum Mond auf einer ganz neuen wirtschaftlichen Basis stattfindet. Das könnte ihn noch einmal weiter befeuern. Im Zuge der New Space Economy der letzten 20 Jahre hat sich die Unternehmenskultur in der Weltraumbranche enorm gewandelt. In den USA machten einige milliardenschwere Space-Enthusiasten mit ihren Unternehmen werbewirksam Schlagzeilen; in Europa verlief der Wandel mehr auf der Ebene mittelständischer Unternehmen und Start-ups und im Verborgenen. Viele neuere Unternehmen sind nicht mehr nur Zulieferer und Dienstleister staatlicher Raumfahrtorganisationen, sondern bieten ihre Produkte und Dienste auch auf dem privaten Markt an. So werden einerseits die großen Weltraumorganisationen ihre neuen Projekte kommerzieller ausrichten. Zudem planen auch private Unternehmen Außenposten im Orbit, etwa eine Raumstation – ganz abgesehen von zahlreichen kleineren Satellitenprojekten, die bereits seit längerem im Gange sind.

Und da wäre bald noch ein Weltraummarkt, vielleicht auch irgendwann für jedermann: Angesagt beim superreichen Weltraum-Jetset sind jetzt Flüge in den suborbitalen Raum – weder der Schwerkraft entkommend noch in eine Umlaufbahn gelangend. Im Mai hat Virgin Galactic, geführt von Richard Branson, erfolgreich einen Raumgleiter vom Spaceport America aus in suborbitale Höhen geschickt. Ab 2022 will das Unternehmen suborbitale Flüge kommerziell für Touristen anbieten. 

Weltraumtourismus

Schon am 20. Juli will Jeff Bezos noch höher hinaus. Bei dem ersten bemannten Testflug mit Rakete und Raumkapsel aus seinem Unternehmen Blue Origin, bei dem die Grenze zum Weltraum in 100 Kilometern Höhe überschritten werden soll, wird der Firmenchef selbst mit an Bord sein. Das Unternehmen soll einmal kommerzielle Flüge zur ISS anbieten und ist, wie auch Space X und Dynetics, von der Nasa beauftragt, eine Mondlandefähre für das Artemis-Programm zu entwickeln.

Wem der kurze Kick nicht reicht, wird – in einigen Jahren schon – einfach mal für ein paar Wochen in einem rotierenden Weltraumhotel chillen können. Zumindest wenn es nach der Gateway Foundation und dem Unternehmen Orbital Assembly geht. Anfang Mai verkündete Orbital Assembly die Eröffnung einer Fabrik in Fontana, Kalifornien, in der die Technologie für das erste Weltraumhotel entwickelt werden soll. Der Zeitplan ist ambitioniert: Mit der Konstruktion einer ersten Plattform im Orbit zwischen Erde und Mond will man 2023 beginnen.

Weltraum-Demokratie

Noch ist Weltraumtourismus etwas Extravagantes, nur für Millionäre erschwinglich. Doch Zukunftsforscher Bernd Flessner geht davon aus, dass die Preise mit der Zeit sinken werden. „Wir werden eine unglaubliche ökonomische Vielfalt an Weltraumprodukten haben, die im Moment noch schwer zu antizipieren ist“, meint Flessner. Aktuell versteigert das New Yorker Auktionshaus Christie’s eine Flasche Wein, die 14 Monate auf der Internationalen Raumstation gelagert worden war – freilich auch zu Forschungszwecken, versteht sich. „Damit ist einfach klar geworden, welche unglaublichen Möglichkeiten wir haben, Weltraumprodukte zu generieren. Ich sage jetzt nicht, dass das vom Rationalen her sinnvoll ist, aber das ist ein Großteil unserer Produkte ja ohnehin nicht.“

Wenn sich die Raumfahrt immer mehr in eine Richtung entwickelt, die letztlich die gesamte Gesellschaft betrifft, sollte die Gesellschaft dann nicht auch in die Entscheidungen dazu einbezogen werden? Auf demokratischer Ebene könnte das eher schwierig werden, meint Flessner. Er sieht die Teilhabe der Gesellschaft eher über den Konsum. Aber wird das tatsächlich alles einmal rentabel und erschwinglich auch für den durchschnittlichen Geldbeutel? Ganz abgesehen von dem Ressourcenverbrauch, den diese Entwicklung verursachen würde?

Für die Astrophysikerin und Philosophin Sibylle Anderl ist Partizipation der Gesellschaft an den aktuellen Entwicklungen wesentlich: „Ich glaube, das ist wirklich ein ganz wichtiger Punkt. Das haben wir jetzt auch schon mit den Megakonstellationen gesehen. Da passiert im Moment unglaublich viel, was für die gesamte Menschheit Konsequenzen hat, was aber vor diesem Hintergrund erstaunlich wenig öffentlich diskutiert wird. Und klar, wenn man denkt, man hat dann eine dauerhaft besetzte Station auf dem Mond, wird das, meiner Meinung nach, eine große Veränderung im menschlichen Weltbild und vermutlich auch in unserer Kultur verursachen.“

Satellitenflut

Als Musk vor rund zwei Jahren begann, serienmäßig Satelliten in Paketen zu 60 Stück für seine Megakonstellation Starlink in den Orbit zu schicken, waren selbst Profi-Astronomen überrascht. Was das für den Nachthimmel bedeuten könnte, wurde ihnen klar, als sie einige ihrer Beobachtungen reihenweise von Satelliten durchkreuzt sahen. Als eines von mehreren neuartigen Multi-Satellitennetzwerken soll Starlink vom All aus die gesamte Weltbevölkerung mit Breitbandinternet versorgen. Space X hat dazu seit 2019 mehr als 1600 Satelliten für sein Starlink-Netzwerk im Orbit platziert, rund 12 000 weitere sollen folgen. Die Lizenzierung für weitere 30 000 ist beantragt. 

One Web aus London hat ein ähnliches Projekt gestartet und bisher rund 140 Satelliten dazu ins All geschossen, die Lizenzierung für 48 000 weitere ist ebenfalls beantragt. Verhandlungen seitens der Astronomen mit Space X liefen bereits teilweise erfolgreich. Die neueren Satelliten reflektieren das Sonnenlicht weniger, sodass sie dunkler erscheinen. Unsichtbar sind sie aber noch nicht. Zudem haben Astronomen bei den Vereinten Nationen eine Petition zum Erhalt des dunklen Nachthimmels eingereicht. Denn hierzu fehlt es bisher an internationalen Regeln. 

Müll im Orbit

Nicht minder gravierend: Die rapide steigende Anzahl an Satelliten im Orbit potenziert das ohnehin bereits vorhandene Problem des Weltraumschrotts noch einmal gewaltig. Weltraumschrott, das sind ausgediente Raketenstufen, verlorene Satelliten und vor allem Trümmerteile. Versagt ein Satellit seinen Dienst, lässt er sich nicht mehr steuern und läuft Gefahr, mit einem anderen zu kollidieren. So eine Kollision produziert Tausende Trümmerteile, die dann ihrerseits unkontrolliert durch den Orbit sausen. Kleinste Teilchen davon können gefährlich werden: Wenn sie mit ihren hohen Geschwindigkeiten auf andere Satelliten treffen, wirken sie wie Geschosse und können deren Sensoren empfindlich schädigen. In einer Raumstation können sie Löcher verursachen.

So bevölkern neben 2700 intakten Satelliten 8800 Tonnen Weltraumschrott den Orbit. Davon werden von der Erde aus etwa 26 000 Objekte aufmerksam verfolgt, um Ausweichmanöver zu starten, wenn eines davon auf einen Satelliten oder die ISS zufliegt. Dazu kommen geschätzt Zigtausende kleinere Teile größer als ein Zentimeter, die sich mit den irdischen Radarsystemen nicht erfassen lassen, zwischen Millimetern und Zentimetern sind es wohl über 100 Millionen. 

Nichts als Ablenkung

Die Erde ist also von einer menschengemachten Müllhalde umgeben. Der Mensch verhält sich im Weltraum kaum anders als auf der Erde. Ob es da hilft, auf einen anderen Planeten auszuwandern? Wird das den Menschen besser machen? Wohl kaum. Der Mensch kann sich nicht selbst entfliehen. Oder vielleicht doch, um zumindest seine Art zu erhalten? Eine zweite Chance zu haben?

„Ich persönlich finde diese Gedanken ein bisschen gefährlich, weil sie davon ablenken, wie wichtig für uns Menschen die Erde ist, als einmaliger Lebensraum, auf den wir optimal angepasst sind“, so Sibylle Anderl. „Insofern sollte man sich von solchen Fantasien gar nicht erst ablenken lassen, gar nicht erst eine Illusion erzeugen lassen, dass es da draußen eine Alternative für uns Menschen gibt. Für uns kann eigentlich der Auftrag nur sein, die Erde lebenswert zu erhalten und unsere Zukunft auf der Erde zu sichern.“ 

Und apropos es gebe nichts Aufregenderes, als sich dort hinauszubegeben und unter den Sternen zu sein: Dort sind wir doch schon, mit unserem Platz auf der Erde im Kosmos! Mit unserem ureigenen Raumschiff. Mittendrin.

 

Dieser Text stammt aus der Juli-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder direkt bei uns portofrei kaufen können.

 

 

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