Die letzten 24 Stunden von Joy Denalane - Zu Aretha Franklin noch einmal tanzen, was das Zeug hält

Die Sängerin Joy Denalane würde ihre letzten 24 Stunden zusammen mit ihrer Familie verbringen - und noch einmal im Schloss­park Charlottenburg spazieren gehen. Sie erzählt, wie sie sich ihre Beerdigung vorstellt und wer dabei reden soll.

Joy Denalane wünscht sich für ihren lezten Tag eine gute Balance aus Trauer und Tanzen / Maurice Weiss
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Autoreninfo

Nadine Emmerich ist freie Journalistin.

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Joy Denalane ist deutsche Soul- und Blues-Sängerin. Sie hat jüngst ihr Motown-Debüt „Let Yourself Be Loved“ in einer Deluxe-Version mit fünf neuen Songs veröffentlicht. Mit dem Musiker Max Herre hat die gebürtige Berlinerin zwei Kinder.

Ich bin Frühaufsteherin. An meinem letzten Tag wache ich schon um fünf Uhr morgens auf. Es ist ein schweres Erwachen, weil ich weiß, dass ich bald viele geliebte Menschen zurücklasse. Mein erster Gedanke gilt meinen Kindern: Was wird aus ihnen, habe ich ihnen alles vermittelt?

Meine letzten 24 Stunden drehen sich nicht um mich, sondern um meine Familie und meine Freunde. Es gibt nichts, was ich noch unbedingt machen möchte. Ich habe so viele schöne Momente in meinem Leben gehabt. 

Nach dem Aufstehen setze ich mich wie jeden Morgen mit Kaffee und Tee ans Fenster. Ich gucke, was meine Leute in der Hood machen. Es sind immer die gleichen zur gleichen Zeit unterwegs, das beobachte ich gern. Ich schaue dieser Normalität des Alltags ein letztes Mal zu und verabschiede mich still davon.

Abschied

Ich gehe früh noch mal im Schloss­park Charlottenburg spazieren, das ist für mich einer der schönsten Parks Berlins. Ich besuche auch noch mal das Grab meiner Eltern. Wenn ich wieder zu Hause bin, setze ich mich mit meinem Mann zusammen und tröste ihn. 

Mit meinen Kindern gehe ich alles durch, was ich für ihr Leben für wichtig halte. Organisatorische Dinge wie: Du brauchst eine Steuernummer. Aber auch Weisheiten: Ich sage ihnen, dass die Welt ein schrecklicher und ein wunderbarer Ort zugleich ist, und dass sie offen bleiben müssen. 

Dann kommen meine fünf Geschwister, meine engsten Freunde, Kinder und Kindeskinder. Wir sind fast 50 Leute, alle quetschen sich bei uns rein. Ich gehe offen damit um, dass es mein letzter Tag ist. Ich möchte, dass wir uns verabschieden. Mir ist es wichtig, über den Tod als Teil des Lebens zu sprechen. Es gibt aber auch Momente des gemeinsamen Schweigens. Alles ist ein bisschen diffus. Wir lachen und weinen zusammen. 

Verewigt durch die Kinder

Mit meinen Geschwistern lasse ich viel Revue passieren. Meine großen Brüder sind sechs und acht Jahre älter als ich, sie haben mich mit großgezogen. Mit meinen zwei kleinen Schwestern habe ich lange in einem Zimmer gelebt. Wir haben Erinnerungen, die ich mit niemandem sonst teile. Mittwochs um 21 Uhr haben wir immer heimlich „Denver-Clan“ geguckt. Unser Fernseher stand im Flur, und wir konnten, wenn wir die Tür einen Spalt offen hatten und alle in einem Bett lagen, ziemlich gut sehen. 

Wir hören auch viel Musik, darunter natürlich Aretha Franklin und Earth, Wind & Fire. Ich tanze, was das Zeug hält. Dann gehen die Gäste, und wir verabschieden uns. Ich gehe duschen, lege mich ins Bett, mein Mann und meine Kinder sind bei mir. Ich sage ihnen: „Seht zu, dass ihr glücklich werdet, wie auch immer ihr das macht.“ Dann schlafe ich ein. 

Ich hoffe, dass ich nach meinem Tod durch die Kinder ein wenig weiterwirke. Meine Mutter ist vor 20 Jahren gestorben, als ich gerade Mutter wurde. Aber sie war trotzdem an meiner Seite, ich habe viel auf sie zurückgreifen können. 

Meine Beerdigung muss laut sein, am besten mit Band, eine Party. Ich wünsche mir viele Trauerreden. Oft sprechen auf einer Beerdigung nur ein Pastor und vielleicht ein Familienmitglied. Bei mir müssen alle ran: meine Kinder, mein Mann, meine Geschwister, meine Freunde.

 

Dieser Text stammt aus der Januar-Ausgabe des Cicero, die Sie jetzt am Kiosk oder direkt bei uns kaufen können.

 

 

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