Die letzten 24 Stunden - Hannelore Hoger: Eine, die den Tod ablehnt

Das Gerede über Tod und Jenseits findet die Schauspielerin und Regisseurin Hannelore Hoger unerträglich. Das Thema ertrage sie nur mit der Absurdität des Komischen. Wenn ihre Stunde schlägt, möchte sie daher nur den Himmel noch einmal sehen und den Sternen zurufen: „Ich komme.“

Die letzten 24 Stunden sind für Hannelore Hoger eine Rückkehr zu Mutter Natur / Anna Mutter
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Autoreninfo

Björn Eenboom ist Filmkritiker, Journalist und Autor und lebt im Rhein-Main-Gebiet.

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Die 1942 in Hamburg geborene Schauspielerin und Regisseurin Hannelore Hoger zählt zu den Besten ihres Faches. Die Kommissarin Bella Block spielte sie 24 Jahre lang im ZDF. Hogers Autobiografie „Ohne Liebe trauern die Sterne“ ist bei Rowohlt erschienen.

Mein Vater trällerte manchmal ein Liedchen aus einer Operette von Paul Lincke. „Ob du mich liebst, hab ich den Wind gefragt. Er stob hinweg und hat mir’s nicht gesagt. Ob du mich liebst, fragt ich den muntren Quell. Er eilte fort und lachte silberhell. (…) In deinen Augen steht es geschrieben, was mir dein Mund verborgen hält. Ich will dich lieben, ewig dich lieben, weil du mein alles auf der Welt.“ Er hat den Ersten Weltkrieg in Verdun überlebt, vermutlich wegen eines Lazarettaufenthalts.

Ach, könnte doch die Liebe diesen unerträglichen, entsetzlichen Hass unter den Menschen, den Völkern vertreiben! Kriege von unfassbarer Grausamkeit, unerbittlicher Zerstörungswut liegen offensichtlich unausrottbar in der menschlichen Natur vergraben. Büchner lässt seinen Woyzeck sagen: „Jeder Mensch ist ein Abgrund, es schwindelt einem, wenn man hinabsieht.“ Für mich hat die Menschheit versagt. Anstatt sich zu umarmen, will man sich bestialisch ausrotten. 4000 Jahre möchte ich leben, wenn es gelänge, diesen Wahnsinn endlich aus den schlauen Köpfen zu vertreiben.

Wann der Faden reißt, wissen wir nicht

Was ich mir für meine letzten 24 Stunden wünschen würde, kann ich nicht beantworten. Wir werden geboren, und das Schwert des Damokles schwingt über uns. Wann der Faden reißt, wissen wir nicht, und das finde ich auch gut so. Wir, die wir aus purem Zufall durch das Weltall fliegen, das sich unbegreiflicherweise immer weiter ausdehnt. Das unfassbare Wunder der Schöpfung, seine Schönheit, hat niemanden, auch keine Religion, dazu gebracht, Respekt, eine Versöhnung unter den Völkern mit dem Anderen, dem Fremden, herbeizuführen.

Meine Mutter war Protestantin, mein Vater wollte nicht, dass wir vier Kinder den Religionsunterricht besuchten. Da ich aber eine kluge Religionslehrerin hatte, die uns die Bibel gut erklären konnte, bin ich trotzdem hingegangen. Meine Mutter hat mich gedeckt. So stand beim Fach Religion stets: „nicht teilgenommen“. Ich bin ohne festen Glauben aufgewachsen, doch christlich erzogen worden im Sinne der Zehn Gebote.

Wiedergeburt nur als Linde

Das ganze Gerede über den Tod und das Jenseits finde ich unerträglich. Das Thema ist nur mit der Absurdität des Komischen zu ertragen. Ich halte es mit Woody Allen: „Ich lehne den Tod ab.“ Ich glaube nicht an eine Wiedergeburt. Doch wenn es sie gäbe, hätte ich nichts dagegen, als eine blühende Linde, besucht von unzähligen brummelnden Hummeln, im Frühling wiederzukommen.

Das All ist unendlich, das menschliche Leben ist es nicht. Das Leben erneuert sich, genauso wie die Natur. Die Natur lenkt und der Mensch denkt. Die unendliche Artenvielfalt ist überwältigend, und die verblüffende Schlauheit von Tieren ist entwaffnend. Ich empfinde die Natur als weiblich. Wir sollten große Ehrfurcht empfinden.

Wenn die Stunde schlägt, möchte ich den Himmel noch einmal sehen und die lieben Sterne und ihnen zurufen, ich komme. Die Hand meiner Tochter halten, und ein riesiger Schwarm bunter Vögel, meine Lieblinge, mögen mich hinauftragen ins unendliche Blau, der Sonne entgegen, der Mutter allen Lebens. Damit ich von oben kräftig blinken und warnen kann, wenn Unheil droht.

Aufgezeichnet von Björn Eenboom

Dieser Text stammt aus der Juli-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder direkt bei uns portofrei kaufen können.

 

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