Framing bei der ARD - Teurer Bluff

Die ARD bezahlte ein „Framing Manual“ teuer. Dessen Autorin verteidigt nun das gemeinsame Projekt. Ihre Aussagen sind ein intellektueller Offenbarungseid und zeigen vor allem, dass Framing im Journalismus nichts zu suchen hat. Von Alexander Kissler

Elisabeth Wehling: Eine-Frau-Firma und eine Fachzeitschrift ohne Inhalt / picture alliance
Anzeige

Autoreninfo

Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

So erreichen Sie Alexander Kissler:

Anzeige

Zwei britische Journalisten haben unlängst die These vertreten, ihr Land habe sich in eine „Bluffokratie“ verwandelt. Im gleichnamigen Buch kritisieren sie die Homogenität einer Elite, die intellektuell und sprachlich zu beeindrucken wisse, aber über wenig Sachkenntnis verfüge. Das Vereinigte Königreich werde von Bluffern regiert. Ob der Befund auch für Deutschland gilt, bleibt unklar. Immerhin ist nun eine Wissenschaft vom angewandten Bluff erschienen, die „Framing-Forschung“. Und die ARD bedient sich ihrer gern.

Die Moralkarte

Bekanntlich bestellte und bezahlte der Mitteldeutsche Rundfunk ein „Framing Manual“. Immerhin 120.000 Euro Gebührengelder war dem MDR der Spaß wert, Workshops inklusive. Die Autorin des „Framing Manuals“, Elisabeth Wehling, rät den offenbar schwer verunsicherten öffentlich-rechtlichen Auftraggebern zu „moralischen Argumenten“, wann immer die „Gegner der ARD“ ihr Haupt erheben. Die Moralkarte solle gezogen werden, damit die Bedeutung der ARD als einer am Gemeinwohl orientierten Einrichtung unmittelbar einleuchte. Wehlings Imperativ lautet: „Denken und sprechen Sie nicht primär in Form von Faktenlisten und einzelnen Details. Denken und sprechen Sie zunächst immer über die moralischen Prämissen.“ Schon dieses Zitat macht klar: Mit der deutschen Sprache, die es instrumentalisieren will zu edlen Zwecken, steht das „Framing Manual“ auf Kriegsfuß. Wie denkt man „in Form von Faktenlisten“? Wie denkt man „über“ etwas? Das ließe man sich gerne von einer Sprachexpertin erklären.

Mittlerweile sind Teile der ARD vom „Framing Manual“ abgerückt. WDR-Intendant Tom Buhrow verbat sich jede Einmischung in seinen Sprachgebrauch; eine SPD-Politikerin und WDR-Rundfunkrätin entdeckte im „Framing Manual“ sogar „nicht mehr zeitgemäße linke Kampfbegriffe, die das duale Rundfunksystem in Gute und Böse unterteilten.“ Sie mag an Wehlings Empfehlung gedacht haben, den „Gegnern der ARD“ einen abschätzigen Blick auf die private Konkurrenz vorzuführen, die „Kommerzsender“. Bei diesen herrsche das „Profitprinzip“, weshalb es zur „Profitzensur“ durch Sat.1, Pro Sieben oder RTL komme. Außerdem hätten Sender ohne Gebührenzwang „zumindest primär keine besondere emotionale Bindung zum Menschen“. Das freie Unternehmertum als Zensor des von ihm kalt wie Hundeschnauze behandelten Publikums? Darauf muss man erst einmal kommen.

 Die Eine-Frau-Firma und eine Fachzeitschrift ohne Inhalt

In einem Interview, das jetzt die „Framing“-Autorin Wehling der Wochenzeitung Die Zeit gab, bestätigt sich drastisch, welch fundamentalen Fehler die ARD begangen hat, als sie ein solches „Framing Manual“ einkaufte. Framing bleibt eine Strategie jener werbetreibenden Industrie, die im „Framing Manual“ barsch verunglimpft wird. Zum Framing kann und darf greifen, wer Margarine an den Mann bringen will – Wehling selbst wählt dieses Beispiel. Zum Framing greift auch die Framing-Expertin selbst, die ihre auftragnehmende Eine-Frau-Firma „Berkeley International Framing Institute“ nun zu ihrer persönlichen „Marke“ zurückstuft – ohne Mitarbeiter, ohne Büro. Selbst eine von Wehling angeblich herausgegebene Fachzeitschrift entpuppt sich als zurückgezogene Absichtserklärung, ohne dass dies vom „Institute“ benannt worden wäre. Insofern ist das „Institute“ der Frame, den Wehling sich gab. Bei der ARD verfing das Framing in eigener Sache. Sollte sich die ARD nun getreu dieser Framing-Technik umbenennen in „Internationale Friedensagentur zur Förderung weltweiten Gemeinwohls“? 

Im Zeit-Interview stößt sich Wehling an der Kritik, die ihr Bekenntnis zum „moralischen Framing“ auslöste. Solche Kritik entstehe, wenn man „Moral (…) als Forschungsbegriff nicht kennt.“ Da irrt die Linguistin. Ihr „Manual“ verwendet „in Abstimmung mit dem Auftraggeber“ Moral genau so, wie der Begriff allgemein verstanden wird und wie ihn die ARD künftig zur Selbstverteidigung verwenden sollte: als Verhaltenslehre des Richtigen, als Imperativ des Gebotenen. Die ARD ließ sich erklären, warum moralisches Reden und damit ein Wechsel der Argumentationsebenen am besten gegen die „Gegner der ARD“ helfe. Welch ein teurer Irrtum. Welch intellektueller Offenbarungseid. Welch billige Ausflucht. Framing bleibt ein Irrweg, sofern Journalisten etwas anderes verkaufen wollen als sich selbst.
 

Anzeige