Insolvenz einer Küchen-Ikone - Bye, bye Römertopf

Eher beiläufig hat unser Genusskolumnist zur Kenntnis genommen, dass der Römertopf-Produzent Insolvenz angemeldet hat. Besonders berührt hat ihn das nicht. Aber da auch bei ihm ein Römertopf vor sich hin siecht, hat er ihn noch ein letztes Mal benutzt.  

Römertopf / dpa
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Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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Die Insolvenzwelle in Deutschland rollt und rollt. Nun hat es auch den Römertopf erwischt. Die in Ransbach-Baumbach (Westerwald) ansässige Römertopf Keramik GmbH & Co KG wird in einigen Monaten ihre Produktion einstellen. Ob und wie die Fertigung an anderen Standorten außerhalb Deutschlands fortgesetzt wird, ist derzeit noch offen.

Geschäftsführer Frank Gentejohann verwies auf einen starken Umsatzrückgang seit Beginn des Krieges in der Ukraine. Parallel dazu seien die Erträge aufgrund der Kostenexplosionen bei Energie, Rohstoffen, Löhnen und Produktionsmitteln eingebrochen. Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hätte, sei die Ankündigung des neuen Heizungsgesetzes gewesen. Dies habe erneut einen „massiven Nachfrageeinbruch aufgrund der Verängstigung der Verbraucher“ verursacht.

„Danke, Habeck!“ möchte man da ausrufen, natürlich ironisch gemeint. Doch das ist wohl nur die halbe Wahrheit. Denn das klobige Tongefäß, das im April 1967 erstmals auf der Hannover Messe vorgestellt wurde, hat sich schlicht überlebt. Über 50 Millionen Römertöpfe wurden seitdem verkauft, begleitet von unzähligen Büchern mit den „besten Rezepten für den Römertopf“.

Umständliche Handhabung

Aber was sich ab den 1970er Jahren zu einem nahezu ikonischen Symbol der deutschen Kulinarkultur entwickelte, ist nunmehr  – von Ausnahmen abgesehen – entweder kaputt oder fristet ein tristes Dasein in der hintersten Ecke des Küchenschrankes oder im Keller. Auch die Zweckentfremdung als Pflanzengefäß ist vielerorts zu beobachten.
 

Zuletzt in „Genuss ist Notwehr“ erschienen:


Im Prinzip ist der aus gebranntem Ton hergestellte Römertopf eine Art Dampfgarer, der eine sehr aromaschonende Zubereitung im Ofen ermöglicht. Aber die Handhabung ist denkbar umständlich. So müssen das untere Gefäß und der Deckel vor jedem Gebrauch bis zu 30 Minuten gewässert werden. Auch die Reinigung ist recht aufwendig. Zudem muss er nach häufiger Benutzung auch ausgekocht werden (am besten mit Essigwasser), weil sich sonst in allen Speisen ein undefinierbarer „Römertopf-Mumpf“ entfaltet und die Poren, durch die der Wasserdampf in das Gargut gelangt, allmählich verstopfen.

Zudem ist der Römertopf ziemlich bruchempfindlich, etwa bei zu schneller Hitzezufuhr oder großen Temperaturschwankungen. Zu den Nachteilen des Römertopfs gehört ferner, dass er weder für kleine Portionen noch für die schnelle Küche geeignet ist, also Elementen der Kulinarkultur, die zunehmend an Bedeutung gewonnen haben.  

Niemand braucht einen Römertopf

Alles, was man mit dem Römertopf zubereiten kann, geht auch mit anderen, wesentlich einfacher zu handhabenden Utensilien. Für Kartoffeln reicht ein einfacher Dämpfeinsatz im Kochtopf, Aufläufe gelingen in Glasformen vortrefflich. Jeder anständige Schmortopf und jeder Bräter ist dem Römertopf für die entsprechenden Gericht haushoch überlegen. Traditionelle, wesentlich flexibler einsetzbare Gefäße für aromaschonendes Kochen sind unter anderem die aus Nordafrika stammende Tajine, der Wok und die portugiesische Cataplana, ein Eisen- oder Kupfertopf mit fest verschließbarem Deckel.

Zudem gibt es heute viel mehr Wissen über aromaschonende Zubereitungen mit konventionellen Töpfen und Pfannen. Als Beispiel für „die von der Ampel betriebene Deindustrialisierung Deutschlands“, wie es das Onlinemagazin achgut formulierte, taugen die Insolvenz des Traditionsbetriebes mit rund 40 Beschäftigten und der Niedergang des Römertopfs wohl eher nicht.

Auch Ernährungssoziologe hegt Zweifel

Der Ernährungssoziologe Daniel Kofahl, nach eigenen Angaben ein „kulinarpraktischer Spätzünder“, räumt ein, nie einen Römertopf benutzt oder gar besessen zu haben. Der entsprechenden Empfehlung eines YouTube-Tutorials für die Zubereitung eines Brathuhns habe er seinerzeit widerstanden. Stattdessen habe er „eine gewöhnliche Backform aus Glas genommen, das hat auch gut funktioniert, gefiel mir besser, auch wegen der allseitigen Transparenz des Materials. Und so blieb ich dabei und vergaß den Römertopf wieder“.

Den „Untergang des Römischen-Kochtopf-Reichs“, sieht er „als Folge von Mehrfaktorenproblemen“. Zum einem seien das „aggressive, inzwischen oftmals überlegene Mitbewerber“ und ein altbackenes Image. Aber er will die „verheerende Wirtschaftspolitik“ der Bundesregierung dabei nicht ganz außer Acht lassen. „Konsumenten wie auch Unternehmen aller Art werden ans Limit oder darüber hinaus gebracht. Das wird auch Keramiktöpfe betreffen. Vor allem dann, wenn sie eben vielleicht auch nicht zwingend der heiße Scheiß der Saison oder ein zentrales Element der ambitionierten Amateurküche sind.“

Ein Hähnchen zum Abschied

Aber wie dem auch sei. Ich besitze einen Römertopf, habe allerdings nicht die geringste Ahnung seit wann und wie oft ich ihn benutzt habe. Zur würdigen Trauerfeier der Insolvenz seines Herstellers habe ich ihn noch mal aus der hintersten Ecke gekramt und penibel gesäubert. Ein letztes Mal sollte dieses unpraktische Teil seinem Bestimmungszweck entsprechend zum Einsatz kommen, was ich danach mit ihm mache, ist noch nicht entschieden.

Bringen wir es also hinter uns, diesmal streng nach Anleitung aus der „Römertopf Rezeptwelt“. Ein gewaschenes und dann abgetropftes Hähnchen innen und außen mit Paprika (edelsüß) und Salz einreiben und im Anschluss mit Apfel-, Möhren- und Zwiebelstücken sowie Thymianzweigen füllen. In den bereits gewässerten Römertopf legen und die restlichen Apfel- und Gemüsestücke drumherum drapieren. Dann mit einem Viertelliter trockenen Weißwein aufgießen. Deckel drauf und in den kalten Ofen schieben. Achtung: Niemals vorheizen, dann könnte der Römertopf platzen.

Die Garzeit beträgt bei 180 Grad (Umluft) je nach Größe des Hähnchens 75 bis 90 Minuten. Zehn Minuten vor Schluss den Deckel abnehmen, damit das Hähnchen noch ein bisschen Kruste bekommt. Dann zerteilen und servieren, am besten mit Reis. Achtung! Von der Reinigung den Römertopf ganz langsam erkalten lassen und auf keinen Fall kaltes Wasser reingießen, dann könnte er ebenfalls platzen. Was soll ich sagen – hat ganz ordentlich geschmeckt. Wäre aber auch einfacher und sogar besser gegangen. Das war‘s jetzt also für mich: Bye, Bye Römertopf, jedenfalls als Kochgerät.

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