DFB-Präsident Reinhard Grindel - Abgang eines Überforderten

DFB-Präsident Reinhard Grindel ist zurückgetreten. Seine drei Jahre an der Spitze waren gekennzeichnet von Missmanagement, Kommunikationsversagen und Leistungseinbrüchen. Der DFB braucht eine grundlegende Reform: mehr Schweiß und weniger Profitgier

Unheilvolle Verquickung von Imkompetenz und Profitgier: Reinhard Grindel hat sich selber disqualifiziert / picture alliance
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Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Die Episode Grindel geht zu Ende. Darf man als Chronist ein „Endlich“ hinzusetzen? Der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete, der nach dem raschen Abgang des gestrauchelten Wolfgang Niersbach an die Spitze des größten Sportverbandes der Welt gelangt war wie Rumpelstilz zum Golde, hat heute seinen Rücktritt erklärt. Fast genau drei Jahre, gekennzeichnet durch Missmanagement, Kommunikationsversagen und einen Leistungseinbruch der Nationalmannschaften, fanden ein abruptes Ende. Schuld daran sei, so macht es Grindel in einer larmoyanten Rücktrittserklärung geltend, diese vermaledeite Armbanduhr im Wert von 6.000 Euro, die er, Grindel, sich fatalerweise schenken ließ von einem ukrainischen Fußballfunktionär. Compliance-Vorschriften standen im Weg? Als ob es so einfach wäre. Als ob der Präsident nicht an sich selbst gescheitert wäre. Als ob der DFB nicht zum Sanierungsfall geworden wäre.

Von den vielen Fehlern des nicht glücklosen, sondern für sein Amt hinreichend disqualifizierten DFB-Präsidenten Grindel sticht dieser hervor: Ohne Not, vielleicht, um sich weiter in selfietauglicher Nähe zum Bundes-Jogi sonnen zu können, vielleicht, weil im DFB-Koordinatensystem die Grenzen von Kontinuität und Starrsinn traditionell fließend sind, wurde der Vertrag von Joachim Löw im Mai vergangenen Jahres bis 2022 verlängert – über die dann katastrophal verlaufene Weltmeisterschaft hinaus, auch über die Europameisterschaft 2020 hinaus, bis hin zur Weltmeisterschaft 2022 in Katar. Das Leistungsprinzip war damit offiziell außer Kraft gesetzt, Prominenz schlug Kompetenz, nicht zum ersten Mal.

Der „Donald Trump des deutschen Fußballs“

Grundfalsch war auch Grindels Entscheidung, nach den PR-Fotos des deutschen Fußballspielers Mesut Özil mit dem türkischen Staatspräsidenten Erdogan nicht auf einen umgehenden Abschied Özils aus der Nationalmannschaft hinzuwirken. Özil hatte den DFB mit diesen Fotos in einer Weise brüskiert, die vermutlich kein anderer Verband, kein anderes Unternehmen einem prominenten Aushängeschild hätte durchgehen lassen. Der DFB konkurrierte zum Zeitpunkt der Londoner PR-Fotos mit dem türkischen Fußballverband um die Ausrichtung der Europameisterschaft im Jahr 2024. Erst im vergangenen September setzte sich der DFB durch. Mesut Özil hatte sich maximal illoyal verhalten.

Als der langjährige Kommunikationschef der deutschen Fußballnationalmannschaft, Harald Strenger, Grindel vor wenigen Wochen den Donald Trump des deutschen Fußballs schalt, kein Fettnäpfchen auslassend, war der Vergleich ungerecht: für Trump. Der amerikanische Präsident kann bei aller Rüpelhaftigkeit im Umgang auf eine boomende Wirtschaft und auf einigermaßen stabile Zustimmungswerte verweisen. Unter Grindel erodierte, abgesehen von der U21, der gesamte Nachwuchsbereich, so dass Michael Horeni in der FAZ nun urteilte: „Angesichts der vielen wankel- bis kleinmütigen Auftritte der deutschen Teams in den vergangenen Monaten über (fast) alle Altersklassen hinweg lässt sich sagen: Fußball-Deutschland sollte Siege in Europa und der Welt feiern, wie sie fallen. Viele sind es nicht mehr – und so schnell werden sie vermutlich auch nicht zurückkommen.“ 

Der DFB – die eierlegende Wollmilchsau

Und unter Grindel geschah keineswegs, was Grindel sich nun auf die eigenen Fahnen schrieb. Unter ihm wurden keineswegs „dem Amateurfußball in Deutschland Impulse gegeben“. Die Regionalligareform stockt wie eh und je, die Dritte Liga brachte mehr Insolvenzen als Hoffnungsträger hervor, und der Amateurfußballkongress im Februar dieses Jahres in Kassel ließ lange Gesichter zurück. Hängen blieb vor allem Grindels zynischer Vorschlag an die Amateurvereine, sie sollten doch ihre Beiträge erhöhen, wenn sie mehr Geld bräuchten: „Der DFB-Präsident fordert nicht etwa Solidarität vom milliardenschweren Profifußball, sondern sagt zu seiner Basis: Helft euch selbst, kassiert eure Mitglieder ab!“ Grindels eigene pekuniäre Ambitionen waren minder bescheiden. Frisch enthüllte Nebenverdienste in Höhe von 78000 Euro bei einem DFB-Tochterunternehmen addierten sich mit insgesamt einer halben Millionen Euro jährlich für UEFA- und FIFA-Funktionärsdienste und dem regulären DFB-Gehalt auf ein ordentliches Sümmchen. Wer einmal Spitzenfunktionär wurde, dem treibt der Posten stets neue Funktionärsehren und Funktionärsgelder zu. Die eierlegende Wollmilchsau: Grindel hatte sie im DFB gefunden.

Dennoch wäre es ungerecht, den Niedergang des DFB allein an Grindel festzumachen und ihm allein die Verantwortung zuzuschieben. Eine hoffentlich letzte Aufgipfelung fand in ihm die DFB-typische, unersprießliche Verquickung von hohem Moral- und noch höherem Geldeinsatz, von „Alle-für-einen“-Rhetorik und professioneller Profitgier, von Vereinsmeierei und Corporate Identity, von Sozialarbeit und Globalisierung. Der Boom des Profifußballs tut dem Fußball nicht gut. Die glitzernde Spitze schadet der Basis. Der DFB braucht eine Reform an Haupt und Gliedern. Der DFB braucht weniger Glamour und mehr Schweiß. Weniger Politik und mehr Fußball. Ein Anfang ist mit dem Abgang eines Überforderten gemacht.

Vorschriften verhindern kein Fehlverhalten 

Ach ja: In seiner kurzen Karriere als Hinterbänkler nahm der CDU-Politiker Grindel das Scheitern des DFB-Präsidenten Grindel vorweg. Am 15. Oktober 2015 erklärte Reinhard Grindel im Bundestag, Antikorruptionsgesetze und Compliance-Kodex seien ja „gut und schön.“ Im Endeffekt aber käme es „nicht allein auf gute Vorschriften an, sondern auf gute Menschen, die sich im Wirtschaftsverkehr im Zweifel am Grundsatz orientieren: Das tut man nicht. Und wo es zu wenige dieser guten Menschen gibt, können wir noch so viele gute Gesetze machen und werden Fehlverhalten trotzdem nicht verhindern.“ Genau so ist es jetzt gekommen.

 

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