Genuss mal anders - Etwas Warmes braucht der Mensch

Wenn das nasskalte Schmuddelwetter beginnt, ist es Zeit für deftige Suppen und Eintöpfe. Unser Genusskolumnist holt deswegen einen alten, heute kaum noch verbreiteten Klassiker aus der Versenkung: die Ochsenschwanzsuppe.

Noch nicht kücherfertige Zutaten für eine Ochsenschwanzsuppe auf der Weide / dpa
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Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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Es stürmt, regnet, blitzt und donnert. Wer seine Wohnung verlässt, sollte manchmal darauf achten, dass er nicht die Landebahn von abstürzenden Blumenkästen, umherfliegenden Dachziegeln und brechenden Ästen kreuzt. Der „goldene Oktober“ neigt sich allmählich dem Ende zu und es wird auch merklich kälter und dunkler. Für all das ist ausnahmsweise weder der Klimawandel noch Merkel verantwortlich – es ist alles ganz normal.

Körper und Seele wollen das

Ein bekanntes Unternehmen, das über einen zweifelhaften Ruf für seine Tütensuppen und Würzsoßen verfügt, prägte für die kältere Jahreszeite bereits 1979 den Werbeslogan „Etwas Warmes braucht der Mensch“. Der Rockpoet Herbert Grönemeyer adaptierte das 1983 für einen Song, bei dem es allerdings nicht ums Essen geht. Wie dem auch sei: Herzhafte, warme Gerichte – vor allem Suppen – sind irgendwie ein Muss bei Schmuddelwetter. Dafür gibt es auch ernährungsphysiologische Gründe, aber der mentale Effekt spielt eine zentrale Rolle.

Zu den Klassikern der deutschen Suppenkultur gehört die Ochsenschwanzsuppe. Doch zumindest in der Gastronomie scheint sie mittlerweile auf der Liste der vom Aussterben bedrohten Arten zu stehen. Und inwieweit sie heutzutage in den heimischen Küchen noch zubereitet – und also nicht aus der Dose erwärmt – wird, ist schwer einzuschätzen, entsprechende Nachfragen brachten keine Ergebnisse.

Ganz lange köcheln lassen

Na dann kochen wir mal. Ochsenschwanz vom Fleischer zerteilen lassen, der kann das besser als wir. Zuhause dann noch abspülen, Knorpel- und Knochenreste entfernen. Zwiebel, Möhren, Sellerie und Lauch putzen; alles würfeln beziehungsweise den Lauch in Ringe schneiden. Die Ochsenschwanzstücke in einer Pfanne mit Butterschmalz oder Pflanzenöl scharf anbraten. Dann in einen Topf umfüllen. In der Pfanne das Gemüse anrösten, mit Tomatenmarkt ablösen, mit Rotwein ablöschen und einkochen lassen. Den Pfanneninhalt zusammen mit Gemüsebrühe zum angebratenen Fleisch in den Topf geben, Lorbeerblatt und Pimentkörner dazu und alles zweieinhalb Stunden bei schwacher Hitze köcheln lassen.

Dann die Schwanzstücke rausnehmen, etwas abkühlen lassen, das inzwischen butterzarte Fleisch von den Knochen abzupfen und beiseite stellen. Die Brühe durchsieben, auch das Gemüse durch das Sieb drücken, später Fett von der Oberfläche abschöpfen (das geht gut mit Küchenkrepp).

Ohne Madeira wird das nichts

Erneut auf- und etwas einkochen lassen. Wer‘s mag, kann das auch andicken, etwa mit einer Mehlschwitze – muss aber nicht sein. Die Fleischstücke dazugeben, mit Salz, Pfeffer und Madeira abschmecken. Letzteres ist geschmackspolizeilich zwingend vorgeschrieben. Eine Ochsenschwanzsuppe ohne Madeira ist keine Ochsenschwanzsuppe! Für Sherry statt Madeira kann in begründeten Fällen (wenn partout kein Madeira aufzutreiben ist) eine Ausnahmegenehmigung erteilt werden. Alles andere ist verboten! Wenn es ein Hauptgericht sein soll, gerne noch eine Einlage, zum Beispiel Griesnockerl oder Gnocchi.

Ja, das ist vergleichsweise aufwändig. Na und? Außerdem können wir uns beim Verspeisen dieser köstlichen Suppe noch ein wenig belohnen. Etwa mit einem kräftigen Rotwein aus dem Douro-Tal (Portugal). Ein echter Traumpartner. Und dann kann es draußen gerne stürmen, regnen, blitzen und donnern.

 

Zutaten für 4 Personen

1 kg Ochsenschwanz (vom Fleischer zerteilt)

1 große Zwiebeln

1 große Möhre

1 halbe Stange Lauch

200 g Knollensellerie

1 ½ l Gemüsebrühe

0,2 l trockener Rotwein

0,1 l Madeira

Lorbeerblatt, Pimentkörner, Salz, Pfeffer

Butterschmalz oder Pflanzenöl zum Braten

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