Eine Verteidigung der Gesamtschule - Die linke Bildungsreform frisst ihre Kinder

Die Gesamtschule hat sich neben dem Gymnasium als erfolgreiche Schulform etabliert. Neuerdings gerät sie unter Druck, weil ihr linke Bildungspolitiker vorwerfen, dass sie die Schüler nach Leistung selektiere. Über die guten Schülerleistungen sehen die Kritiker hinweg.

Nach wie vor ein Ort des Bildungsaufstieges und der Chancen: die Gesamtschule / picture alliance
Anzeige

Autoreninfo

Rainer Werner unterrichtete an einem Berliner Gymnasium Deutsch und Geschichte. Er verfasste das Buch „Fluch des Erfolgs. Wie das Gymnasium zur ,Gesamtschule light‘ mutiert“.

So erreichen Sie Rainer Werner:

Anzeige

Unser Erbrecht kennt die Regelung, dass man ein Erbe auch ausschlagen kann. Dies ist vor allem dann ratsam, wenn man von dem Verstorbenen Schulden erbt, die man mit dem eigenen Vermögen nicht begleichen kann. In der Politik kommt es selten vor, dass man das politische oder moralische Erbe negiert, das von einem früheren Heros der Partei überkommen ist. So sonnt sich die CDU heute noch im Glanze des ersten Kanzlers der Bundesrepublik Konrad Adenauer. In der SPD ist Willy Brandt fast zur Heiligenfigur aufgestiegen. 

Mit der Sachpolitik früherer Parteiführer geht man schon etwas nachlässiger um. Manches Erbteil wird auch schlicht verweigert. So hadern große Teile der SPD bis heute mit der Agenda 2010 von Gerhard Schröder, obwohl diese Arbeitsmarktreform die Grundlage für unser heutiges Wirtschaftswachstum gelegt und den Sozialstaat vor dem Kollaps bewahrt hat. Das ab Januar 2023 geltende Bürgergeld soll die Scharte endgültig auswetzen. Wenig zimperlich geht die SPD mit einer Schulform um, die sie einst erfunden hat und die zu ihrem pädagogischen Markenzeichen wurde: der Gesamtschule. 

Konkurrenz zwischen Gesamtschule und Gymnasium

Die ältesten Gesamtschulen in Deutschland sind die inzwischen geschlossene Odenwaldschule im hessischen Heppenheim (1910) und die Waldorfschule in Stuttgart (1919). In der Weimarer Republik führte der Reformpädagoge Fritz Karsen in Berlin-Neukölln die Karl-Marx-Schule als Einheitsschule. 1948 wurde im Berliner Stadtteil Britz die Fritz-Karsen-Gesamtschule gegründet, die bewusst die pädagogische Tradition ihres berühmten Namenspatrons weitertrug.

Während des Wirtschaftsbooms der 1960er-Jahre wurde der Ruf nach mehr Abiturienten lauter. Sie sollten den drohenden Fachkräftemangel beheben. Dazu müssten – so die Meinung von Bildungsexperten – die brachliegenden Bildungsreserven ausgeschöpft werden. Neue Zielgruppen waren Kinder aus der Arbeiterschicht und aus ländlich-bäuerlichen Regionen. Mitte der 60er-Jahre besuchten nämlich nur sieben Prozent der Arbeiterkinder ein Gymnasium, der Anteil studierender Arbeiterkinder war noch geringer. Die SPD brachte die Schulform ins Spiel, die sie für Kinder aus bildungsfernen Milieus für am besten geeignet hielt: die Gesamtschule.

1967 wurde in Kierspe (Sauerland) die erste Gesamtschule gegründet, ein Jahr später folgten mehrere Gründungen in West-Berlin. In den SPD-regierten Bundesländern wurde diese Schulform nach und nach flächendeckend eingeführt. Die SPD wollte hoch hinaus und das damals noch dreifach gegliederte Schulsystem überwinden und durch eine „Einheitsschule“, in der alle Kinder gemeinsam lernen, ersetzen. Der Widerstand von konservativer Seite und vor allem vonseiten der Eltern war groß. Mit dem Slogan „Das Gymnasium darf nicht sterben“ gewann die CDU-Landtagswahlen. Angesichts des massiven Widerstands begnügte sich die SPD schließlich damit, die Gesamtschule als ergänzende Schulform einzuführen. 

Pädagogisches Gründungsfieber

Die friedliche Koexistenz mehrerer Schulformen nebeneinander hatte ein Ende, als sich die SPD im Verein mit den Grünen anschickte, zwei Schulen des gegliederten Systems zusammenzulegen: Haupt- und Realschule. Auslöser für diesen Schritt war der schlechte Ruf der Hauptschule, die als „Resteschule“ galt, die nur Schulversager produziere. Die neu entstandene Sekundarschule, die in jedem Bundesland einen anderen Namen trägt, sollte neben dem Gymnasium die zweite Säule des Schulsystems bilden. In SPD-regierten Bundesländern mussten sich die bestehenden Gesamtschulen in Sekundarschulen umwandeln. 

 

Mehr von Rainer Werner:

 

Als wäre der organisatorischen Verwirrung nicht genug, gründeten rot-grüne Landesregierungen noch eine weitere integrierte Schulform: die Gemeinschaftsschule. Die ersten Schulen dieser Art entstanden im Schuljahr 2008/2009 in Berlin. Diese Schulform ist umstritten, weil die Lernergebnisse der Schüler eher dürftig ausfallen. Schuld daran ist die dort vorherrschende Didaktik des selbstständigen, individualisierten Lernens, das für Kinder aus bildungsfernen Schichten und für Migrantenkinder wenig geeignet ist. 

Schulerfolg und sozialer Status der Eltern

Was ist der Grund für das nie erlahmende Gründungsfieber im rot-grünen Lager? Hintergrund ist der uns von der OECD ins Stammbuch geschriebene Befund, im deutschen Schulsystem hänge der Schulerfolg der Kinder noch zu sehr vom sozialen Status der Eltern ab. Anders ausgedrückt: Die Kinder von Akademikern landeten alle auf der Universität, während die Kinder von Busfahrern, Krankenschwestern und Müllwerkern eine Lehre als Automechaniker oder Verkäuferin machten oder im schlimmsten Fall gar keinen Schulabschluss erreichten. 

Seit Jahren werden wir von der OECD aufgefordert, unser Schulsystem so zu organisieren, dass es die Bildungschancen von Kindern aus bildungsfernen Milieus und aus dem Migrantenmilieu verbessert. Das Zaubermittel dafür seien – so die rot-grünen Bildungsplaner – integrative Schulformen, die sich dem gemeinsamen Lernen der Schüler verschrieben haben. Teile der SPD, Grüne und Linke zählen inzwischen selbst die klassische Gesamtschule nicht mehr zum Typus der integrativen Schule, weil sie sich den „Sündenfall“ leiste, einige Fächer leistungsdifferenziert zu unterrichten. 

Effektive Fachleistungsdifferenzierung

Wie funktioniert eine Gesamtschule? In den Hauptfächern Deutsch, Mathematik und Englisch lernen die Schüler in Fachleistungskursen, denen sie nach ihrem Leistungsvermögen zugewiesen werden. Es gibt zwei Kursniveaus: G steht für Grundkurs, E für Erweiterungskurs. Die Zuweisung zu einem Fachleistungskurs gilt für ein halbes Jahr. Die vorgeschriebene Durchlässigkeit ermöglicht es den Schülern im G-Kurs, bei guten Leistungen in den anspruchsvolleren E-Kurs aufzusteigen. Zeigt sich ein Schüler im höheren Kurs als überfordert, kann er ohne Gesichtsverlust in den leichteren Kurs absteigen.

Ich habe zwölf Jahre lang an der Thomas-Mann-Gesamtschule in Berlin-Reinickendorf Deutsch und Geschichte unterrichtet, die 1969 als dritte Gesamtschule West-Berlins gegründet wurde. Das Kurssystem erlebte ich als für die Schüler äußerst motivierend. Es gab immer Schüler, die sich mit dem leichten G-Kurs nicht zufriedengeben und möglichst schnell in den schwereren E-Kurs aufsteigen wollten, der ein höheres Prestige besaß. „Was muss ich tun, damit ich endlich aufsteigen kann?“ gehörte zu den häufigsten Schülerfragen. 

Da unsere Gesamtschule über eine gymnasiale Oberstufe verfügte, war es das Bestreben der Lehrer, die Schüler durch einen anspruchsvollen Unterricht im E-Kurs auf das gymnasiale Niveau der Oberstufe vorzubereiten. Die guten Leistungen unserer Schüler im Abitur bestätigten das Differenzierungsmodell. In den neun Nebenfächern wurden die Schüler im Klassenverband unterrichtet. Dem Anspruch des gemeinsamen Lernens wurde dadurch hinreichend Genüge getan. Für mich liegt das Erfolgsrezept der Gesamtschule darin, dass in ihr ein fruchtbares Nebeneinander aus Fachleistungsdifferenzierung (in drei Hauptfächern) und Binnendifferenzierung (in neun Nebenfächern) existiert. 

Schwierige Binnendifferenzierung

Wenn man 30 Schüler gemeinsam unterrichten muss, die sich hinsichtlich Intelligenz, Auffassungsgabe und Lernhaltung unterscheiden, geht das nur, wenn man den Unterricht differenziert. Die Didaktik sieht dafür ein vielfältiges Repertoire differenzierender Lernmethoden vor. Erfahrene Lehrkräfte halten diese Art von Differenzierung für die schwierigste Handwerkstechnik des Lehrberufs. Es ist nämlich anspruchsvoll, für alle Lerngegenstände das Unterrichtsmaterial für drei oder vier Anspruchsniveaus aufzubereiten. Auch die praktische Umsetzung im Unterricht gelingt nicht immer optimal. Vor allem die Methoden, die das Selbstlernen der Schüler stimulieren sollen, zeigen in der Praxis immer wieder ihre Schwächen. 

Der Germanist und Mathematiker Remigius Bunia hält die „Lernarrangements des offenen Unterrichts für die wichtigste Ursache für die Defizite, mit denen wir an deutschen Schulen kämpfen“. Er hat Mathe-Stunden gesehen, die ihn ratlos machten: „Die Kinder raten 40 Minuten, der Lehrer lüftet am Ende das Geheimnis.“ Der Lüneburger Bildungswissenschaftler Martin Wellenreuther testete die Wirksamkeit offenen Unterrichts in der Praxis. In vier Schulklassen praktizierten die Lehrkräfte im Biologieunterricht – Thema war die Spinne – die Methode „Stationenlernen“; drei Schulklassen lernten denselben Gegenstand im klassischen Unterrichtsgespräch.

Das Ergebnis war eindeutig: Die Schüler, die eigenständig gelernt hatten, schnitten deutlich schlechter ab als die Schüler, die beim Lernen vom Lehrer angeleitet worden waren. Man kann sich vorstellen, wie sich die Lernergebnisse an der Gesamtschule verschlechtern würden, wenn sie gezwungen wäre, in den drei Hauptfächern das Fachleistungsprinzip zugunsten der Binnendifferenzierung aufzugeben. 

Gesamtschule sorgt für gute Schülerleistungen 

Ich habe an der Berliner Gesamtschule sehr gute Erfahrungen mit den Fachleistungskursen gemacht. Der Unterricht in den homogenen Gruppen verläuft entspannt und weitgehend störungsfrei. Dies gilt auch für die Kurse, in denen die lernschwachen Schüler sitzen. Sie konnten dort ohne Konkurrenzdruck lernen, weil sie nicht ständig die Überflieger vor der Nase hatten, deren Dominanz sie oft als demütigend empfanden. Zur Erfolgsgeschichte der Gesamtschule gehört, dass sie es schafft, relevante Anteile von Haupt- und Realschülern zu besseren Abschlüssen zu führen, als ihnen in der Grundschulprognose prophezeit worden war. 

An meiner Gesamtschule erreichten in einem Zeitraum von 20 Jahren bei den Hauptschülern bis zu 40 Prozent eines Jahrgangs einen Realschulabschluss, acht Prozent sogar den Übergang in die gymnasiale Oberstufe. Von den Realschülern erlangten zwischen bis zu 45 Prozent die Versetzung in die gymnasiale Oberstufe. Von den damaligen Abgängern mit der Mittleren Reife erhielten alle eine Lehrstelle. Diese Schulform erfüllt also durchaus die Anforderungen der OECD: Sie kann die Herkunft der Schüler aus sozial schwachen und bildungsfernen Elternhäusern ein Stück weit kompensieren. 

Unsinniger Selektionsverdacht

Linke Bildungsplaner werfen der Gesamtschule vor, sie bilde durch ihr Differenzierungsmodell das gegliederte Schulsystem, das man ja gerade überwinden wolle, im Inneren der Schule ab, verhindere also das gemeinsame Lernen, das nach dem Gebot der sozialen Gerechtigkeit unverzichtbar sei. Die Fixierung auf das integrative Lernen geht so weit, dass in der Hamburger Stadtteilschule die Fachleistungsdifferenzierung untersagt ist. Die Differenzierung muss per Ukas im diversen Klassenverband stattfinden. 

In Berlin stellt das Schulgesetz den Sekundarschulen anheim, welches der beiden Differenzierungskonzepte sie wählen. In Deutsch dürfen sie sich sogar bis zur 9. Klasse Zeit lassen, bis sie überhaupt differenzieren. Erfahrungen zeigen, dass die meisten Schulen die Binnendifferenzierung vorziehen. Das entlastet die Schulleitung bezüglich des planerischen Aufwandes, den die äußere Differenzierung erfordert. Außerdem schmeichelt diese didaktische Entscheidung dem sozialen Gewissen der Lehrkräfte. Sie können sich darin sonnen, Schüler unterschiedlicher Begabungen gemeinsam zu unterrichten. Gegen die Vergötterung der Diversität hat das Insistieren auf den Lernertrag des Unterrichts keine Chance.  

Wundermittel längeres gemeinsames Lernen

Die Vorstellung, das Heil des Bildungserfolgs liege im gemeinsamen Lernen unterschiedlich begabter Schüler, gilt in pädagogischen Kreisen inzwischen als didaktischer Katechismus. Das Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen wirbt für das „längere gemeinsame Lernen der Schüler“ mit dem Versprechen, „benachteiligte Schülerinnen und Schüler (würden) signifikant vom gemeinsamen Unterricht mit bessergestellten Schülerinnen und Schülern profitieren“.

Dass lernschwache Schüler von den geistigen Überfliegern „signifikant“ profitieren, ist eine reine Behauptung, die noch nie wissenschaftlich belegt wurde. Auch bei dem Hinweis, die flinken Lerner würden aus sozialen Gründen den schwächeren Schülern beim Lernen helfen, ist der Wunsch der Vater des Gedankens. 

Inzwölf Jahren Unterricht in heterogenen Klassen habe ich einen solchen Altruismus bei Schülern nie erlebt. Die intelligenten Kinder blieben, wenn der Lehrer nicht intervenierte, stets unter sich. Bei der Gruppenarbeit protestierten sie mitunter sogar, wenn der Lehrer „gemischte“ Gruppen vorschlug. Sie hätten lieber mit ihresgleichen gelernt, was sie als anregender empfanden, als sich auf das langsame Tempo der schwachen Schüler einzulassen. 

Studie empfiehlt homogene Lerngruppen

Lehrkräfte fühlen sich allein auf weiter Flur, wenn sie aufgrund ihres Erfahrungswissens eine Lanze für das Lernen in homogenen Lerngruppen brechen. Von der Wissenschaft fühlen sie sich allein gelassen, weil die Forscher keine Anstalten machen, die beiden Differenzierungsmodelle (heterogen oder homogen) einem vergleichenden Leistungstest zu unterziehen.

Ein Wissenschaftler nahm sich der Sache allerdings an – mit überraschenden Ergebnissen. In einem Beitrag für die Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie kommt der Soziologe Hartmut Esser von der Universität Mannheim zu dem Schluss, dass eine Stärkung der Differenzierung nach kognitiven Fähigkeiten und Leistungen angeraten sei, wenn man die Effizienz des schulischen Kompetenzerwerbs verstärken wolle. Das gelte auch für leistungsschwache Kinder. Der Einfluss der sozialen Herkunft auf die Lernleistungen ließe sich so ein Stück weit reduzieren. 

Soziale Gerechtigkeit findet man mitunter dort, wo man sie gar nicht vermutet – bei der Pädagogik der „Selektion“. Erste politische Früchte hat Essers Aufsatz schon getragen. Schleswig-Holstein erlaubt in einer Neufassung des Schulgesetzes den Gemeinschaftsschulen, neben der üblichen Binnendifferenzierung auch die Einrichtung von Lerngruppen, die die Schüler nach ihrer Leistungsfähigkeit eingruppieren. Wann folgen die anderen Bundesländer?

Missachtung jugendpsychologischer Erkenntnisse

Jeder, der eigene Kinder hat, hat den Spruch aus dem Volksmund „Gleich und gleich gesellt sich gern“ schon einmal bestätigt gefunden. Schon Grundschulkinder bringen als Spielkameraden Freunde mit nach Hause, mit denen sie sich auch beim Spielen intellektuell von gleich zu gleich auseinandersetzen können. Was die didaktischen Fibeln über das „längere gemeinsame Lernen“ schreiben, ist eine utopische Wunschvorstellung, entbehrt aber weitgehend der Realität.

Die Vorstellung vom konfliktfreien gemeinsamen Lernen ignoriert zudem wichtige Befunde der Jugendpsychologie. Schon kleine Kinder fühlen sich in einer Gruppe unwohl, in der sie sich durch andere Kinder dominiert fühlen, sei es durch deren Geschicklichkeit beim Spiel oder deren sprachliche Fertigkeiten in der Diskussion. 

Ich habe erlebt, dass viele Unterrichtsstörungen von Schülern ausgelöst wurden, die es nicht länger ertragen konnten, den leistungsstarken Schülern ständig unterlegen zu sein. Ihr Störverhalten war ein Hilferuf: Nehmt mich auch wahr! In den homogen zusammengesetzten Lerngruppen habe ich diese Suche nach Aufmerksamkeit durch negatives Verhalten nie erlebt.

Das war auch kein Wunder, fehlten doch mit den intellektuellen Überfliegern die Auslöser des Fehlverhaltens. Wenn man weiß, dass seelische Ausgeglichenheit eine wichtige Produktivkraft beim Lernen ist, muss man homogenen Lerngruppen allemal den Vorzug geben, weil sie die emotionale Zufriedenheit der Schüler erhöhen. 

Unfreiwilliger Leistungsvergleich

Nach der Berliner Schulreform von 2010 wartete die Öffentlichkeit gespannt auf den pädagogischen Ertrag der neu gegründeten Schulformen. Am Ende des Schuljahres 2012/2013 kam es dann beim Mittleren Schulabschluss (MSA) zum Leistungsvergleich. An der Gesamtschule erreichten ihn 88 Prozent der Schüler, an der Integrierten Sekundarschule 84 Prozent und an der Gemeinschaftsschule 78 Prozent. Die Gesamtschule war den anderen beiden Schulformen also deutlich überlegen.

Man geht nicht fehl in der Annahme, die bewährte äußere Leistungsdifferenzierung habe zum Spitzenplatz dieser Schulform beigetragen. In den Folgejahren verzichtete die Schulverwaltung darauf, die Ergebnisse nach Schulformen getrennt auszuweisen, hatte doch die Schulform, die sie zum Auslaufmodell erklärt hatte, am besten abgeschnitten. 

Man kann es fast tragisch nennen, dass die SPD eine Schulform, die erfolgreich arbeitet – die Gesamtschule –, aus ideologischen Gründen durch Schulformen ersetzen will, die zwar das sozialpolitische Gerechtigkeitspostulat erfüllen, aber schlechtere Lernergebnisse erzielen. Man fühlt sich an ein Wort des DDR-Lyrikers Reiner Kunze erinnert, mit dem er sein Misstrauen gegenüber ideologischen Verheißungen ausdrückte: „Im Mittelpunkt steht der Mensch, nicht der Einzelne“.

Anzeige